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- Das Prinzip der grabenlosen Sanierung von Abwasserkanälen steht inzwischen auch für horizontale und vertikale Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden inklusive DIBt-Zulassung zur Verfügung.
- Eine punktuelle Reparatur mit Leitungsfreilegung und die komplette Neuverlegung der Abwasserleitungen können damit umgangen werden.
- In Skandinavien existiert bereits ein Markt für die proaktive Sanierung von Entwässerungsnetzen zur Verlängerung der Nutzungsdauer.
- Die aktuelle Marktsituation in Deutschland hat starke Parallelen zu der Situation in Skandinavien vor etwa zehn Jahren. Schlüsselfaktoren für die Marktentwicklung sind übertragbar.
Der Zustand der Gebäudeentwässerung in Deutschland ist – anders als der Zustand der öffentlichen Kanalisation und auch in Teilen der Grundstücksentwässerung – weniger bekannt und statistisch nicht erfasst. Dies betrifft u. a. die Gesamtlänge aller Leitungen, die Materialverteilung, den baulichen Zustand sowie Schadensbilder und -häufigkeiten.
Eine der wenigen, aber belastbaren Kenngrößen ist die Gesamtanzahl an Gebäuden in Deutschland. In Deutschland gibt es laut amtlicher Statistik etwa 47,5 Mio. Gebäude auf 20,5 Mio. Grundstücken. Die meisten Gebäude stehen demnach in Nordrhein-Westfalen (8,7 Mio.) und in Bayern (8,1 Mio.). Kleine Gebäudebestände finden sich in den Stadtstaaten Berlin (0,6 Mio.), Hamburg (0,3 Mio.) und Bremen (0,2 Mio.). Die Statistik wurde im Jahr 2010 von GEObasis.nrw zentral für ganz Deutschland geführt und veröffentlicht [1].
Geht man davon aus, dass jedes Gebäude auch über eine Entwässerung verfügt, ist somit zumindest der Gesamtmarkt an Gebäuden für die Sanierung der Gebäudeentwässerung bekannt: 47,5 Mio. Gebäude.
Zahlen zur Gebäudeentwässerung
Was die Gesamtlänge aller Abwasserleitungen im Gebäude angeht, sind belastbare Zahlen für Deutschland nicht bekannt. Erfahrungswerte zeigen jedoch, dass die Leitungen im Gebäude mindestens dreimal länger als die erdverlegten Grund- und Anschlussleitungen auf Grundstücken sind. Dies würde bedeuten, dass in Deutschland mindestens 3 Mio. km Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden verlegt sind.
In Fachkreisen wird sogar von einer viel höheren Gesamtlänge ausgegangen, sodass mit über 20 Mio. km Leitungslänge für sämtliche Schmutz- und Regenwasserohre in der Gebäudeentwässerung zu rechnen ist. Viele dieser Leitungsnetze starten mit einer Nennweite ab DN 50 (teilweise auch DN 40) und münden in Fallleitungen, die sehr häufig im Bereich von Ein- und Mehrfamilienhäusern in DN 100 bis DN 150 verlegt sind. Zudem sind in der Gebäudeentwässerung häufig Bögen bis zu 90° und Dimensionswechsel vorzufinden.
Bis in die 1970er-Jahre wurden für die Gebäudeentwässerung sehr häufig Guss- und teilweise auch Stahlrohre verwendet (u. a. Grauguss). Seitdem und heute überwiegend werden Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden mit HT-Rohren aus Kunststoffen und in einigen Bereichen, wie Parkhäusern oder in Bürokomplexen, auch aus Guss verlegt. In den 1960er- und 1970er- sowie teilweise in den 1980er-Jahren wurden zudem Rohre aus asbesthaltigem und asbestfreiem Faserzement in der Gebäudeentwässerung eingesetzt.
Über den baulichen Zustand, Schäden und Schadensquoten ist wenig bekannt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass beim Bau der Gebäudeentwässerung deutlich mehr Wert auf die Qualität der Bauausführung als bei erdverlegten Grund- und Anschlussleitungen gelegt wurde. Schließlich werden Schäden im Gebäude in Form von Undichtigkeiten, Feuchtigkeit, Schimmel und Geruchsbelästigung grundsätzlich sehr schnell erkannt, wohingegen Schäden im erdverlegten Bereich über Jahre und teilweise Jahrzehnte unentdeckt bleiben.
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sich die Schadensursachen in der Gebäudeentwässerung auch überwiegend auf Alterungs- und Abnutzungsprozesse beschränken, zumal im Gegensatz zum erdverlegten Bereich in der Regel keine Erd-, Verkehrs- und Grundwasserlasten auftreten.
Aus dem Handwerk ist zu vernehmen, dass sich die bekannten Schadensbilder bei älteren Rohren aus Guss oder Stahl insbesondere auf Korrosion, Risse, Inkrustationen und zum Teil undichte Rohrverbindungen konzentrieren. Über Kunststoffrohre der ersten Generation, die etwa seit Ende der 1960er-Jahre eingesetzt wurden, wird berichtet, dass diese teilweise spröde sind. Von Faserzementleitungen ist bekannt, dass diese heute häufig Schäden in Form von Undichtigkeiten, z. B. durch Risse und schadhafte Rohrverbindungen, aufweisen. Zudem sind einige Fälle bekannt, in denen bei neuverlegten Abwasserrohren innerhalb von Gebäuden nach kurzer Betriebszeit Mängel festgestellt wurden (schadhafte Dichtungen).
Grundsätzlich sind nach derzeitigem Kenntnisstand belastbare Aussagen über Schadensquoten und -verteilung unterteilt nach Baujahren und Materialien aufgrund fehlender Statistiken kaum möglich. In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass in vielen Abwasserleitungsnetzen eine übliche Betriebsdauer von mehr als 50 Jahren heute (weit) überschritten ist Abb. 3.
Traditionelle und grabenlose Sanierung
Die Gebäudeentwässerung wird in Deutschland fachlich und technisch in der Regel von TGA-Planern, Architekten, Hochbau-Ingenieuren und dem Sanitärhandwerk betreut. Dies betrifft auch die Sanierung von schadhaften Rohren und Leitungsnetzen. Die Sanierung erfolgt derzeit in den allermeisten Fällen in traditioneller (offener) Bauweise – die schadhaften Rohre werden durch neue Rohre ersetzt. Diese Arbeiten sind häufig sehr aufwendig und gehen in vielen Fällen mit Stemm- und Aufbrucharbeiten einher. Die größten Nachteile bei der traditionellen Bauweise Abb. 4 zur Sanierung der Gebäudeentwässerung sind:
- der Aufwand ist meistens sehr hoch
- die Gesamtbauzeit beträgt teilweise mehrere Wochen
- hohe Kosten
- Staubbelästigung während und nach den Arbeiten
- Lärmbelästigung während der Arbeiten
- erhebliche Einschränkung der Wohnqualität während der Arbeiten
- Mietausfälle
Damit stellt sich die Frage nach Alternativen zur traditionellen Bauweise. Die Möglichkeiten zur grabenlosen Sanierung von Entwässerungssystemen innerhalb von Gebäuden sind TGA-Planern, Architekten, Hochbau-Ingenieuren und dem Sanitärhandwerk wenig bekannt und von Letztgenannten teils auch kaum anerkannt.
Hingegen sind die technischen Lösungen zur grabenlosen Sanierung von Entwässerungssystemen in den Fachbereichen Tiefbau, Rohrreinigung und Kanalsanierung seit über 20 Jahren bestens bekannt und etabliert. Die genannten Fachbereiche konzentrieren sich in Deutschland allerdings bisher auf die Sanierung der öffentlichen Kanalisation und der Grundstücksentwässerung (erdverlegte Grund- und Anschlussleitungen) und weniger auf die Gebäudeentwässerung.
Brawoliner und Spray-Liner
Auch für die Sanierung von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden ohne Stemm- und Aufbrucharbeiten stehen bereits seit vielen Jahren Alternativen zur traditionellen Bauweise zur Verfügung. Dies sind Schlauchlining-Verfahren und Sprühverfahren, die vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) speziell für den Anwendungsfall Sanierung der Gebäudeentwässerung zugelassen sind. Zwei dieser bauaufsichtlich zugelassenen Verfahren sind Brawoliner HT und Spray-Liner Abb. 2 Abb. 5 Abb. 6.
Das Sanierungssystem Brawoliner HT wurde für die Sanierung von Haus- und Industrieleitungen innerhalb von Gebäuden im Nennweitenbereich DN 50 bis DN 250 entwickelt. Die Sanierungslösung ist für alle Rohrmaterialien geeignet und über 50 Jahre haltbar. Bei der Sanierung wird ein nahtloser Textilschlauch mit einer nahtlosen Folienbeschichtung mit Epoxidharz getränkt und anschließend mittels Luftdruck in das defekte Rohr eingebracht (eingestülpt). Nach der Aushärtung des Harzes ist ein komplett neues Rohr im Altrohr entstanden.
Alle bestehenden und potenziellen Schäden werden dabei beseitigt. Eine Schlingenkonstruktion macht den Textilschlauch extrem flexibel und ermöglicht den Einsatz bei Rohren mit Bögen bis zu 90° und bis zu zwei Dimensionsänderungen (Brawoliner HAT 3D). Das Brawoliner-HT-Verfahren hat seit 2013 eine DIBt-Zulassung für die Sanierung von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden, bietet eine Wärmeformbeständigkeit von über 93 °C und erreicht die Baustoffklasse B2 (Brandschutz).
Ebenfalls speziell für die Sanierung von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden wurde das Spray-Liner-Verfahren entwickelt. Die Basis ist ein geruchsarmes 2K-Epoxidharz, das von innen auf fehlerhafte Rohrabschnitte gesprüht wird und eine formschlüssige Verbindung mit dem Rohrmaterial eingeht. Die Technik ist für Innenrohrdurchmesser ab 34 mm ausgelegt. Für die Sanierung werden vorhandene Zugangspunkte, beispielsweise Sanitäranschlüsse, genutzt.
Das Spray-Liner-Verfahren ist für Rohre aus allen gängigen Werkstoffen geeignet. Typische Schadensbilder, wie mechanischer Verschleiß, Korrosion, kleine Radial- und Längsrisse sowie Undichtigkeiten an Verbindungsstellen werden damit saniert. Beim Sanierungsvorgang wird ein Sprühkopf in die Abwasserleitung eingeführt, wo er durch eine Rotationsbewegung flüssiges Epoxidharz an die Rohrinnenwand schleudert. Durch eine mitgeführte Kamera wird der Auskleidungsvorgang kontrolliert. Das Spray-Liner-Verfahren verfügt seit 2016 über eine DIBt-Zulassung für den Einsatz in der Gebäudeentwässerung.
Von Skandinavien lernen
Die aktuelle Situation in Deutschland hat starke Parallelen zu der Situation in Skandinavien vor etwa zehn Jahren: Die Sanierung von Entwässerungsleitungen findet zumeist erst nach dem Schadenseintritt statt. Die Schäden werden in der Regel dann auch nur lokal behoben, anstatt die Leitungsnetze proaktiv komplett zu sanieren.
Der Gebäudebestand wird älter und älter und die Entwässerungssysteme wurden über Jahre und Jahrzehnte kaum beachtet. Immer häufiger treten Schäden auf und der Sanierungsbedarf wächst jeden Tag. Die Möglichkeiten bzw. Alternativen zur ganzheitlichen Abwasserrohrsanierung ohne Stemm- und Aufbrucharbeiten innerhalb von Gebäuden sind bei Immobilienbesitzern, Wohnungsgesellschaften, TGA-Planern, Architekten und Hochbau-Ingenieuren jedoch kaum bekannt. Zudem ist das Sanitär-Fachhandwerk an den neuen Lösungen nur beschränkt interessiert.
Ähnlich war die Situation auch in Skandinavien zu Beginn der 2000er-Jahre. Mit Einführung der ersten Verfahren zur Sanierung von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden ohne Stemm- und Aufbrucharbeiten entwickelte sich der Markt in Skandinavien dann rasant. Ein Pionier im Rahmen der Marktentwicklung der Inhouse-Sanierung ohne Stemm- und Aufbrucharbeiten in den nordeuropäischen Ländern ist die Fa. Picote aus Porvoo in Finnland. Einige der gesammelten Erfahrungen der Firma Picote bei der Marktentwicklung und bei der Umsetzung der Sanierung der Gebäudeentwässerung sind nachfolgend zusammengefasst [2].
Ein wesentlicher Schritt zum Aufbau des Marktes bzw. zur Marktentwicklung war, die entscheidenden Akteure am Markt auf die Möglichkeiten der Sanierung von Gebäudeentwässerungsleitungen ohne Stemm- und Aufbrucharbeiten aufmerksam zu machen. Dies betrifft insbesondere die Immobilienwirtschaft, Wohnungsunternehmen, Eigentümergesellschaften, Privateigentümer sowie Architekten und Ingenieure aus den Bereichen Hochbau und TGA. Hierzu wurde anfangs insbesondere auf vielen Fachmessen Aufklärungsarbeit geleistet. Zudem wurde Kaltakquise und Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise mit Artikeln in Fachzeitschriften, betrieben. Ein Akzeptanz förderndes Argument, welches sehr häufig herangezogen wurde und wird, sind die Vorteile der geschlossenen Sanierung im Vergleich zur traditionellen Bauweise mit Stemm- und Aufbrucharbeiten.
Darüber hinaus wurde der Markt zur Inhouse-Sanierung in Finnland durch eine Gesetzesinitiative der finnischen Regierung im Jahr 2010 kräftig angekurbelt. Während der Markt für die grabenlose Sanierung von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden Anfang der 2000er-Jahre quasi bei 0 Euro lag, wird der derzeitige Markt in Finnland von den Marktteilnehmern auf über 120 Mio. Euro Umsatz im Jahr 2017 und über 1000 Arbeitnehmern in mehr als 80 Unternehmen in diesem Bereich geschätzt. Die grabenlose Sanierung der Gebäudeentwässerung ist heute in Skandinavien ein Standardgeschäft. Größere Handwerkerfirmen sanieren mehr als 20 km Gebäudeentwässerungsleitungen pro Jahr in verschiedenen Gebäudearten.
Verschiedene Gründe haben zur schnellen Entwicklung des Marktes bis heute beigetragen:
- Marktwachstum (steigender Bedarf). Eine Vielzahl der Gebäude einschließlich der Entwässerungssysteme hat die übliche Betriebsdauer überschritten und muss saniert werden. Der Markt wächst weiterhin.
- Proaktive Sanierung durch Eigentümergemeinschaften und Wohnungsgesellschaften. In Finnland ist es übliche Praxis, dass Schäden nicht nur nach der Feuerwehrstrategie lokal repariert, sondern grundsätzlich die gesamten Leitungsnetze proaktiv saniert werden. So wird die Nutzungsdauer der Netze verlängert. Der Einsatzbereich des Schlauchlining-Verfahrens zwischen DN 50 und DN 250 ermöglicht grundsätzlich die Sanierung sämtlicher Leitungen, sodass die technische Umsetzbarkeit der Sanierung gegeben ist. Leitungsnetze werden entweder nach Ablauf einer üblichen Betriebsdauer von etwa 50 Jahren und mehr proaktiv oder nach Feststellung erster Schäden komplett saniert. Organisatorisch wirkt sich positiv aus, dass in Skandinavien die Eigentümergemeinschaften und Wohnungsgesellschaften für die Sanierung sämtlicher Entwässerungsleitungen im Gebäude und nicht nur für das Gemeinschaftseigentum verantwortlich sind.
- Marktbedarf nach qualitativ hochwertigen Alternativen zur traditionellen Bauweise. Mit wachsenden Märkten steigt ebenfalls der Bedarf an qualitativ hochwertigen technischen Sanierungslösungen. Zudem informierten und schulten ausführende Unternehmen, Gebäudemanager und Ingenieure gemeinsam Immobilienbesitzer und überzeugten diese von den Vorteilen der Sanierung ohne Stemm- und Aufbrucharbeiten.
- Innovationen von Herstellern und ausführenden Unternehmen. Neben der Technik zur Sanierung von horizontalen und vertikalen Leitungen ab DN 50 war ein weiterer Meilenstein in der technischen Entwicklung die Einführung von Geräten und Maschinen zur Öffnung von Anschlüssen, Abzweigen und Zuläufen (z. B. der Brawo VortexCutter).
- Wettbewerb. Ein wichtiger Treiber für die Marktentwicklung und das Marktwachstum ist der stetige Wettbewerb verschiedener Firmen und Hersteller. Gemeinsam wurde das Thema vermarktet und bekannt gemacht. Auch werden aufgrund des Wettbewerbs kontinuierlich neue Lösungen und Werkzeuge entwickelt, die den Markt weiter voranbringen.
Im Zuge der Marktentwicklung war eine Vielzahl an Herausforderungen zu meistern, die immer wieder auf Baustellen vorzufinden waren. Abb. 7 fasst potenzielle Herausforderungen und Lösungsansätze aus Skandinavien bezüglich der Inhouse-Sanierung zusammen.
Der deutsche Markt im Jahr 2025 …
Wie sich der deutsche Markt bis 2025 entwickelt, ist natürlich nicht genau vorherzusagen. Dennoch können insbesondere mit Blick auf Skandinavien einige Indikatoren und Herausforderungen herangezogen bzw. betrachtet werden, die auf Deutschland übertragen werden können.
Einer der ersten wichtigen Schritte ist, die Möglichkeiten der schonenden Innensanierung von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden Immobilienbesitzern und -gesellschaften, der Industrie, Architekten, TGA-Planern und Hochbau-Ingenieuren aufzuzeigen. Wie in Skandinavien vor etwa zehn Jahren kommt dabei der Öffentlichkeitsarbeit eine große Rolle zu.
In Skandinavien werden die Entwässerungssysteme standardmäßig in bewohnten Wohnräumen saniert. Je nach Größe der Baumaßnahme, werden die Entwässerungsgegenstände dabei für einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen außer Betrieb genommen. Die Bewohner haben die Wahl: Entweder verlassen sie für diesen Zeitraum ihre Wohnungen und ziehen zu Verwandten oder Bekannten oder bleiben während der Bauzeit in der Wohnung. Während der Bauzeit werden den Bewohnern Camping-Toiletten in der Wohnung zur Verfügung gestellt Abb. 8. Zudem wird nach Möglichkeit eine Toilette im Keller in Betrieb gehalten.
Da in der eigenen Wohnung ein eigenes Bett, ein eigener Fernseher und eine Heizung weiterhin zur Verfügung stehen, entscheiden sich die meisten Bewohner für den Verbleib in der Wohnung. Üblich ist dabei, dass beim Verlassen der Wohnung am Morgen der Wohnungsschlüssel an die Handwerker übergeben und nach Rückkehr wieder übernommen wird. Dieses Vorgehen wird in Skandinavien von den Bewohnern mittlerweile zu 100 % akzeptiert. In Deutschland muss hierfür noch eine Menge Überzeugungsarbeit geleistet werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist darüber hinaus, dass die Mitarbeiter der ausführenden Unternehmen einen sehr höflichen Umgang mit den Bewohnern an den Tag legen, da das Arbeiten in bewohnten Räumen sehr sensibel ist.
Eine weitere Herausforderung ist, nationale Immobilienbesitzer von einer proaktiven Sanierung zu überzeugen. Hierzu ist eine Abkehr von der bisherigen Feuerwehrstrategie notwendig. Wie die elektrische Haustechnik in Deutschland, sollten Abwasserleitungsnetze innerhalb von Gebäuden in festen Zeitintervallen – nach Ablauf einer betriebsüblichen Nutzungsdauer – vollständig renoviert werden, um teure Folgeschäden zu vermeiden. Die Vorteile der proaktiven Sanierung sind Immobilienbesitzern entsprechend zu vermitteln. In diesem Punkt ist ebenfalls noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten. Es fehlen derzeit zudem noch belastbare Richtwerte für übliche Betriebs-, Nutzungs- oder Abschreibungsdauern von Gebäudeentwässerungsanlagen.
Weiterhin sind in Deutschland die bisherigen Akteure im Handwerk für neue Märkte und Aufgaben zu gewinnen. Insbesondere beim Sanitär-Fachhandwerk sind die Möglichkeiten und Vorteile der grabenlosen Rohrsanierung zu etablieren. Mindestens genauso wichtig ist, Immobiliengesellschaften und Fachingenieure als Vorentscheider über die Techniken zu informieren. Dem Tiefbau und den klassischen Kanalsanierern sind die Chancen aufzuzeigen, die sich im Bereich der Gebäudeentwässerung ergeben können. Das Sanitärgewerk hat grundsätzlich den Vorteil, dass viele dieser Unternehmen bereits große Immobilieneigentümer als Kunden haben und sie somit bereits im Markt der Gebäudeentwässerung gut vernetzt sind.
In Skandinavien wurde die Entwässerung insbesondere in Wohnblocks und bei Ein- und Mehrfamilienhäusern sehr oft nach einem bestimmten Standard gebaut. Die ausführenden Firmen haben in den letzten zehn Jahren dadurch viel Erfahrung aufgebaut, sodass viele Sanierungen mittlerweile standardisiert ablaufen. Zum Beispiel wird häufig auf eine Inspektion der Leitungsnetze vor der Kalkulation und Angebotsabgabe verzichtet. Lagepläne und eine Ortsbegehung reichen hierfür aus. Doppelarbeit wird so vermieden, da eine Inspektion unmittelbar vor der Sanierung sowieso erfolgt.
Zumindest bei Neueinsteigern wird diese Vorgehensweise am Anfang kaum möglich sein. Auch ist der Sanierungsablauf auf die nationale Bauweise der Gebäudeentwässerung anzupassen. Inwieweit die baulichen und technischen Randbedingungen, die in Skandinavien vorzufinden sind, in Deutschland zutreffen, ist derzeit noch offen. Mit wachsendem Markt ist aber auch in Deutschland mit der technischen Weiterentwicklung von Produkten und Maschinen zu rechnen, wie es in Skandinavien zu beobachten war.
Im Bereich der Regelwerksarbeit besteht in Deutschland enormer Nachholbedarf, was den Bereich der Sanierung der Gebäudeentwässerung betrifft. Dies gilt im Übrigen auch für die Sanierung der Grundstücksentwässerung. Die Normreihe DIN 1986 enthält umfangreiche normative Standards für die Planung, den Bau, die Wartung und die Instandhaltung von Entwässerungssystemen auf Grundstücken und innerhalb von Gebäuden. Die Sanierung hingegen wird lediglich in der DIN 1986-30 auf knapp einer Seite grob umschrieben.
Die anstehenden Herausforderungen zur Marktentwicklung der grabenlosen Sanierung der Gebäudeentwässerung in Deutschland waren in Skandinavien gleichermaßen vorhanden. In einem relativ kleinen Zeitraum wurden technische und organisatorische Themen gelöst und die Sanierung der Gebäudeentwässerung ohne Stemm- und Aufbrucharbeiten als Standard etabliert. Vor diesem Hintergrund sollten die Herausforderungen bei der Entwicklung des Marktes in Deutschland keine unlösbare Hürde sein. Grundsätzlich ist in Deutschland und perspektivisch auch EU-weit mit einem wachsenden Markt in der Sanierung der Gebäudeentwässerung ohne Stemm- und Aufbrucharbeiten zu rechnen.
Literatur
[1] infodienst Grundstück und Wasser (2010): Markt für Grundstücksentwässerung ist 47,5 Millionen Gebäude groß. Gelsenkirchen: IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur, September 2010.
[2] Wilkinson, K.; Sorvisto, J.; Virtanen, R.: Renovating small diameter drains inside buildings in finland: challenging European and international practices. Sydney, Australien: International No-Dig 2013 31st International Conference and Exhibition, September 2013
" class="chapter-heading">Historie, Technik, Anwendung
Wichtig für TGA-Planer, Anlagenbauer und Bauherren
TGA-Planer: Oft wird Modernisierungsbedarf innerhalb von Gebäuden aufgeschoben, weil er nur in Verbindung mit der Erneuerung der zentralen Infrastruktur sinnvoll ist, dadurch aber die Maßnahmen ausufern würden. Über die Inhouse-Sanierung besteht eine Möglichkeit, die Nutzungsdauer der Gebäudeentwässerung entscheidend zu verlängern.
Anlagenbauer: Die Neuverlegung von Entwässerungsleitungen im Wohngebäudebestand ist nur mit erheblichem und schwer zu kalkulierendem Aufwand für die Nebenarbeiten und mit vielen Schnittstellen möglich. Bei der Inhouse-Sanierung treten diese Nachteile nicht auf.
Bauherren: In Skandinavien wird die Sanierung der Gebäudeentwässerung proaktiv eingesetzt und in der Regel im bewohnten Zustand durchgeführt. Etablierte Standards geben Kosten- und Terminsicherheit und verlängern die Nutzungsdauer der Gebäudeentwässerung um viele Jahrzehnte.
Dipl.-Ing. Sebastian Beck
ist Key-Account-Manager bei Brawoliner, 67659 Kaiserslautern, Telefon (06 31) 20 56 12 51, sebastian.beck@brawoliner.de, www.brawoliner.com, www.spray-liner.eu