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- Durch die VR-Brille betrachtet, können Ausführung, Montage und Wartung bei BIM-Projekten auf mögliche Probleme überprüft werden. Das kann zur Nachjustierung oder auch zur Platzoptimierung genutzt werden.
- Neben der Virtual Reality (VR) wird die Augmented Reality (AR) im TGA-Bereich immer häufiger für die Vorab-Anzeige der Leitungsführung in einem Rohbau oder die interaktive Visualisierung und Konfiguration von TGA-Produkten in einem realen Umfeld eingesetzt.
- Die Mixed Reality (MR), die zusätzlich eine Interaktion mit digitalen Objekten und anderen Nutzern erlaubt, vereinfacht beispielsweise Baustellenbesprechungen von unterschiedlichen Standorten aus.
- Ein derzeit noch umständlicher Abgleich von CAD- und Visualisierungsdaten, das notwendige Know-how sowie die verbreitete 2D-Planung stehen einer breiteren Nutzung von VR, AR oder MR in der TGA-Planung allerdings noch entgegen.
Glaubt man der Werbung diverser Anbieter, wie Autodesk, Daqri, Microsoft oder Trimble, wird der Datenhelm über kurz oder lang den Schutzhelm auf Baustellen ablösen. In einigen Planungsbüros werden immersive Visualisierungsverfahren für die Planung und Projektpräsentation schon jetzt genutzt (vgl. z. B.: Planungsgruppe M+M www.pgmm.com).
Im Kontext der BIM-Planungsmethode kommen Datenhelme oder VR-Brillen auch für die Kollisionskontrolle, den Abgleich von Soll- und Ist-Daten oder für virtuelle Baustellenbesprechungen zum Einsatz. Mit VR-Brillen lassen sich Räume und Gebäude interaktiv begehen, Bauteile von allen Seiten betrachten oder Details heranzoomen, sodass Planer und Bauherren ein besseres Gefühl, respektive Verständnis für die Planung bekommen.
Entwürfe und Konstruktionen lassen sich optimieren, die Ausführung, Montage und spätere Wartung im Vorfeld auf mögliche Probleme überprüfen. Bauherren können Räume und Gebäude „real“ erleben, fast so als stünden sie mittendrin. Damit lassen sich Missverständnisse vermeiden und Entscheidungsprozesse beschleunigen.
Doch hat die neue Technik tatsächlich das Potenzial, die konventionelle Planung und Präsentation zu verändern – oder ist es nur ein momentaner Hype?
Mobile Technik macht VR populär
Basis der Virtual Reality (VR) ist eine computergenerierte, in erster Linie visuell, mit entsprechender Hardware aber auch akustisch oder haptisch wahrnehmbare künstliche Umgebung, in die Benutzer eintauchen und mit ihr interagieren können. Dieses Gefühl, mitten im Geschehen zu stehen, eine virtuelle Umwelt als scheinbare Realität wahrzunehmen, ermöglichen immersive Visualisierungsverfahren. Dabei wird entsprechend der vom Betrachter eingenommenen Position und Blickrichtung das Gesehene vom System in der passenden Perspektive entweder im Voraus oder in Echtzeit parallel berechnet und angezeigt.
Echtzeit-Systeme registrieren kontinuierlich, wohin der Betrachter schaut und wohin er sich bewegt. Alle erfassten Daten werden von der Software berücksichtigt und die dazu passenden stereoskopischen Bilder kontinuierlich berechnet. Kann der Nutzer zudem mit der künstlichen Umgebung, etwa über einen Datenhandschuh, interagieren und beispielsweise eine Tür öffnen, erhält er den Eindruck, Teil einer virtuellen Welt zu sein.
Bis vor wenigen Jahren konnte man nur mit teuren 3D-Bildschirmen, Datenprojektoren, Datenhelmen (Head-Mounted Displays) oder sogenannten CAVE-Projektionssystemen in virtuelle Welten abtauchen (siehe TGA-Fachplaner 12/2012: Sehen, was noch gar nicht existiert, Webcode 386110). Mittlerweile haben Smartphones und preiswerte mobile VR-Brillen virtuelle Realitäten erschwinglich gemacht.
Als Display nutzen sie ein Android- oder iOS-Smartphone, das in die VR-Brille eingeschoben oder eingelegt wird. Zwei in der VR-Brille integrierte Linsen vergrößern das Bild und verbreitern das Sehfeld. Eine VR-App sorgt für die stereoskopische Anzeige von 360°-Panoramen, im Smartphone integrierte Lagesensoren synchronisieren die Bildanzeige mit den Kopfbewegungen des Anwenders. Das Google Cardboard, die Samsung Gear VR oder die Zeiss VR One gehören zu den bekanntesten Vertretern mobiler VR-Brillen, die in der einfachsten Form als Karton-Bausatz bereits ab 5 Euro erhältlich sind.
„Echte“ VR-Brillen, wie etwa die HTC Vive oder die Oculus Rift, kosten mit 500 bis 800 Euro erheblich mehr. Sie haben ein eigenes Display und Sensoren, die auch Standortänderungen des Benutzers erfassen. Sie müssen allerdings per Datenkabel an einen Hochleistungs-Rechner angeschlossen werden, der räumliche Bilder in höherer, fotorealistischer Qualität in Echtzeit berechnet. Je nach Modell, unterscheiden sich VR-Brillen in der Displayauflösung, dem Sichtfeld, der Bild- und Tonqualität, der Tracking-Funktion, dem benötigten Zubehör und im Preis.
Möglichkeiten der VR-Technik
Neben der Chance, Bauherren und Investoren „mitzunehmen“, das Projektverständnis zu steigern, Begeisterung zu wecken und dadurch Entscheidungsprozesse zu beschleunigen, bietet die Vorwegnahme des Gebauten weitere Vorteile. So kann die Vermeidung von Missverständnissen und Fehlern viel Geld sparen. Auch wenn man ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen hat – die gebaute Realität hat schon so manchen Bauherren (manchmal aber auch den Planer selbst) überrascht.
Kann man sich Gebäude und Räume anhand von Planzeichnungen nicht oder nur unzureichend räumlich vorstellen, sind Missverständnisse und Enttäuschungen vorprogrammiert. Spätere Änderungen verursachen Mehraufwand, kosten Zeit und Geld. Virtuelle Objektbegehungen versprechen Abhilfe: Steht man unmittelbar im Gebäude oder Raum, fallen Fehler und Unzulänglichkeiten eher als auf dem Plan auf.
Denn alle Objekte sind zum Greifen nah und können – bei entsprechender Programmierung – sogar in ihrer Funktion überprüft werden (z. B. das Öffnen und Schließen von Bauteilen etc.). Sogar Funktionsabfolgen, etwa in einem behindertengerechten Bad, können unmittelbar am VR-Modell simuliert, „ausprobiert“ und optimiert werden. Die Wahrnehmung virtueller Objekte ist dabei so unmittelbar, dass beispielsweise Stolperfallen oder zu geringe Kopfhöhen sogar körperlich „spürbar“ werden: man hebt automatisch den Fuß oder zieht den Kopf ein, obwohl die Objekte nicht real sind.
Neben Fragen zur Geometrie, Funktion und Ergonomie können auch bau- oder montagetechnische Aspekte überprüft werden: Kommen alle, auch die größten Bauteile an den Montageort oder muss man sie teilen? Reicht der Platz, um das letzte Element noch montieren und die Anlage später warten zu können? Diese und weitere wichtige Aspekte lassen sich schon im Vorfeld zuverlässig klären.
Wie läuft eine VR-Präsentation ab?
Ohne 3D-Geometriedaten keine VR. Grundlage jeder VR-Präsentation ist ein konsistentes 3D-CAD-Modell, inklusive Farb- und Textur-, Oberflächen- und Lichtdefinition. Erstellt wird es mit Architektur- oder TGA-CAD-Programmen, teilweise auch mit Modellier-Software wie SketchUp, 3D Studio oder Cinema 4D, die über die webfähigen VR-Exportformate VRML, WebVR oder X3D verfügen. Unterschieden werden zwei Arten von VR-Präsentationen:
360°-Kugelpanoramen werden im Voraus berechnet und ermöglichen dem Anwender einer mobilen VR-Brille per Kopfdrehung die räumliche Betrachtung von Objekten in einem Raum und das Heranzoomen von Details. Werden mehrere 360°-Panoramen verknüpft, lassen sich auch komplette Etagen und Gebäude interaktiv erkunden. Die Panoramen können auf einem USB-Stick gespeichert oder per Web-Link heruntergeladen werden, sodass der Bauherr zuhause die Präsentation öffnen und auf einem Tablet-PC oder Smartphone anschauen kann. Schaltet er auf dem Smartphone in den VR-Modus, kann er das Objekt mit einer preiswerten VR-Brille im virtuellen Raum betrachten.
„Echte“ VR-Präsentationen werden dagegen in Echtzeit von leistungsfähigen PCs berechnet und auf „echten“ VR-Brillen (siehe oben) angezeigt. Die Echtzeit-Berechnung ermöglicht eine völlig freie Bewegung im Raum sowie Interaktionen – etwa das Öffnen von Wartungsklappen, das Ändern von Materialien oder das Konfigurieren von Bauteilen. Das setzt allerdings eine entsprechende Programmierung und eine leistungsfähige Hardware-Ausstattung voraus. Die Kosten für eine VR-Hardware liegen bei 5000 bis 20 000 Euro und mehr. Die Kosten für VR-Dienstleistungen sind von der Objektgröße und -komplexität, von eventuell gewünschten Interaktionen, der Qualität der 3D-Daten und dem Aufbereitungsaufwand abhängig. Einfache VR-Präsentationen für einen Raum erhält man schon ab 1000 Euro, für ein Raumensemble oder Gebäude ab 5000 Euro.
Welche Möglichkeiten bieten AR und MR?
Noch ist die Anzahl der Planungsbüros, die VR-Techniken einsetzen, überschaubar. Das wird sich mit der zunehmenden Verbreitung der BIM-Planungsmethode jedoch ändern. Dann reduziert sich der Aufwand für VR-Präsentationen, weil 3D-Gebäude- und Raumdaten inklusive Materialdefinition ohnehin generiert werden. In der Sanitärbranche sind VR-Techniken in Form von VR-Showrooms schon seit vielen Jahren als Marketing- und Akquise-Instrument etabliert. Per VR-Brille lassen sich Sanitärprodukte vor dem Kauf im individuellen Umfeld begutachten, Möbel in Echtzeit konfigurieren, verschiedene Boden- oder Wandbeläge ausprobieren, Einrichtungen in unterschiedlicher Ausstattung vergleichen und anderes mehr.
Auch Produkthersteller und Dienstleister haben immersive Präsentationsmethoden für sich entdeckt – in den letzten Jahren zunehmend in Form von Augmented-Reality(AR)-Anwendungen. Bei dieser Technik kommen spezielle, transparente AR-Brillen zum Einsatz, über die in das Realbild der Umgebung zusätzliche digitale Informationen projiziert werden. Einfacher und preiswerter sind Smartphones oder Tablets, die in das von der integrierten Kamera aufgenommene Umfeld Informationen oder passgenau virtuelle Objekte einfügen.
Auf diese Weise kann man beispielsweise dem in seiner Wohnung stehenden Kunden ein neues Sanitärobjekt oder gleich den kompletten Badezimmer-Umbau auf dem Display einblenden. So erhält er vorab einen realistischen Eindruck in seiner individuellen Umgebung und kann Positionen, Größen, Farben oder Materialien gestalten.
Im Gebäudebestand lässt sich beispielsweise die Lüftungstechnik hinter der abgehängten Decke visualisieren. Auch die Wartung gebäudetechnischer Anlagen kann mit im Display kontextbezogen eingeblendeten Wartungshinweisen vereinfacht und beschleunigt werden.
Einen Schritt weiter geht die Mixed Reality (MR), die einige Anbieter als „erweiterte Augmented Reality“ definieren. Diese Technik erkennt zusätzlich die jeweilige Umgebung und ermöglicht eine Interaktion mit den eingeblendeten digitalen Inhalten sowie zwischen mehreren Teilnehmern einer MR-Präsentation. Eingesetzt werden MR-Techniken vor allem bei großen Projekten, um sich etwa an einem virtuellen Modell unter Projektbeteiligten, die sie sich an unterschiedlichen Standorten befinden, abzustimmen. Das kann Planungs- und Koordinierungsprozesse beschleunigen und die globale Kommunikation mit Projektbeteiligten vereinfachen.
Wann lohnt sich der Aufwand?
Auch für ein Wohnhaus-Projekt kann eine VR-Präsentation sinnvoll sein. Werden dabei Missverständnisse oder Fehler im Vorfeld ausgeräumt und so teure Korrekturen am realen Objekt vermieden, amortisiert sich das VR-Equipment bereits nach wenigen Einsätzen.
Dass die VR-/AR-/MR-Nutzung bei anspruchsvollen Projekten oder öffentlichen Bauvorhaben im Zusammenhang mit BIM zum Standard wird, ist abzusehen. Allerdings müssen vorher noch Schwächen ausgeräumt werden. Dazu gehört beispielsweise, dass während VR-Präsentationen besprochene Änderungen nicht automatisch in die CAD-Software einfließen. Die CAD-Konstruktion muss erst manuell geändert und das komplette Projekt erneut exportiert werden, bevor man die Änderungen erneut durch die VR-Brille betrachten kann. Das ist bei mehrfachen Änderungen und komplexen Projekten umständlich.
Außerdem sollte man stets beachten, dass VR-Brillen zwar mehr oder weniger perfekte 3D-Illusionen ermöglichen – Farben, Materialien oder Lichtverhältnisse lassen sich dennoch nicht 100%ig realitätsgetreu wiedergeben.
Außerdem isolieren VR-Brillen den Benutzer von der realen Außenwelt. Stimmen deren Aktivitäten mit den Sinneseindrücken in der Simulation nicht überein – etwa wenn die projizierten Bilder den Kopfbewegungen hinterherlaufen, was bei einfachen VR-Brillen oder zu wenig Rechenleistung vorkommt – kann das beim Betrachter Schwindel und Übelkeit hervorrufen. Schlechte Bildqualitäten mindern den VR-Effekt, niedrige Bildwiederholfrequenzen ermüden das Auge und können Kopfschmerzen verursachen. Deshalb sollten Präsentationen alternativ auch auf dem Tablet oder PC-Monitor betrachtet werden können.
VR, AR und MR stehen erst am Anfang
Virtuelle Techniken erweitern die Möglichkeiten planerischer Leistungen und machen sie attraktiver vermittelbar. Bis auf Weiteres werden sie eher der Präsentation und Planungskontrolle dienen, denn der eigentliche Entwurfs-, Planungs- und Konstruktionsprozess findet vorher statt: im Kopf, auf dem Skizzenpapier oder am CAD-Arbeitsplatz des Planers.
Ein echtes, interaktives Planen im Team am VR-Modell, wie etwa in der Automobilindustrie, ist (noch) die Ausnahme – auch wegen des Mangels an 3D-Projektdaten, des technischen Aufwands und des notwendigen Know-hows. Zudem ist der Workflow von CAD zur VR und zurück noch holprig. Dennoch ist abzusehen, dass sich VR-, AR- und MR-Techniken parallel mit der Verbreitung der BIM-Planungsmethode entwickeln und mit ihr etablieren werden. Marian Behaneck
Weitere Infos und Anbieter (Auswahl)
www.bloculus.de Virtual Reality-Blog
www.daqri.com AR-Technikanbieter
www.formitas.de VR/AR-Anwendungen im Bauwesen
www.iao.fraunhofer.de Fraunhofer IAO (VR-Forschung)
www.imsys-vr.com Immersive Präsentationstechnik
www.inreal-tech.com VR im Bau- und Immobilienbereich
mep.trimble.ch/mixed-reality Mixed Reality im Baubereich
www.microsoft.com/en-us/hololens Microsoft Hololens
www.shapetrace.co VR/AR/MR-Kollisionskontrolle
www.studio216.com VR/MR-Dienstleister
www.virtual-reality-magazin.de VR-Magazin, Suche: Bauwesen etc.
www.vrbrillen.net VR-Brillen-Vergleich
vrodo.de Magazin für Mixed Reality
www.vrvis.at Zentrum für VR und Visualisierung
www.wikipedia.de Suche: Virtual Reality, Mixed Reality
www.youtube.com Suche: Daqri, Trimble Hololens etc.