Kompakt informieren
Ob eine Raumlufttechnische Anlage das Risiko einer Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus tendenziell eher befördert oder hemmt, kann nicht
allgemein, sondern nur mit einer genauen Betrachtung aller Randbedingungen und Umstände beantwortet werden.
Neben der Luftaufbereitung und dem Umluftanteil spielt auch die Luftführung in den Räumen und im Gebäude eine Rolle. Mit wenigen Ausnahmen sind Raumlufttechnische Anlagen nicht darauf ausgelegt, „virenfreie“ oder auch nur „virenarme“ Aufenthaltszonen herzustellen.
Mit den Möglichkeiten, die ein bestehendes Lüftungssystem bietet, kann seine Abschaltung bezogen auf die Hemmung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus situationsbezogen durchaus angezeigt sein. Für eine ausreichende Lüftung muss dann in der Regel mit anderen Maßnahmen gesorgt werden.
Raumlufttechnische Anlagen haben – abgesehen von Anlagen für OP-Bereiche, Labore und sehr spezielle Räume – nicht die Aufgabe, eine virenfreie Zone herzustellen. Andererseits kann man sie auch nicht als Virenschleudern bezeichnen. Sie können das Risiko
einer Übertragung durch den Verdünnungseffekt mit unbelasteter Zuluft verringern und so eine Unterstützung beim Gesundheitsschutz bieten.
Aber hier deutet sich schon an, dass die Ausstattung der Lüftungsanlage sowie die Art der Luftführung bezogen auf Viren einen unterschiedlichen Effekt haben können.
Filterung / Bestrahlung
Es wird oft betont, dass eine gute Filterung bzw. UV-C-Bestrahlung der Zuluft die Lösung sei. Einen 100%igen Infektionsschutz bieten sie aber nicht. Denn die Virenübertragung erfolgt mehr oder weniger unmittelbar von Mensch zu Mensch, unter anderem über die ausgeatmete Luft. Um diesen Übertragungsweg weitgehend auszuschalten, müsste in geschlossenen Räumen jeder medizinische Masken und Schutzkleidung tragen …
Wird virenbelastete Atemluft durch die Luftführung der Anlage auf andere Menschen übertragen, haben selbst HEPA-Filter (High Efficiency Particulate Air filter) der Klasse H14 keine Wirkung [2]. Das gilt z. B. auch, wenn der Auftriebsstrom über den Wärmequellen größer als der Abluftvolumenstrom im Raum ist. Die Differenz dieser Volumenströme tragen zu einem Mischluftzustand bei.
Umluft abschalten
Durch den Betrieb mit Umluft oder durch undichte Zentralgeräte bzw. Rotations-Wärmeübertrager kann sicherlich eine Aerosol-Verschleppung in einen oder mehrere Räume durch dann potenziell virenbelastete Zuluft erfolgen. Folgerichtig empfiehlt der REHVA-Leitfaden [3] das „Abschalten“ der Umluft.
Eine Nachfrage des Autors bei einem Hersteller von Deckenluftgeräten mit Umluft und vorkonditionierter Frischluftbeimischung für einen aktuell geplanten Supermarkt ergab, dass ein Abschalten der Umluft nicht möglich ist. Dann müsse das ganze Gerät abgeschaltet werden und eine Nacherhitzung / Nachkühlung könne nicht mehr erfolgen, Heiz- und Kühllasten können nicht mehr ausgeglichen werden.
Hier könnte man, z. B. durch ein Merkblatt, eine Empfehlung für die zukünftige Konstruktion solcher Geräte in bestimmten Anwendungsbereichen geben, das im „Pandemie-Modus“ der Umluftbetrieb unterbunden wird und mit dem Frischluftanteil weiter gekühlt / geheizt werden kann. Denkbar ist auch eine andere Dimensionierung der Anlage, die im Normalbetrieb „herunterregelt“.
In jedem Fall ist absehbar, dass sich die Lüftungsregel-Experten in mehreren Anwendungsgebieten künftig auch mit Pandemie-
Szenarien auseinandersetzen müssen.
Außenluftvolumenstrom erhöhen
Die Empfehlung, den Außenluftvolumenstrom zu erhöhen, muss man differenziert betrachten. Vorausgesetzt, es sind noch genügend Reserven vorhanden und eine Befeuchtungsmöglichkeit ist nicht gegeben, ist zu bedenken, dass Temperatur und Feuchte im Raum einen gegenläufigen Effekt gegenüber dem Verdünnungseffekt bewirken können.
Bei Lüftung mit niedriger Außenlufttemperatur führt dies zu einem Absinken der relativen Raumluftfeuchte. Dadurch trocknen die Schleimhäute im Mund und Rachen schneller aus und die Immunabwehr wird geschwächt. Außerdem bilden sich mehr Aerosole, da ausgeatmete Tröpfchen schneller verdunsten. Die sich einstellende relative Raumluftfeuchte hängt von der Feuchtelast im Raum und von der installierten Heizleistung (limitierender Faktor des Luftwechsels) ab. Bei geringer Feuchtelast und ausreichender Heizleistung würde sie schon unterhalb von 6 °C Außenlufttemperatur unter 40 % r. F. liegen. Die Empfehlung weist damit zumindest in der Heizzeit auch Nachteile auf.
Wohnungslüftungsanlagen
Für den Fall, dass es in einem Haushalt einen Infizierten gibt und die restlichen Bewohner geschützt werden sollen, wäre für den Infizierten eine Quarantäne in einem Raum mit „Luftisolation“ angebracht. Manche Wohnungslüftungssysteme machen dies jedoch unmöglich, da sie virenbelastete Luft von Raum zu Raum übertragen. Bei der Übertragung in Aufenthaltsräume ist das wegen der höheren Belegungszeit während einer Quarantäne besonders kritisch.
Bei Abluftanlagen werden die Viren über den Flur bis ins gemeinsam benutzte Bad transportiert. Mit einer innerhalb der Wohnung direkt verlegten Zuluftleitung zum Bad als Nachströmöffnung [4] wäre dieser Übertragungsweg jedoch weitgehend ausgeschaltet.
Nur die mechanische Einzelraumventilation und die Fensterlüftung sind für den Quarantäneraum geeignet. Eventuell auch Zuluftsysteme, sofern die Luft nicht über Überströmluftdurchlässe geführt wird.
Ohne Luftisolation sind die nach DIN 1946-6 geplanten Außenluftvolumenströme zu gering. Das liegt an der Aufteilung des Gesamtvolumenstroms für die Nutzungseinheit auf die einzelnen Räume mittels fRzu-Faktoren. Es ergeben sich dadurch sehr viel geringere Werte, als 30 m3/(h ∙ Pers).
Beispiel: Eine 3-Zimmerwohnung mit 3 Personen wird mit 90 m3/h Gesamtaußenluftvolumenstrom ausgelegt. Eine Person ist infiziert und hält sich mit den beiden gesunden Personen im Wohnzimmer mit 47,66 m3 Raumluftvolumen auf. Für das Wohnzimmer ergibt sich nach DIN 1946-6 aber nur ein Volumenstrom von 39 m3/h für 3 Personen, also 13 m3/(h ∙ Pers). Mit einem Atemluftvolumenstrom von 0,375 m3/(h ∙ Pers) bei Aktivitätsgrad I ergibt sich nach [5], dass nach ca. 37 min der Raum verlassen werden sollte. In dieser Zeit ist die CO2-Konzentration auf ca. 900 ppm angestiegen, wenn der Raum zu Beginn vollständig durchlüftet wurde und eine Anfangskonzentration von 450 ppm aufwies.
Zu beachten ist, dass Maßnahmen, wie bessere Filter oder eine Erhöhung des Volumenstroms im Bestand nicht immer möglich sind.
Abschalten der Lüftungsanlage
Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass ein Abschalten der Lüftungsanlage je nach System und Nutzungsart des Gebäudes oder der Wohnung geboten sein kann. Lunos, namhafter Lüftungsgerätehersteller, hat aus diesen Überlegungen heraus schon im Januar 2020 alle Lüftungsgeräte im eigenen Werk abgeschaltet.
Bei relativ enger Belegung in Verbindung mit einer langen Belegungszeit, z. B. im Flugzeug, kann die Lüftung bei geeignetem Strömungsverlauf den Infektionsschutz gegenüber der Nichtlüftung erhöhen. In der Regel sind aber solche gezielten Strömungsrichtungen bei unbewegten Personen selten.
Schlussfolgerungen
Bisher hat sich gezeigt, dass sich nicht zwangsläufig alle Mitglieder eines Quarantäne-Haushalts infizieren, dagegen aber gleichzeitig ein kurzer „Blickkontakt“ in der Kantine für eine Infektion ausreichend sein kann [6].
Das hängt vermutlich damit zusammen, ob man gerade infizierte Luft einatmet und wieviel Viren dabei „im Spiel“ sind. Da man im Nachhinein nicht feststellen kann, woher die infizierte Luft gekommen ist, ist ein Nachweis, ob die Infektion durch die Lüftungsanlage „befördert wurde“ nicht möglich.
Eine Lüftungsanlage kann für die Reinheit der Zuluft sorgen. Durch die Luftströmung im Raum oder durch die Übertragung in andere Räume (Überströmung) ist aber die Verbreitung einer Infektionsquelle hinter dem Luftauslass möglich.
Für einige Lüftungsanlagen wird deshalb ein Abschalten zur Verhinderung der Verbreitung einer Infektionsquelle Risiken verringern. Ein Lüften in Intervallen möglichst ohne die Anwesenheit von Personen und mit hohen Volumenströmen, z. B. über weit geöffnete Fenster, wäre in diesem Fall geeigneter.