Kompakt informieren
- Durch ihre rechtliche Revisionshistorie stellen sich die Vertragsbedingungen der Berufshaftpflichtversicherung hinsichtlich Regressfragen aus der Überschreitung aus Kosten- und Voranschlägen als äußerst komplex dar.
- Ein grundsätzlicher Überblick ermöglicht jedoch eine erste Orientierung über die zentralen Streitfälle, die sich aus der Problematik von Einschluss- und Ausschlussklauseln für Ingenieure und Architekten ergeben.
In den (fakultativen) Musterausführungen der „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen“ (BBR, http://www.bit.ly/bbr-ing ) zur Berufshaftpflichtversicherung waren Ansprüche aufgrund von Schäden aus der Überschreitung von Kosten- und Voranschlägen lange Zeit generell nicht versichert. Aufgrund des harten Wettbewerbs haben einige Versicherer in Verträgen der neueren Generation die Überschreitung aus Vor- und Kostenanschlägen aber wieder eingeschlossen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Überschreitung von Kosten nun allumfänglich mitversichert ist. Ergebnis dieser Entwicklung ist allerdings ein Versicherungsdickicht, das durch mehrere Vertragsgenerationen infolge vielfältiger rechtlicher Korrekturen an den Vertragswerken entstanden ist.
Massen- und Kostenklauseln
Die Massen- und Kostenklausel hat in den Musterbedingungen BBR des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ursprünglich unter den Ausschlüssen Einzug gehalten. Mit den gewählten Formulierungen wollten die Versicherer Manipulationsgefahren entgegenwirken. Würde beispielsweise ein Bauträger aufgrund einer falschen Massen- und Kostenberechnung eine Ausschreibung gewinnen und anschließend den Planer in Regress nehmen, der nur 12 statt den tatsächlich gebauten 13 Geschossen berechnet hat, käme dies einer Quasifinanzierung gleich. Das unternehmerische Risiko könnte nämlich über diesen Umweg auf den Versicherer übertragen werden. Ähnliche wirtschaftliche Unterdeckungen wären für die Versicherungsunternehmen auch zu befürchten gewesen, wenn Planer aufgrund eines versicherten Umstands weniger sorgfältig an die Leistungsphase (Lph) 2 und 3 gingen.
In den BBR des Jahres 1964 waren darum Ansprüche aus der Überschreitung von Vor- und Kostenanschlägen ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof (BGH) untermauerte jene Klausel derart, indem er entschied, dass sie so auszulegen sei, dass alle drei Bereiche der Kostenermittlung vom Ausschluss betroffen seien.
Auf die BBR1977 und die auf ihnen fußenden, gesellschaftsabhängigen Bedingungen soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Erwähnt sei aber, dass ihre Formulierung Probleme bei der Interpretation der Ausschlussklausel verursachten. Der BGH erkannte nämlich, dass nicht nur Ansprüche aus fehlerhafter Kosten- und Massenermittlung, sondern auch Versicherungsschutz für Schäden aus allen Kategorien der Kostenermittlung ausgeschlossen seien – jedoch unter bestimmten Maßgaben der von den Versicherern beabsichtigte, allumfassende Ausschluss von Kostenüberschreitungen nicht greife. Aus diesem Grunde ist die Ausschlussklausel der BBR1996 wieder nahezu mit der aus den BBR1964 identisch. Entsprechend findet sie in vielen der heute existierenden Berufshaftpflichtverträge noch immer ihre Anwendung.
Kostenermittlung während der Planung
Die in den Bedingungswerken vorzufindenden Einschluss- und Ausschlussklauseln beziehen sich gemeinhin auf die drei Formen der Kostenermittlung, für die nach DIN 276 und beispielsweise nach § 33, 42, 46, 50 und 53 HOAI2009 eine Verpflichtung besteht. Die Lph 2i bildet bezüglich der Kostenschätzung die erste Stufe. Ihr wird in der Rechtsprechung in Haftungsfragen aufgrund ihres Charakters als grobe Einschätzung auf der Basis von Raummeterpreisen ein Toleranzrahmen von bis zu 30 % eingeräumt. Der Kostenberechnung unter Lph 3f wird in ihrem Zusammenwirken mit der Kostenkontrolle nach Lph 3g aus haftungstechnischer Sicht regelmäßig nur noch ein Toleranzrahmen bis 20 % zugebilligt. Dies wird damit begründet, dass es sich dabei schon um den Abgleich mit Erfahrungswerten zur Berechnung der annähernden Gesamtkosten handelt.
Noch strenger ist die Rechtsprechung für den Planer bei Ausführung der Lph 7i. In dieser Phase hat er im Rahmen der Mitwirkung an der Vergabe die Präzisierung in Form eines Kostenanschlags zu erstellen, der die tatsächlich zu erwartenden Kosten ermitteln soll. Aufgrund des dieser Stufe immanenten Charakters wird bei einer Prüfung auf Ersatzpflicht der zumutbaren Abweichung ein Wert von höchstens 10 % der tatsächlichen Kosten zugestanden. Grundsätzlich gilt: Im Falle des Vorliegens einer Massen- und Kostenausschlussklausel kann sich dieselbe nur auf diese drei Kostenermittlungsarten beziehen.
Wurzelt ein Verstoß in einer fehlerhaften Kostenkontrolle analog einer Leistung nach Lph 8 HOAI, d.h. einer als Bau- oder Konstruktionsüberwachung erbrachten Leistung, so wird diese nicht von dem Ausschuss erfasst, sofern der Verstoß nicht auf eine in einer vorangegangenen Leistungsphase vollzogene Kostenermittlung zurückzuführen ist. Daraus folgt, dass der Ingenieur/Architekt für gestellte Schadensersatzansprüche Versicherungsschutz genießt, die sich z.B. auf die fehlerhafte Rechnungskontrolle beziehen.
Für Ansprüche, die auf einer fehlerhaften Massenermittlung fußen, besteht grundsätzlich kein Versicherungsschutz. Dies ist unabhängig davon, ob ein Verschulden des Planers vorliegt oder nicht. Im Übrigen kommt es bei der Beurteilung von implizierten Schäden, die auf fehlerhafte Massenermittlung zurückzuführen sind, nicht mehr darauf an, wie verbindlich der Ingenieur/Architekt die Einhaltung der Massen oder Kosten zugesagt hat.
Sowieso- und Ohnehinkosten
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Ersatzpflichtbeurteilung. Für Ansprüche, die auf Zusagen oder Garantien des Versicherten zurückzuführen sind, kann grundsätzlich kein Haftpflichtversicherungsschutz gewährt werden. Der Erfüllungsanspruch und sogenannte Erfüllungssurrogate1) sind Gegenstand der unternehmerischen Leistung. Im Falle einer Schlechtleistung kann dieselbe nicht als unternehmerisches Risiko auf eine Versicherung übertragen werden.
In der überwiegenden Anzahl der gegen den Planer wegen Kostenüberschreitung angemeldeten Ansprüche – ohne das Vorliegen einer Bausummengarantie – liegt allerdings kein Schaden vor. Der Grund ist einfach: Die zustande gekommenen Kosten decken sich mit den Kosten, die auch bei ordnungsgemäßer Planung entstanden wären. Es handelt sich somit um sogenannte Sowieso- oder auch Ohnehinkosten. Eine Kostenüberschreitung aus diesem Grund ist für den Auftraggeber zwar ärgerlich, jedoch unterliegt er mit einer Klage regelmäßig, weil ihm in Wirklichkeit kein nachweislicher Schaden entstanden ist. Unabhängig davon sehen die Muster-BBR des GDV hierfür auch keinen Schutz in Form der Abwehrdeckung ungerechtfertigter Ansprüche vor.
Einige Versicherer sind zwar wieder dazu übergegangen, die Überschreitung aus Kosten- und Voranschlägen in die Policen einzuschließen – um aber der Manipulationsgefahr und einer Explosion der Baukosten bei ordnungsgemäßer Planung begegnen zu können, schließen die Versicherer weiterhin den Versicherungsschutz für Sowieso- und Ohnehinkosten aus. Von dieser Regelung unberührt besteht zudem kein Schutz für Ansprüche aus fehlerhafter Massenermittlung und aus Zusagen. In der Praxis ist es jedoch häufig schwierig, eine fehlerhafte Massen- oder Kostenermittlung von einer unwirtschaftlichen Planung zu unterscheiden.
Zur Veranschaulichung mögen folgende Beispiele herhalten: Berechnet ein Tragwerksplaner die Stahlmenge für eine Förderbrücke zu gering und wird darum von seinem Auftraggeber, der die betreffende Anlage nicht zum vereinbarten Festpreis an seinen Kunden liefern kann, in Regress genommen, besteht kein Versicherungsschutz. Legt der Tagwerksplaner jedoch eine DIN-Norm fehlerhaft aus und berechnet dadurch zu hohe Mengen, infolge derer er sich einen Anspruch wegen unwirtschaftlicher Planung gefallen lassen muss, so ist das Ergebnis zwar ebenfalls eine fehlerhafte Massenermittlung. Der Verstoß wurzelt aber in der Fehlauslegung der jeweiligen DIN-Norm, die sich in der Massenberechnung nach DIN fortsetzt, und ist damit im Sinne des Versicherungsschutzes abgedeckt.
Im letzteren Fall kommt es zwar häufig im ersten Anlauf zu einer Ablehnung der begehrten Deckung: Bei Darlegung des Sachverhaltes muss jedoch auf den ursprünglichen und versicherten Verstoß abgestellt werden. In seiner Argumentation kann sich der Versicherungsnehmer darauf stützen, dass dem Haftpflichtversicherer die Beweispflicht obliegt, falls er unterstellt, der Schadensersatzforderung läge eine fehlerhafte Massen- und folgende Kostenermittlung zugrunde. Im Regelfall wird der Versicherungsnehmer mit seiner Auffassung des Sachverhalts vor Gericht erfolgreich bestehen.
Kostengarantie als häufiger Streitfall
Ein weiteres Problemfeld sind die Interpretationsspielräume, die sich in Aufträgen durch nicht eindeutig formulierte Passagen ergeben. Beispielsweise finden sich in Architekten- oder Ingenieurverträgen, denen ein Auftrag der öffentlichen Hand oder einer Großbank zugrunde liegt, häufig Formulierungen zu Kostenrahmen, die von Versicherungen unterschiedlich beurteilt werden. Meistens sehen die Ausschreibungsstellen der Auftraggeber in einer Obergrenze der Kosten keine Kostengarantie des Planers, sondern sie möchten damit das an diese Grenze orientierte Handeln des Ingenieurs stärker gewichten.
Einige Versicherer folgen dieser Argumentation. Es gibt jedoch tatsächlich Anbieter, die sich von ihrer Einschätzung, dass hier grundsätzlich der Umstand einer Kostengarantie erfüllt ist, nicht abbringen lassen. Das zeigt, wie wichtig es ist, sich bei Zweifeln mit dem zuständigen Versicherer vor Vertragsschließung über den Entwurf des Ingenieur- bzw. Architektenvertrags ins Einvernehmen zu setzen. Denn immer wieder werden Kostengrenzen, die sinngemäß keiner Garantie gleichkommen sollen, als solche interpretiert und im Anschluss daran die Leistung für Schadenersatzansprüche versagt.
Ähnlich verhält es sich mit der Deckungserweiterung „Mitversicherung der Überschreitung von Terminen und Fristen“, die eigentlich grundsätzlich unter die Ausschlüsse fallen. Haben Termine und Fristen den Charakter einer Zusage oder Garantie des Ingenieurs/Architekten, so können diese Erfüllungssurrogate nicht auf die Versicherung übertragen werden. Schließen Versicherer die Überschreitung von Terminen und Fristen ein, so sollte geklärt sein, welche Fristen der Versicherer damit meint.
Klarheit über eigene Risiken gewinnen
Auch wenn aufgrund der Vielzahl von Bedingungswerken, die der jeweiligen Berufshaftpflichtversicherung eines Ingenieurs/Architekten zugrunde liegen können, sehr unterschiedliche Schadenansprüche resultieren können, zeigten die vorhergehenden Ausführungen dennoch schlaglichtartig, wo die zentralen Faktoren für Regressfragen liegen, die aus der Überschreitung von Kosten- und Voranschlägen resultieren. Besonders hinsichtlich der Kostenermittlung in den jeweiligen Leistungsphasen ist der Ingenieur/Architekt gut beraten, die Klauseln seiner Berufshaftpflicht genau zu kennen, um nicht bei typischen Risiken ohne Versicherungsschutz zu sein.
Wegen der vielen Auseinandersetzungen durch Interpretationsspielräume bezüglich einer Kostengarantie, die einen langwierigen Rechtsstreit nach sich ziehen können, sollte der Versicherungsnehmer durch eine genaue Prüfung der eigenen Vertragsunterlagen grundlegend zur Klärung der Regressrisiken beitragen. Gegebenenfalls ist es sinnvoll, Unsicherheiten zu beseitigen, indem der eigene Bedarf an Versicherungsschutz einer genaueren Analyse unterzogen wird und entsprechende Korrekturen vorgenommen werden.
Weitere Informationen zum Thema unter: https://www.ingenieurversicherung.de//content/reihe-haftung-versicherung •
1) Ein Erfüllungssurrogat ist eine Leistung an Erfüllungs statt, die ein Erlöschen des Schuldverhältnisses bewirkt. Bei der Erfüllung kommt es nicht auf die Leistungshandlung, sondern auf den Leistungserfolg an.
Mehr Infos zum Thema im TGAdossier Recht Tipps: Webcode 1027
Sascha Kopotsch
CREATiVA Finanzmakler GmbH, Geschäftsfeld Ingenieurversicherungen, Essen, info@ingenieurversicherung.de, https://www.ingenieurversicherung.de/