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Quelllüftung

Luftführungskonzept für Konzerthaus

Die Hochschule für Musik in Detmold zeichnet sich durch ein Ambiente aus, dass ein pädagogisch-künstlerisches Studium von besonderer Intensität ermöglicht. Seit mehr als 60 Jahren unterrichten hier internationale Spitzenmusiker zukünftige Meister. Gegenwärtig können sich die Studenten der Hochschule zu Komponisten, Orchestermusikern, Pianisten, Opern-, Lied- und Oratoriensängern, Dirigenten, Kirchen- und Schulmusikern, Gesangs- und Instrumentalpädagogen, Musikvermittlern und Konzertpädagogen sowie Tonmeistern ausbilden lassen.

Ein hoher Stellenwert wird dabei auf die praktische, öffentliche Musikausübung gelegt, die sich durch ein Podiumstraining von besonderer, realitätsnaher Qualität auszeichnet. So bespielt die Hochschule in mehr als 400 Konzerten pro Jahr zahlreiche Konzertsäle, Studiobühnen und sogar zwei Theater.

Den Studierenden stehen zehn ausbildungsspezifisch eingerichtete Gebäude zur Verfügung, die campusartig im und am imposanten Palaisgarten liegen. Ursprünglich im frühen 18. Jahrhundert als Parterregarten französischen Stils angelegt, wurde dieser in der Zeit von 1849 bis 1865 vergrößert und in einen englischen Landschaftsgarten umgestaltet. Heute ist der Palaisgarten mit dem alten Baumbestand, der Kaskade, seinem Brunnen und der umgebenden Bruchsteinmauer als Baudenkmal geschützt. Im südlichen Teil der Parkanlage befindet sich das große Konzerthaus der Hochschule, das über eine weltweit einzigartige Beschallungstechnik verfügt.

Der Bau des mit dunklem Schiefer verkleideten Gebäudes (Bild 1), das durch eine hoch­ragende weiße Betonstele vor dem Eingangsportal gekennzeichnet ist, fand in den Jahren 1965 bis 1968 statt. Seine hohe architektonische Qualität wurde seinerzeit mit dem BDA-Preis, dem wichtigsten Preis des Bundes Deutscher Architekten, ausgezeichnet. Die markante Silhouette des Konzerthauses findet sogar Eingang in das aktuelle Logo der Hochschule. Den Studenten bietet das Gebäude mit seiner Ausstattung sowie dem auf 585 Zuschauer bzw. Zuhörer ausgelegten Saal die Möglichkeit, ihre musikalische Ausbildung unter professionellen Konzertbedingungen zu absolvieren.

Kernsanierung war notwendig

Nach über 40-jähriger Nutzung wurden allerdings Probleme sichtbar, die mit bauzeittypischen Aspekten verbunden waren. So erfolgte der Umgang mit Energie damals noch sorglos, in der Materialwahl spiegelten sich keine Erkenntnisse über Schadstoffe wider und die gesamte Haustechnik wurde von den gegenwärtig geltenden Standards überholt. Aus diesem Grund entschlossen sich die Verantwortlichen, das Konzerthaus von Oktober 2007 bis Januar 2009 einer Kernsanierung zu unterziehen. Die Planung und Durchführung übernahm der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen, der gleichzeitig auch Eigentümer des Konzerthauses ist.

Wegen der flächendeckenden Schadstoffbelastung durch Spritzasbest wurde das Gebäude zunächst bis auf die tragende Stahlbetonkonstruktion zurückgebaut. Unter Einbehaltung des architektonischen Konzepts erfolgten anschließend Maßnahmen zur Verbesserung der Wärmedämmung und des Brandschutzes im Objekt. So wurde beispielsweise beim Fassadenneubau Wärmeschutzverglasung eingesetzt und die charakteristische Sichtbetonkiefernholzoptik im Innern wurde durch eine nicht brennbare Ausführung ersetzt. Darüber hinaus wurde im Rahmen eines Energiesparkonzepts die Haustechnik inklusive aller Aus- und Einbauten in den Nebenräumen komplett erneuert.

Luftführungskonzept

Zum Bestandteil der Kernsanierung gehörte ebenfalls eine Neukonzeption des lüftungs- und klimatechnischen Systems im Konzerthaus. „Leitgedanke für alle neuen Denkansätze war eine deutliche Steigerung der Luftqualität sowie des thermischen und akustischen Komforts, verbunden mit spürbaren Energie- und Betriebskosteneinsparungen“, erläutert Ulrich Thebille, verantwortlicher Fachplaner beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW. „Gleichzeitig mussten vorhandene bauliche Gegebenheiten, wie Platzangebot und statische Voraussetzungen, in die Planung einbezogen werden. So waren bislang für die Luftaufbereitung im Konzertsaal zwei separate Vollklimaanlagen verantwortlich – eine für den Bühnen- und eine für den Publikumsbereich. Hier bestand kaum Spielraum für Änderungen, da sowohl die Größe und Struktur der bestehenden Gebäudetechnikzentrale als auch die Kapazitäten für die Kanalführung kein anderes Konzept zuließen.“

Darum konzentrierte sich die Neukonzeption auf die Luftführungsart im fensterlosen Konzertsaal. Vor der Sanierung wurde die Zuluft im Deckenbereich eingebracht. Auf diese Weise fand eine Vermischung der Frischluft mit der belasteten Raumluft lange vor dem Erreichen der Sitzreihen statt. Gleichzeitig erschwerte die Auftriebsströmung oberhalb des Publikums den gewünschten Luftwechsel im Aufenthaltsbereich. Darum wurden Durchlasssysteme genutzt, die die Zuluft mit ausreichendem Impuls einbrachten – im Kühlfall mit geringen und im Heizfall mit hohen Austrittgeschwindigkeiten. Daraus resultierten durch die erheblichen Druckverluste akustische Beeinträchtigungen, die insbesondere für die Tonmeisterausbildung nicht mehr tolerierbar waren.

Die Verbesserung der Wärmedämmung des Konzertsaals reduzierte die Heizlast von 80 auf 13 kW, sodass ein Wechsel von der turbulenten Luftführung zur heutzutage häufig favorisierten Quelllüftung vorgenommen werden konnte. Das Luftführungsprinzip beeinflusst die Raumströmung durch thermischen Auftrieb, wodurch besondere energetische Vorteile entstehen. Die Zuluft wird in Bodennähe eingebracht, verteilt sich hier großflächig, strömt anschließend durch die Erwärmung an Körpern nach oben und verdrängt so die belastete Raumluft. Der langsame, zugluftfreie Austritt­impuls mit einer Geschwindigkeit von weniger als 0,2 m/s gewährleistet dabei eine hohe thermische und akustische Behaglichkeit. Zusätzlich trägt eine sich im Kühlfall einstellende Temperaturschichtung zur Senkung der Kühllast bei.

Individuelle Luftdurchlässe

Unterhalb der aufsteigenden Bestuhlung des Konzertsaals befindet sich eine Druckkammer (Bild 5), über die vor der Sanierung mithilfe von Kernbohrungen zum Stufenvorraum die Abführung der Abluft erfolgte. Diese Infrastruktur wird nun für die Zulufteinbringung genutzt. Die aufbereitete Außenluft gelangt über Kanalführungen in der Druckkammer, die Kernbohröffnungen sowie speziell für die Saalstufen entwickelte Quellluftdurchlässe in den Raum. Die Abluft wird jetzt über die abgehängte, durchlässige Decke des Saals abgesaugt.

„Eine besondere Herausforderung während der Neukonzeption stellten die für uns unvorhersehbaren baulichen Rahmenbedingungen dar. Die Quellluftführung unter der Bestuhlung konnte beispielsweise erst nach dem Abtragen des Parketts und der Freilegung des Untergrunds im Detail geplant werden“, beschreibt Thebille die schwierigen Planungsvoraussetzungen. „Aus diesem Grund kamen für die Zusammenarbeit nur Partner infrage, die bei der Lösungsfindung entsprechend flexibel und kompetent auf die Gegebenheiten vor Ort reagieren konnten.“

Die Luftdurchlässe in den Saalstufen wurden von dem Fachplaner gemeinsam mit dem Lüftungs- und Klimatechnikhersteller Emco Klima, der bereits mehrere Projekte zusammen mit dem Bau- und Liegenschaftsbetriebes NRW umgesetzt hat, konzipiert. Dabei galt es, sowohl die äußerst unebene Betonunterkonstruktion der Stufen als auch die Anschlusssituation zum neuen Parkettaufbau zu berücksichtigen. Das Ergebnis ist eine individuell für jede Stufe angepasste und in der Höhe ausgelegte Luftdurchlassvariante. Insgesamt wurden rund 300 m dieser Quellluftdurchlässe verbaut (Bild 2), die zusammen bis zu 18500 m3/h Zuluft impulsarm und zugfrei in den Konzertsaal einführen.

Zur Optimierung der thermischen Behaglichkeit in den oberen Sitzrängen sowie zur Unterstützung der Quellluftströmung im Raum wurde zusätzlich im hinteren Wandbereich des Saals ein Schlitzluftdurchlasssystem (Typ SAL 35) integriert. Hierzu wählten die Beteiligten eine aus früheren Projekten erfolgreich getestete Durchlassvariante von Emco Klima, die die kühle Zuluft hochdiffus einbläst und anschließend in den Aufenthaltsbereich absinken lässt. Die zunächst hohe, senkrecht abfallende Strömungsgeschwindigkeit wird dabei rasch abgebaut und der Volumenstrom von bis zu 1500 m3/h erreicht das Publikum ohne Zugerscheinungen mit ca. 0,2 m/s.

Temperierung des Orgelbereiches

Das Raumklimakonzept beinhaltet eine spe­zielle Lösung für den Bereich rund um die große, viermanualige und mit 53 Registern ausgestattete Orgel im Konzertsaal (Bild 4). Da sich die für eine Quelllüftung charakteristische Temperaturschichtung von bis zu 1,5 K pro Höhenmeter beeinträchtigend auf das raumhohe Instrument ausgewirkt hätte, war eine Luftführung gefragt, die auch im Konzertbetrieb bei vollbesetztem Saal ein homogenes Temperaturfeld von 21 °C gewährleistet. Um die Strömungsverhältnisse im direkten Umfeld der Orgel zu untersuchen sowie einen theoretischen Nachweis für die Funktionsfähigkeit des zu entwickelnden Konzepts zu erhalten, wurde Prof. Dr. Bernd Boiting von der Fachhochschule Münster mit entsprechenden Simulationsberechnungen beauftragt (Bild 7).

Die von dem Wissenschaftler favorisierte Lösung sieht einen Quellluftschleier für den Orgelbereich vor. Ergebnis seiner Simulationen war zudem eine starke Beeinflussung der Orgelumgebung durch thermisch angetriebene Strömungen im Bühnen- und Zuschauerbereich. Ein zusätzlicher Impulsluftdurchlass im Deckenbereich wirkt diesen Einflüssen entgegen, indem er die thermischen Grundströmungen vom Instrument wegbewegt. Aufgrund von baulichen Gegebenheiten erfolgt die Einbringung der Zuluft in zwei Teilluftvolumenströmen. Ein Luftvolumenstrom von 3500 m3/h wird oberhalb der Orgel durch einen kombinierten Quell- und Impulsluftdurchlass eingeführt. Die Zuluft aus dem speziell für diesen Anwendungsfall von Emco Klima entwickelten Luftdurchlass überströmt dabei das Instrument in seiner gesamten Breite von 7 m.

Anschließend fällt die gekühlte Luft vor der Orgel ab, wobei der Abtriebseffekt durch die umgebende Warmluft abgebremst wird. Ein Quellluftdurchlass im unteren Bereich bringt einen weiteren Luftvolumenstrom von 2000 m3/h ein. Auf diese Weise wird das Instrument von einem Quellluftschleier komplett umschlossen und die geforderte homogene Temperaturverteilung in seinem direkten Umfeld sichergestellt.

Die Temperierung des Orgelbereiches erfolgt über die zweite Vollklimaanlage, die für die Luftaufbereitung des vorderen Bühnenbereichs im Konzertsaal verantwortlich ist. Die Bühne verfügt über einen Orchestergraben, in dem ein zusätzliches, aus vier linearen Quellluftdurchlässen (Typ QAL-L) bestehendes Luftführungssystem installiert ist. Bei abgesenktem Orchestergraben tritt der Zuluftvolumenstrom von 3000 m3/h über die entstandene Bodenöffnung zugfrei und impulsarm in den Raum ein. Ist der Orchestergraben geschlossen, strömt die Zuluft über entsprechende Öffnungen in der angehobenen Bühnenvorderkante aus. Um die Thermische Behaglichkeit für die vorführenden Musiker im Saal zu optimieren, werden weitere 3500 m3/h Zuluft ebenfalls quellluftartig mithilfe eines Druckraums hinter der Bühnenrückwand eingeführt (Bild 3).

Bedarfsorientierter Betrieb

Das Energiesparkonzept der Hochschule sieht bedarfsorientierte Laufzeiten der Klimaanlagen vor. Im Konzertsaal ergeben sich aufgrund der massiven Bauweise, der fehlenden Fenster sowie der sehr guten Wärmedämmeigenschaften außerhalb der Proben- oder Veranstaltungszeiten so gut wie keine zusätzlichen Wärme- bzw. Kühllasten. Ein Betrieb der Anlage ist dann in der Regel nicht notwendig. Der Zustand der Raumluft wird dabei stetig über mehrere im Saal verteilte Sensoren auf Feuchtegehalt, Temperatur und CO2-Konzentration geprüft. Bei einer Grenzüberschreitung läuft das lüftungs- und klimatechnische System an und sorgt so für eine Kontinuität der optimalen Raumluftverhältnisse. „Insgesamt ist ein ganzheitlich aufeinander abgestimmtes Konzept entstanden, das die Anforderungen an einen sparsamen Energiehaushalt, eine hohe Behaglichkeit für Musiker und Besucher sowie die besondere Situation der Konzertorgel sogar über unsere Erwartungen hinaus erfüllt“, so das Fazit von Thebille.

Hellmuth Weiß

Dipl.-Wirt.-Ing., Dipl.-Ing., ist Geschäftsführer von Emco Klima, 49811 Lingen (Ems), https://www.emco.de/

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