Lange Zeit hatten raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) in Nichtwohngebäuden ein Imageproblem: Sie galten in der öffentlichen Wahrnehmung generell als Energieverschwender. „Natürliche Lüftung“ hingegen hatte geradezu den Nimbus eines Gütesiegels für energiesparende Gebäudekonzepte.
Paradox war, dass gleichzeitig in Niedrigenergiehauskonzepten für Wohngebäude die kontrollierte (mechanische) Lüftung zum Standard wurde. Wärmerückgewinnung stellte nach dem baulichen Wärmeschutz den nächsten Meilenstein für eine energieeffiziente Bauweise dar. Das Passivhaus wurde durch die Lüftungsanlage überhaupt erst möglich. Die Serienfertigung von Wohnungslüftungsgeräten führte zu hocheffizienten Wärmerückgewinnern bei gleichzeitig niedrigem Ventilatorstrombedarf.
Warum soll dies bei Nichtwohngebäuden anders sein? Das Verhältnis von Wärmerückgewinn zum Strombedarf entscheidet auch hier, ob die Anlage Energie verschwendet oder beim Energiesparen hilft.
EnEV und RLT-Effizienz
Mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2007 wurde begonnen, raumlufttechnische Anlagen bei der Bewertung der Gebäudeenergieeffizienz angemessen zu berücksichtigen. Durch Einführung der Referenzgebäudemethodik1) wurde zum ersten Mal folgerichtig bewertet, dass Nichtwohngebäude je nach Nutzung deutlich höhere Luftwechsel als Wohngebäude aufweisen können. Dadurch kann in hoch technisierten Gebäuden die Lüftung(stechnik) sogar ausschlaggebend für die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes sein. Erstmalig wurden Einzelanforderungen an RLT-Anlagen gestellt, die bei Neuerrichtung, aber auch bei Ersatz vorhandener Anlagen gelten. Wer heute bestehende Anlagen erneuert oder modernisiert, darf unter Umständen keinen bloßen 1:1-Ersatz vornehmen. Mittlerweile laufen auch die energetischen Inspektionen von Klimaanlagen an, zu deren Veranlassung die Betreiber alle zehn Jahre verpflichtet sind.
Energetischer Break Even erreicht
Die EnEV-Novellierung 2009 verschärfte das energetische Anforderungsniveau für alle Gebäude um durchschnittlich 30 %. Durch die angepasste Referenzgebäudebeschreibung betrifft diese Verschärfung alle Gewerke. Referenzmerkmale von RLT-Anlagen mit geregelter Luftkonditionierung sind unter anderem:
- Spezifische Ventilatorleistung p<sub>SFP</sub> = 1,5 kW/(m<sup>3</sup>/s) zuluftseitig und 1,0 kW/(m<sup>3</sup>/s) abluftseitig
- Wärmerückgewinnung mit Rückwärmzahl 0,60
Wie Bild 1 zeigt, wird erst dadurch ein energetisch bemerkenswertes Niveau erreicht. Übers Jahr betrachtet kann mehr Wärme eingespart werden, als Elektrizität (primärenergetisch bewertet durch Faktor 2,6) für die Ventilatoren eingesetzt werden muss.
Bei erstmaligem Einbau oder Ersatz von raumlufttechnischen Anlagen mit mehr als 12 kW Kälteleistung oder 4000 m3/h Luftvolumenstrom fordert die EnEV in § 15 grundsätzlich
- die Einhaltung der SFP-Klasse 4 nach DIN EN 13779 für Einzelventilatoren oder als gewichteter Mittelwert aus Zuluft- und Abluftventilator einer Anlage
- regelungstechnische Mindestausstattungen für Vollklimaanlagen mit Be- und Entfeuchtung
- eine bedarfsgerechte Luftvolumenstromregelung bei spezifischen Zuluftvolumenströmen>9 m<sup>3</sup>/(h m<sup>2</sup>), also ab einem ca. dreifachem stündlichen Luftwechsel
- den Einsatz von Wärmerückgewinnungssystemen der Klasse H3 nach DIN 13053
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz
Parallel zur EnEV wurde Anfang 2009 mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) eine weitere Rechtsvorschrift eingeführt, die zusätzliche Anforderungen an die Energieeffizienz von Neubauten stellt. Im Kern geht es im EEWärmeG um die Verpflichtung, den Wärmeenergiebedarf durch einen Anteil erneuerbarer Energien zu decken. Die zu erfüllenden Deckungsanteile ergeben sich je nach Art der gewählten erneuerbaren Energie.
Per Definition ist dem Wärmeenergiebedarf nach EEWärmeG auch der Energiebedarf für die Kühlung von Gebäuden hinzuzurechnen. Alle Maßnahmen zur Reduzierung des Kälteenergiebedarfs (z.B. freie Kühlung, Nutzung regenerativer Kältequellen, adiabate Kühlung) haben somit unmittelbaren Einfluss auf die Höhe des vorgeschriebenen Einsatzes erneuerbarer Energien.
Zu den erneuerbaren Energien zählt auch die der Außenluft entnommene Wärme, wenn sie durch Wärmepumpen auf ein nutzbares Temperaturniveau gebracht wird. Dies kann auf geräteintegrierte Luft/Luft-Wärmepumpen in RLT-Geräten zutreffen, wenn die Jahresarbeitszahl mindestens 3,5 oder in Verbindung mit der Trinkwassererwärmung mindestens 3,3 beträgt.
WRG als Ersatzmaßnahme
Anstelle erneuerbarer Energien können auch die Nutzung von Abwärme und Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplung (dezentral oder über Fernwärme) auf die Nutzungspflicht angerechnet werden. Dies wird die bevorzugte Wahl für viele Nichtwohngebäude, bei denen die geforderte Deckung durch biogene Brennstoffe, Geothermie oder Solarenergie technisch und / oder wirtschaftlich ausscheidet. Zur Abwärme im Sinne des EEWärmeG zählt auch die durch Wärmerückgewinnung in raumlufttechnischen Anlagen genutzte Wärme.
Voraussetzungen für deren Anrechenbarkeit sind
- eine Rückwärmzahl (Temperaturverhältnis) von mindestens 0,7 und
- eine Leistungsziffer von mindestens 10
Die Leistungsziffer ergibt sich aus der übertragenen Wärmeleistung zum elektrischen Leistungsbedarf der RLT-Anlage, der anteilig auf den Betrieb der Wärmerückgewinnungsanlage entfällt.
Kombinationen unterschiedlicher erneuerbarer Energien und Ersatzmaßnahmen sind zulässig. Ersatzweise kann das Gesetz auch erfüllt werden, wenn die Höchstwerte des Jahres-Primärenergiebedarfs und des Wärmeschutzniveaus nach der jeweils gültigen EnEV um 15 % unterschritten werden.
Energieeffizienz nachweisen
Für die Nachweise des Wärmeenergiebedarfs und der geforderten Deckungsanteile – auch in Kombination unterschiedlicher Maßnahmen – sind die durch die EnEV vorgegebenen Rechenverfahren grundsätzlich geeignet. Allerdings sind die verfügbaren Softwarelösungen derzeit nicht in der Lage, die Bedarfs- und Deckungsanteile auch adäquat auszuweisen.
Und es taucht ein weiteres Problem auf: Die EnEV-Rechenregeln sind für eine möglichst einfache, mit wenigen Eingabegrößen verbundene Bewertung der häufigsten Anlagentypen entwickelt worden. Speziell für raumlufttechnische Anlagen lassen die Verfahren aber auch eine Einzelbewertung von Standardanlagen per Handrechnung zu.
Denn häufig werden auf dem Markt innovative raumlufttechnische Lösungen als projektbezogene Unikate oder Kleinserien angeboten. Deren Effizienzvorteile lassen sich mit den standardisierten Kennwertverfahren oft nicht adäquat bewerten. Fehlt der rechnerische Nachweis, werden die beträchtlichen Vorteile nicht ausreichend honoriert – nicht durch den Bauherrn und nicht bezüglich der Erfüllung gesetzlicher Anforderungen.
Um den technischen Fortschritt nicht zu hemmen, haben die Verfasser der Berechnungsnormen (DIN V 18599) bewusst Öffnungsmöglichkeiten zugelassen: Neben den allgemeinen, kennwertbasierten Verfahren ist auch die detaillierte Berechnung auf Basis stündlicher Wetterdaten zulässig.
Auch kann eine deutlich größere Variationsbreite von Schaltungen oder Regelstrategien modelliert werden. Möglich sind zum Beispiel:
- Kombinationen von Umluftnutzung und Wärmerückgewinnung
- projektbezogene Regelstrategien zur freien Kühlung oder Nachtlüftung
- indirekte Verdunstungskühlung („adiabate Kühlung“)
- geräteintegrierte Wärmepumpen in Kombination mit Wärmerückgewinnern
- geräteintegrierte Kälteerzeuger mit Fortluft- oder Außenluft-Verflüssigern
- Nacherwärmung über Kondensationsabwärme bei der Luftentfeuchtung
Die Verwendung weltweiter Wetterdaten beim Einsatz der Berechnungsverfahren erlaubt eine unabhängige Standortbetrachtung2). Im Rahmen der Energieberatung, beispielsweise im Zusammenhang mit der Klimaanlageninspektion nach EnEV § 12, können die Einsparprognosen somit zielgerichteter sein.
Geräte-Auslegungsprogramme
Werden die Berechnungsalgorithmen in die Auslegungsprogramme der Gerätehersteller integriert, kann automatisch auf die detaillierten technischen Daten der gewählten Komponenten zurückgegriffen werden. Alternative Ausstattungen können bei der individuellen Gerätekonzeption energetisch bewertet werden. Mit einer detaillierten, normkonformen Energiebedarfs- und Wirtschaftlichkeitsberechnung, werden Planer bei der optimalen Systemfindung unterstützt. Auch bei speziellen Anwendungsfällen, beispielsweise für Verkaufsstätten oder OPs, kann zielgerichtet optimiert werden. Eine Dokumentation der Berechnung kann Nutzern die relevanten Informationen hinsichtlich Energieeffizienz und Lebenszykluskosten vermitteln.
Fazit
RLT-Anlagen beeinflussen die Energieeffizienz von Gebäuden stark, in hochtechnisierten Gebäuden sogar dominant. Doch: Je komplexer die Technik ist, desto schwieriger wird es, energetische Vorteile auch detailliert rechnerisch auszuweisen.
Die Effizienznachweise werden durch die verschärften gesetzlichen Anforderungen aber immer wichtiger. Für einfache Standardanlagen sind die genormten EnEV-Berechnungsverfahren, die vor allem für die Energieausweis-Erstellung entwickelt wurden, ausreichend. Bei komplexeren Anlagen oder besonders innovativen Sonderlösungen stoßen die kennwertbasierten Normverfahren an ihre Grenzen. Die Normen lassen alternativ aber auch detaillierte Berechnungen im Stundenschrittverfahren zu. Neben der größeren Detaillierung und Variantenvielfalt ergeben sich bei deren Anwendung weitere Vorteile, beispielsweise durch die freie Wahl der Klimadaten.
1) Bei der Referenzgebäudemethode wird der höchstzulässige Jahresprimärenergiebedarf individuell berechnet. Grundlage der Berechnung bildet ein Vergleichsgebäude gleicher Geometrie, Fläche, Ausrichtung und Nutzung mit einer durch die EnEV für alle Gewerke definierten Referenzausführung.
2) Die Energiebedarfsberechnung nach EnEV basiert grundsätzlich auf mittleren Klimadaten für Deutschland (Testreferenzjahr Würzburg) und ist für öffentlich-rechtliche Nachweise verpflichtend.
TrueBlue — Effizienznachweis inklusive
Auf Wunsch des Kunden ausgestellt, weist bei robatherm ein mehrseitiges Dokument die Energieeffizienz nach. Der RLT-Gerätehersteller aus Burgau bietet diese Dienstleistung seinen Kunden unter dem Begriff TrueBlue an. In anschaulichen Grafiken weist TrueBlue die Investitions-, Betriebs-, Wartungs- und Entsorgungskosten eines konkreten Projekts aus. Der normkonforme Effizienznachweis unterstützt den Kunden beim Antrag auf Fördermittel und erlaubt, Gerätekonzepte sowohl energetisch als auch wirtschaftlich auf neutraler Basis miteinander zu vergleichen. Der detaillierten Berechnung liegen die Algorithmen des Stundenschrittverfahrens zugrunde, das konkrete Betriebszeiten und detaillierte, standortspezifische Wetterdaten berücksichtigt.
Heiko Schiller
Dipl.-Ing., schiller engineering, Hamburg, https://schiller-engineering.com/