Kompakt informieren
- Die neuen Kühllastregeln wurden deutlich erweitert, sie beinhalten jetzt die Kopplung zwischen thermischer Berechnung, Betriebsweise, aktiven Anlagenkomponenten und Regelstrategien.
- Maschinelle und natürliche Lüftung sowie Flächenheizung und -kühlung sind jetzt integraler Bestandteil des Rechenverfahrens und müssen nicht mehr über Näherungsverfahren bestimmt werden.
- Die VDI-Richtlinie 2078 bietet auch ein Abschätzverfahren an. Es kann nicht für die detaillierte Planung verwendet werden, aber im frühen Planungsstadium hilfreich sein.
- Mit den Kühllastregeln können auch die Raumtemperatur und die operative Temperatur in Räumen ohne Klimatisierung berechnet werden.
Mit Ausgabedatum März 2012 ist der Entwurf der neuen VDI-Richtlinie 2078 [1] veröffentlicht worden. Er wird die bisherige Fassung von 1996 [2] ersetzen; die Einspruchsfrist endet am 31. August 2012. Die Richtlinie gilt für die Berechnung der Kühllast, der Raumlufttemperatur und der operativen Temperatur für Räume aller Art mit und ohne Klimatisierung unter Berücksichtigung aller relevanten, das thermische Raumverhalten beeinflussenden Parameter.
Im einleitenden Kapitel werden ausführlich die Gründe für die Überarbeitung bzw. Neukonzeption, die wesentlichen Neuerungen und die Begründung für ein Abschätzverfahren, das sich an der DIN V 18599-2 [3] anlehnt, dargelegt. Zu den Neuerungen gehören unter anderem
- die Berechnung der Raumlufttemperatur, der operativen (empfundenen) Temperatur sowie der Kühl- und Heizlast bei weitgehend freier Vorgabe der Randbedingungen,
- die Kopplung aktiver Anlagenkomponenten (Bauteilaktivierung, Flächenheizung und -kühlung) an das Gebäudemodell,
- die instationäre Abbildung von nicht adiabaten Innenwänden,
- die Berücksichtigung der Leistungsänderung von aktiven Anlagenkomponenten bei einer Raumtemperaturänderung,
- die Berücksichtigung von mechanischer und natürlicher (freier) Lüftung,
- die Berücksichtigung von Betriebsweise und Anlagenstrategie der Anlagenkomponenten,
- die Berücksichtigung eines zulässigen Schwankungsbereichs für die Raumtemperatur und
- die Differenzierung der ermittelten Kühllast nach Konvektions- und Strahlungsanteil.
Einleitend gibt ein grafischer Wegweiser anschaulich einen Überblick über die Kühllastregeln und die dazugehörigen Richtlinien (insbesondere VDI 6007 [4, 5, 6]). Der Neuentwurf von VDI 2078 [1] basiert auf dem „Raummodell“ in VDI 6007 Blatt 1 [4] und integriert die Algorithmen dieser Richtlinie und die von Blatt 2 (Fenstermodell) [5] und Blatt 3 (Modell der solaren Einstrahlung) [6]. Die Berechnung transparenter Bauteile basiert unter anderem auf einem berechneten Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert). Weiterhin sind in einer Tabelle Kennwerte (berechnet nach [5]) für die Kombination von Verglasung und Sonnenschutz für Standardfälle ausgewiesen.
Mit der Definition einer „Cooling Design Period (CDP)“ und eines „Cooling Design Days (CDD)“ ist eine Vereinheitlichung der Anlaufrechnung bei korrekter Berücksichtigung der Wärmespeicherung gegeben – auf die Berechnung eines eingeschwungenen Zustandes wird verzichtet.
Neben der detaillierten Begriffsdefinition (z.B.: Kühllast = sensible Kühllast, Angabe als negativer Wert) und den verwendeten Abkürzungen werden die meteorologischen Daten (Kühllastzonen und Testreferenzjahr) sowie das Gebäude und dessen Nutzung dargelegt und die Berechnungsgrundlagen dokumentiert.
Die Kapitel 9 und 10 enthalten Testbeispiele und grundlegende Aussagen für die Validierung von Kühllastsoftware. Anhang A beinhaltet Aussagen zur Definition von CDP und CDD, der Kühllast- und Raumtemperaturberechnung, Näherungsformeln für den Luftaustausch über Fenster und Hinweise für die rechentechnische Umsetzung der Algorithmen. Anhang B enthält Informationen zu meteorologischen Daten, Kennwerten zu transparenten Fassaden und zu Wärmequellen. Anhang C beschreibt Typräume, Testbeispiele und enthält zwei Beispiele einer Kühllastabschätzung im Vergleich zu den Ergebnissen nach den Berechnungsalgorithmen.
Abschätzverfahren
In einem gesonderten Kapitel des VDI-2078-Entwurfs wird ein Abschätzverfahren vorgestellt. Es basiert auf DIN V 18599 und wurde auf die in den neuen Kühllastregeln festgelegten Randbedingungen abgestimmt. Wesentliche Erläuterungen zu dem Verfahren sind [7] zu entnehmen. Es berücksichtigt
- die Speicherfähigkeit des Raumes,
- den zulässigen Schwankungsbereich der Soll-Raumtemperatur,
- die reale Betriebszeit,
- alle Quellen und Senken und
- die örtlichen Außenklimaparameter (Kühllastzone).
Aus der Sicht der Planung und auch der Lehre ist ein solches Abschätzverfahren trotz eingeschränkter Genauigkeit notwendig. Im frühen Planungsstudium (Leistungsphasen 1 und 2 der HOAI) liegen die für das „normale“ Verfahren erforderlichen Eingabedaten oft nur in einer unzureichenden Genauigkeit vor [8, 9]. Jedoch müssen zu diesem Zeitpunkt schon relevante Planungsaussagen getroffen (beispielsweise zum Platzbedarf, Energiebedarf, Kostenschätzung, Wirtschaftlichkeit) und auch Einflussgrößen auf die Anlagenplanung (vor allem bauliche Parameter und Nutzervorgaben) betrachtet werden (können).
Für die Lehre ist es zwingend notwendig, wesentliche Einflussgrößen – insbesondere das Außenklima, Forderungen an das Innenklima, bauliche Randbedingungen (Speicherfunktion der Bauwerksmasse, Gestaltung opaker und transparenter Bauteile) und die Nutzungsbedingungen – auf die Kühllast und die Heizlast nachvollziehbar darzustellen. Ein Abschätzungsverfahren ermöglicht es, Erfahrungen über die Größenordnungen der Ergebnisse zu gewinnen, auch um mit Berechnungsprogrammen ermittelte Ergebnisse auf ihre Plausibilität überprüfen zu können.
Die Bezeichnung Abschätzverfahren ist richtig gewählt. Es berücksichtigt die wesentlichen Einflussgrößen und spiegelt bekannte einfache Berechnungsalgorithmen wider. Obwohl das Abschätzverfahren auch dynamische Komponenten berücksichtigt, muss für die Planung grundsätzlich das genaue Verfahren angewendet werden. Der Unterschied zwischen den beiden Verfahren kann erheblich sein – das Abschätzverfahren liefert nur Orientierungswerte, wenngleich bei thermisch schweren Gebäuden „mangels Dynamik“ die Abweichung marginal sein kann. Abb. 2 zeigt nach [4] die Streubreite der überschlägig ermittelten Kühllast einer variierten Gebäudezone im Vergleich zu Ergebnissen einer Gebäudesimulation (nicht identisch mit dem aktuellen Entwurf von VDI 2087).
Zusammenfassung
- Der Entwurf der VDI 2078 enthält ein Berechnungsverfahren, das sowohl den Anforderungen an die Validierung nach europäischen Richtlinien gerecht wird als auch die Berechnung des instationären Verhaltens von Räumen und Gebäuden nach aktuellen Modellen widerspiegelt.
- Das Verfahren
- definiert die Berechnungsmethode für einen Auslegungstag und eine Auslegungsmethode zur Ermittlung der Heiz- und Kühllast bei Vorgabe von Randbedingungen sowie der sich einstellenden Raumlufttemperatur und der operativen Temperatur,
- berücksichtigt das Außenklima (Testreferenzjahr) und bietet die Möglichkeit einer Anpassung der Wetterdaten und
- berücksichtigt aktive Anlagenkomponenten, wie Bauteilaktivierung, Flächenkühlung und -heizung und deren Leistungsänderung.
- Das Abschätzverfahren bietet die Möglichkeit, den Einfluss wesentlicher Parameter auf die Kühllast in der Vorplanung abzuschätzen und in der Lehre die Wirkung auf das Endergebnis zu vermitteln. •
Mehr Infos zum Thema in den TGAdossiers Regelwerk und Regelwerk-Update: Webcode 723 bzw. 728 eingeben
Literatur
[1] VDI 2078 (Entwurf): Berechnung von Kühllast und Raumtemperaturen von Räumen und Gebäuden (VDI-Kühllastregeln). Berlin: Beuth Verlag, März 2012
[2] VDI 2078 VDI-Kühllastregeln. Berlin: Beuth Verlag, Juli 1996
[3] DIN V 18599 Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung – Teil 2 Nutzenergiebedarf für Heizen und Kühlen von Gebäudezonen. Berlin: Beuth Verlag, Februar 2007
[4] VDI 6007 Blatt 1 Berechnung des instationären thermischen Verhaltens von Räumen und Gebäuden – Rechenkern für das Raummodell. Berlin: Beuth Verlag, März 2012
[5] VDI 6007 Blatt 2 Berechnung des instationären thermischen Verhaltens von Räumen und Gebäuden – Fenstermodell. Berlin: Beuth Verlag, März 2012
[6] VDI 6007 Blatt 3 Berechnung des instationären thermischen Verhaltens von Räumen und Gebäuden – Modell der solaren Einstrahlung. Berlin: Beuth Verlag, April 2012
[7] David, R. u.a: Heizen, Kühlen, Belüften & Beleuchten – Bilanzierungsgrundlagen nach DIN V 18599. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 2006
[8] Trogisch, A.: Planungshilfen Lüftungstechnik. Berlin, Offenbach: VDE-Verlag GmbH, 4. Auflage, 2011
[9] Trogisch, A.; Dose, St.; Käppler, A.: Planungs- und Qualitätsmanagement von RLT-Anlagen. Berlin, Offenbach: VDE-Verlag GmbH, 2010
Prof. Dr.-Ing. Achim Trogisch
Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH), Fakultät Maschinenbau / Verfahrenstechnik, Lehrgebiet TGA. Telefon (03 51) 4 62 27 89, trogisch@mw.htw-dresden.de, https://www.htw-dresden.de/