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Innensanierung statt Neuverlegung

Inhouse-Sanierung von Abwasserleitungen

Kompakt informieren

  • Das Prinzip der grabenlosen Sanierung von Abwasserkanälen steht inzwischen auch für horizontale und vertikale Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden inklusive DIBt-Zulassung zur Verfügung.
  • Eine punktuelle Reparatur oder komplette Neuverlegung der Abwasserleitungen kann damit umgangen werden.
  • In Skandinavien existiert bereits ein Markt für die proaktive Sanierung von Entwässerungsnetzen am Ende der sich abzeichnenden Nutzungsdauer.

Feuchte Wände, modriger Geruch und Schimmelbildung sind häufige Schäden in Gebäuden. Die Ursache hierfür sind oft undichte Entwässerungsleitungen, aus denen Ab- oder Niederschlagswasser in das umgebende Mauerwerk austritt. Eine starke Minderung der Wohnqualität sowie damit einhergehende hohe Sanierungskosten sind nicht selten die Folge. In diesem Kontext ist zu beachten, dass der Gebäudebestand immer älter wird und viele Entwässerungssysteme ihre kalkulierte Nutzungsdauer teilweise bereits erheblich überschritten haben.

Bis Mitte der 2000er-Jahre wurden schadhafte Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden in Skandinavien in traditioneller Bauweise erneuert. Dazu wurden in der Regel Wände und Böden aufgestemmt und die alten Rohre durch neue ersetzt. Hohe Kosten und wochenlange Belastungen für die Bewohner gingen mit den Arbeiten einher.

Überzeugende Vorteile

Mit der Einführung von Sprüh-Schleuder-Systemen zur grabenlosen Sanierung (Coating-Verfahren) Anfang der 2000er-Jahre verän-derte sich der Markt jedoch rapide. Immer häufiger wurden Abwasserleitungen inner-halb von Gebäuden ohne Stemm- und Aufbrucharbeiten saniert. Die ersten Dienst-leister und Ingenieure, die anstelle des konventionellen Öffnens von Wänden und Decken das Coating-Verfahren eingesetzt haben, galten noch als Pioniere ihrer Zeit. Die Vorteile – insbesondere eine deutlich kürzere Bauzeit, weniger Störungen für die Bewohner, keine oder nur geringe Eingriffe in das Bauwerk und die damit einhergehenden deutlichen Kostenersparnisse – haben sich aber schnell im Markt durchgesetzt.

Im Jahr 2009 wurde für die Sanierung von Fallleitungen erstmals auch das Schlauchlining-Verfahren eingesetzt. Das Verfahren war aus der Sanierung von erdverlegten Leitungen bereits sehr gut bekannt und wurde für die speziellen Anforderungen für die Verwendung im Gebäude weiterentwickelt. Somit war es möglich, die gesamte Abwasserrohr- und Leitungsinfrastruktur von Gebäuden und Grundstücken von innen zu sanieren. Die Grundlage für die Marktentwicklung war geschaffen.

Die Schlauchlining-Technik wird hierbei zur Wiederherstellung der Dichtheit, Funktionssicherheit und Stabilität eingesetzt. Sprühverfahren dienen insbesondere zur Sanierung von kleineren Nennweiten und zur Wiederherstellung der Dichtheit sowie des Korrosionsschutzes bei Nennweiten kleiner DN 150. Sie finden meist dort Anwendung, wo das Schlauchlining-Verfahren an seine technischen und wirtschaftlichen Einsatzgrenzen stößt, etwa bei der Sanierung einer DN-50-Leitung mit vielen Umlenkungen.

Finnland: über 100 Mio. Euro/a

Nicht zuletzt durch eine Gesetzesinitiative der Regierung im Jahr 2010 wurde in Finnland die Nachfrage für die Inhouse-Sanierung kräftig angekurbelt. Während ein Markt für die „grabenlose Sanierung“ von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden Anfang der 2000er-Jahre quasi nicht existent war, wird das Umsatzvolumen in Finnland von den Marktteilnehmern auf über 100 Mio. Euro im Jahr 2017 und auf über 1000 Beschäftigte in diesem Bereich geschätzt.

Wird diese Sanierungstätigkeit linear auf Deutschland übertragen, ergibt sich hier ein theoretisches Marktvolumen von 3 bis 6 Mio. km Netzlänge (nur Inhouse) mit einem Umsatz von 1,79 Mrd. Euro/a.

Inhouse-Sanierung in der Praxis

Picote Service Oy Ltd. aus Porvoo in Finnland saniert bereits seit über zehn Jahren Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden. Derzeit sind über 50 Mitarbeiter in vier bis sechs Kolonnen tagtäglich mit der Sanierung der Entwässerungssysteme in großen Wohn- und Apartmentgebäuden sowie in kleineren Mehrfamilienhäusern und auch Einfamilienhäusern beschäftigt.

Zum Einsatz kommt dabei fast aus-schließlich das Schlauchliner-Verfahren von Brawoliner. Seit April 2017 werden in Helsinki-Pehlajesto, einem Vorort der finnischen Hauptstadt, die Entwässerungssysteme mehrerer Wohngebäude durch Picote Service saniert. Der Stadtteil zeichnet sich durch eine Viel-zahl an mehrgeschossigen Wohn- und Apartmentblocks aus, die insbesondere in den 1950er- und 1960er-Jahren gebaut und fertiggestellt wurden Abb. 1.

In drei dieser Wohngebäude wurden zwischen April und Oktober 2017 die kompletten Entwässerungsleitungen „grabenlos“ saniert Abb. 2 Abb. 3. In den Wohngebäuden, die Anfang der 1970er-Jahre fertiggestellt wurden, sind überwiegend PVC-Rohre der ersten Generation verlegt. In den letzten Jahren wurden erste Schäden am Entwässerungssystem partiell repariert. Überwiegend handelt es sich dabei um Undichtigkeiten, die lokal von Eigentümern bzw. Mietern festgestellt wurden.

Vor diesem Hintergrund und insbesondere aufgrund der Tatsache, dass das Entwässerungssystem mittlerweile fast 50 Jahre alt ist und seine übliche Nutzungsdauer damit erreicht ist, haben sich die Eigentümer dazu entschlossen, das gesamte Netz zu sanieren. Zur Sanierung wurden über 1700 m Brawoliner in den Nennweiten zwischen DN 50 und DN 200 eingesetzt Abb. 4.

Proaktiv statt Reaktiv

Im Gegensatz zur in Mitteleuropa häufig angewendeten Feuerwehrstrategie (erst im Schadensfall sanieren, dann häufig auch nur punktuell), wird in Finnland und den anderen skandinavischen Ländern in vielen Fällen proaktiv statt reaktiv gehandelt. Haben Entwässerungsnetze eine übliche Betriebsdauer erreicht oder überschritten, werden die Netze komplett saniert. Dieser Ansatz ist in Mitteleuropa und insbesondere in Deutschland vergleichbar mit der Vorgehensweise von Stromleitungen und der Elektrik in Wohngebäuden vergleichbar, die etwa alle 30 bis 40 Jahre erneuert wird bzw. erneuert werden sollte.

Der Ablauf bis zur Beauftragung einer Sanierungsmaßnahme läuft prototypisch wie folgt ab: Der Eigentümer der Immobile entscheidet sich zunächst für die komplette Sanierung der Entwässerungsanlage. Bei Eigentümergemeinschaften werden hierzu zunächst im Rahmen von Eigentümerversammlungen entsprechende Beschlüsse gefasst und bis zu fünf Eigentümersprecher gewählt. Der Eigentümer beauftragt ein spezialisiertes Ingenieurbüro mit der weiteren Planung. Dieses organisiert und begleitet die Angebotseinholung, Beauftragung, Bauausführung und -abnahme.

Fortsetzung folgt: Im zweiten Teil wird die gesamte Planung und die Ausführung bis hin zur Abnahme beschrieben.

Literatur

[1] Wilkinson, K.; Sorvisto, J.; Virtanen, R.: Renovating small diameter drains inside buildings in finland: challenging European and international practices. Sydney: International No-Dig 2013 31st International Conference and Exhibition, September 2013

Brawoliner und Spray-Liner

Das Brawoliner-Verfahren wurde speziell für die grabenlose Sanierung von Haus- und Industriekanälen im Nennweitenbereich DN 50 bis DN 250 entwickelt. Die Sanierungslösung ist für alle Rohrmaterialien geeignet und über 50 Jahre haltbar. Bei der Sanierung wird ein nahtloser Textilschlauch mit nahtloser Folienbeschichtung mit Epoxidharz getränkt und anschließend mittels Luft- oder Wasserdruck in das defekte Rohr eingebracht. Nach der Aushärtung des Harzes ist ein komplett neues, dichtes Rohr im Altrohr entstanden, alle bestehenden und auch potenziellen Schäden werden somit beseitigt. Seine Schlingenkonstruktion macht den Textilschlauch extrem flexibel und ermöglicht den Einsatz bei Rohren mit Bögen bis zu 90° und bis zu zwei Dimensionsänderungen (Brawoliner 3D). Das Sanierungssystem Brawoliner HT (bis DN 200) ermöglich auch eine Dampfaushärtung bei höheren Temperaturen und hat eine DIBt-Zulassung für die Sanierung von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden, bietet eine Wärmeformbeständigkeit von über 93 °C und erreicht die Baustoffklasse B2. www.brawoliner.com

Kern des Spray-Liner-Verfahrens ist ein geruchsarmes 2K-Epoxidharz, das von innen auf fehlerhafte Rohrabschnitte gesprüht wird und eine formschlüssige Verbindung mit dem Rohrmaterial eingeht. Die Technik ist für Rohrdurchmesser von 34 bis 155 mm ausgelegt. Für die Sanierung werden vorhandene Zugangspunkte, beispielsweise Sanitäranschlüsse, genutzt. Das Spray-Liner-Verfahren ist für Rohre aus allen gängigen Werkstoffen, wie PVC, Beton, PE, PP, Gusseisen und Steinzeug geeignet. Es können die gängigen Schadensbilder mechanischer Verschleiß, Korrosion, Fehlstellen, Radial- und Längsrisse sowie Undichtigkeiten an Verbindungsstellen beseitigt werden. Beim Sanierungsvorgang wird ein Sprühkopf in die Abwasserleitung eingeführt, wo er durch eine Rotationsbewegung flüssiges Epoxidharz an die Rohrinnenwand schleudert. Durch eine mitgeführte Kamera wird der Auskleidungsvorgang kontrolliert. Das Spray-Liner-Verfahren verfügt aufgrund seiner Besonderheiten über eine maßgeschneiderte DIBt-Zulassung. www.spray-liner.eu

Dipl.-Ing. Sebastian Beck

ist Key-Account-Manager bei Brawoliner, 67659 Kaiserslautern, Telefon (06 31) 20561 251, sebastian.beck@brawoliner.de, www.brawoliner.com, www.spray-liner.eu