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Planungs- und Montage-Tipps

Nutzung von Grauwasser

Die Fraunhofer Institute IGB in Stuttgart und ISI in Karlsruhe sind seit Oktober 2006 dabei, in einem groß angelegten Praxistest mit 100 Häusern „Am Römerweg“ zu zeigen, dass ihr in Knittlingen bei Karlsruhe betriebenes dezentrales urbanes Infrastruktur-System (DEUS 21) in mehrfacher Hinsicht Vorteile bringt. ISI-Projektleiter Harald Hiessl geht davon aus, dass der Handlungsdruck auf die Kommunen wächst, ihre Wasserver-, aber vor allem ihre Abwasserentsorgungssysteme den sich verändernden demografischen und klimatischen Randbedingungen anzupassen. „Gleichzeitig bietet uns dies eine Chance, die für Gesellschaft und Wirtschaft so wichtigen Infrastrukturen im Sinne der Nachhaltigkeit zu verändern“, meint der Wissenschaftler aus Karlsruhe.

In der weiteren Betrachtung soll es nicht um die vollständige Aufbereitung des Abwassers, wie bei DEUS 21, gehen. Das Nutzen des sogenannten Grauwassers ist trotz Anschluss eines Gebäudes an die zentrale Wasserver- und Abwasserentsorgung eine Option, eine Möglichkeit zum Wiederverwenden des nicht durch Fäkalien beeinträchtig­ten Abwassers. Bevorzugt wird dabei der Abfluss von Dusche und Badewanne. Zweitverwendet wird er in der Regel für die Toilettenspülung. Voraussetzung dafür ist ein separates Leitungsnetz zum Sammeln, Aufbereiten und Versorgen der Verbrauchsstellen. Hotels und Wohnhäuser sind dafür besonders gut geeignete Objekte.

Grauwasser-Verfahren

Pilotprojekte der letzten 20 Jahre lassen sich unterscheiden in

  • Pflanzenkläranlagen, z.B. Ökosiedlung Hassee, Kiel, 1991. Besonderheit: Die Überwachung dieser Anlagen erfordert biologische Kenntnisse und einen großen Platzbedarf.
  • Tauch-Tropfkörper-Anlagen, z.B. Hotel Arabella, Offenbach, 1996. Besonderheit: Nur für große Projekte geeignet.
  • Wirbelbett- bzw. belüftete Festbettanlagen, z.B. Wohnbebauung Block 6 südliche Friedrichstadt, Berlin, 2006. Besonderheit: Als vorgefertigte Haustechnik seit zehn Jahren am Markt, auch für kleine Projekte geeignet.
  • Membrananlagen/Ultrafiltration, z.B. Hotel Am Kurpark Späth, Bad Windsheim, 2008. Besonderheit: Vorgefertigte Haustechnik seit fünf Jahren am Markt, auch für kleine Projekte. Neu sind platz- und kostensparende Systeme in Außenbehältern zum Einbau in die Erde.

Der Platzbedarf nimmt bei dieser Auflistung von oben nach unten ab. Die Herstellungskosten sind abhängig vom Objekt. Mehrere Hersteller in Deutschland liefern für Einfamilienhäuser, für öffentliche Gebäude und Industrie vorkonfektionierte Anlagentechnik nach dem Wirbelbett- oder Membransystem. Die Montage ist damit einfach geworden. Dennoch müssen Planer und Installateure schon im ersten Kundengespräch ein Basiswissen haben. Grundlagen dazu vermitteln die folgenden Hinweise und Tipps.

Planungstipps

Balance von Ertrag und Bedarf

Wer die Bauherrschaft davon überzeugt, dass mit dem Einsatz von Grauwasser ca. 50 % des Trinkwasserverbrauchs im Haushalt gespart wird, ohne eine überschlägige Berechnung gemacht zu haben, handelt fahrlässig. Das Potenzial, die Wasserrechnung zu halbieren, ist vorhanden, sofern die verfügbare und die benötigte Wassermenge in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen. Wenn der Zeitpunkt des Ertrags und der Moment des Bedarfs auch noch nahe beieinander liegen, ist das ideal. Die Anlage kommt dann mit einem kleinen Speicher aus – die Investitionskosten sinken.

Hotels sind dafür gute Beispiele, insbesondere wenn sie ganzjährig mindestens 60 % Belegung haben. Morgens fällt das meiste Grauwasser durch das Duschen der Gäste an. Die Grauwassernutzung erfolgt tagsüber beim Putzen der Sanitärräume durch die mehrfache Betätigung der WC-Spülung, abends und morgens spült der Gast. Die optimale Speicher- und Anlagengröße lässt sich durch Computersimulation bestimmen, wenn Erfahrungswerte vorhanden sind.

Übersteigt der Bedarf in Spitzenzeiten den Ertrag, fließt automatisch Trinkwasser durch freien Auslauf gemäß DIN EN 1717 nach. Ist die Aufnahmekapazität der Anlage im Einzelfall für den zufließenden Ertrag zu gering, wird der Überlauf in die Schmutzwasserkanalisation abgeleitet.

Rückstauhöhe beachten

Wird der Überlauf der Grauwasseranlage an die Kanalisation angeschlossen, ist zu prüfen, ob er unter der Rückstauebene liegt. Ist der Überlauf mit seiner Öffnung tiefer als die Straßenoberkante, müssen Schutzmaßnahmen gegen Rückstau gemäß DIN getroffen werden. Die maximale Höhe des Kanal-Rückstaus ist nur dann bei Straßen­oberkante, wenn von der Stadtentwässerung/vom Tiefbauamt keine anders lautenden Angaben gemacht werden.

Mengenausgleich, Beispiel Schule

In Unterrichtsgebäuden besteht Bedarf, Grauwasser zur Toilettenspülung zu nutzen. Ertrag durch Bade- oder Dusch-Abwasser ist aber nicht vorhanden. Internate können sicherlich Grauwasserzuflüsse aus den Bädern der Wohngebäude nutzen, doch wird diese Menge durch den WC-Bedarf in den Wohnungen schon zum großen Teil beansprucht. Im Gegensatz zu Hotels werden hier die Sanitäreinrichtungen jedoch nicht so spülintensiv geputzt. Damit dürfte noch Grauwasser für die WC in den Unterrichtsgebäuden zur Verfügung stehen. Schulen mit Turnhallen nutzen die Duschen als „Quelle“. Doch Vorsicht, die Erfahrung zeigt, dass trotz vorhandener Einrichtung in Turnhallen nach dem Schulsport nicht geduscht wird – bei Vereinssport eher.

Zuflussqualität bestimmt Verfahren

Bei Mangel an Ertrag von Dusche und Badewanne können andere Abläufe genutzt werden:

  • Handwaschbecken im Bad oder WC
  • Waschmaschine
  • Küchenspüle
  • Geschirrspülmaschine

„Jeder dieser Anschlüsse belastet die Grauwasseraufbereitung zusätzlich. Das Aufbereitungsverfahren muss dafür konzipiert sein“, sagt Rudi Büttner aus Berlin, der als einer der Pioniere mit seinem Betrieb „Lokus“ schon seit 1989 Erfahrung sammelt. Seine Referenzprojekte, meist Tauch-Tropfkörper-Systeme, stehen unter anderem in Berlin, Krefeld, Viernheim, Offenbach, Kopenhagen und Peking. „Bei stark fetthaltigem Zulauf muss ein Fettabscheider integriert werden. Wenn die problematischen Stoffe bekannt sind, lässt sich die Biologie innerhalb gewisser Grenzen darauf einstellen. Große Anlagen mit mehr als 5 m3/d Durchsatz sind ohnehin individuell zu planen“, meint Büttner. Bei der Berliner Wohnbebauung Block 6 südliche Friedrichstadt, sind mit seiner Hilfe entsprechende Vorkehrungen getroffen worden, bevor 2006 Grauwasser von Duschen, Badewannen, Handwaschbecken sowie von Küchen und Waschmaschinen in das Aufbereitungssystem übernommen wurde.

Kombination Grau- und Regenwasser

Fehlt es an Ertrag, kann natürlich auch Regenwasser zusätzlich verwendet werden. Wichtig dabei ist, das gesammelte Regenwasser in das System nicht bei Beginn der Grauwasseraufbereitung einzuspeisen, sondern dort, wo bei Wassermangel sonst die Trinkwassernachspeisung den nachgeschalteten Klarwasserbehälter der Grauwasseranlage füllt. Regenwasser aus einer Anlagentechnik nach DIN 1989 ist wie das gereinigte Grauwasser weitestgehend frei von organischer Belastung.

Wird in die andere Richtung gedacht und das gereinigte Grauwasser in den Regenwasserbehälter eingeleitet, kann auf einen Klarwasserbehälter verzichtet werden. Dies empfiehlt sich vor allem, wenn sowohl Grau- als auch Regenwasseranlage außerhalb des Gebäudes in der Erde untergebracht sind. Bei ausreichender Wassermenge und Speichergröße kann das so gewonnene Betriebswasser zusätzlich für Bewässerung oder Waschmaschine verwendet werden.

Anlagenüberwachung

Wird das Betriebswasser vor der Verteilung durch UV-Licht desinfiziert, ist eine Trübungsmessung des Klarwassers vor der Bestrahlung sinnvoll, denn die Wirkung der Desinfektion ist bei trübem Wasser beeinträchtigt. So kann auch zugleich die Funktion der Grauwasserreinigung kontrolliert werden. Im Normalbetrieb sedimentieren Schwebstoffe vollständig bei Wirbelbett- und Tauch-Tropfkörper-Anlagen.

Membrananlagen mit Ultrafiltration halten humanpathologische Keime wie Viren und Bakterien nahezu vollständig zurück. Damit ist eine Desinfektion nicht nötig, vorausgesetzt, die Anlage wird korrekt gewartet. „Eine kontinuierliche Messung des Durchflusses mit Datenübertrag an den Hersteller des Membranfilters bietet die Möglichkeit, den richtigen Zeitpunkt für Reinigung und Austausch zu finden“, so Ulrich Weise von Weise-Water-Systems, einem Hersteller von Membranfiltern für die Grauwassernutzung. „Reinigungsintervalle von bisher einem Jahr können so auf bis zu drei Jahre verlängert werden.“ Die Nutzungsdauer eines Membranfilters beträgt ca. 5 Jahre. Der Zustand des gewonnenen Betriebswassers wird bei Bedarf, wie bei der Trinkwasseraufbereitung ebenfalls üblich, mit E-Coli-Schnelltests kontrolliert.

Montagetipps

Beruhigter Zulauf, geschützte Entnahme

Wird gereinigtes Grauwasser und Regenwasser zusammengeführt, muss im Behälter Sedimentation möglich sein, wie es DIN 1989-1, Abs. 6.3, für die im gefilterten Regenwasser noch enthaltenen Schwebstoffe vorsieht. Durch beruhigten Zulauf und geschützte Entnahme wird vermieden, dass Feinsediment vom Speicherboden aufgewirbelt oder angesaugt wird.

Außenwanddurchführung

Vom Grauwasserspeicher in der Erde darf ein Leerrohr nicht ohne Außenwanddurchführung ins Gebäudeinnere geführt werden. Dies verhindert, dass die Raumluft im Gebäude in Verbindung mit der Luft im Speicher steht. Geruch, Kleinlebewesen und im schlimmsten Fall auch Wasser aus dem Speicher könnten sonst den direkten Weg ins Haus finden.

Abhilfe wird dadurch geschaffen, dass ein Behälter verwendet wird, der eine eingebaute Wanddurchführung hat. Im Gebäude endet das Leerrohr an der Innenwand und muss hier in der gleichen Art abgedichtet werden: Die wasserführenden Leitungen und die Elektrokabel werden durch eine passende Mehrfachdurchführung gezogen und fachgerecht mit deren Schraub-Quetschverbindung gemäß DIN 18195 und 18336 abgedichtet.

Kennzeichnung und Zähler

Die Kennzeichnung der Grauwasserleitungen muss farblich unterschiedlich zu Trinkwasserleitungen und dauerhaft angebracht sein. Dies ist durch die Trinkwasserverordnung vorgeschrieben und gilt für nicht erdverlegte Leitungen. Auch wenn Hausbesitzer meinen, sie kennen sich mit ihrer Anlage aus, stehen sie dennoch in der Pflicht. Der Grund: Wenn ein Haus verkauft oder vererbt wird, kann es vorkommen, dass die nachfolgenden Nutzer nicht über alle Einzelheiten der Installation informiert sind. Die Kennzeichnung hilft zu vermeiden, dass der Installateur oder Hausbenutzer irrtümlich beim Umbau eine Grauwasserleitung für Trinkwasserzwecke nutzt.

Zur Aufteilung der Betriebskosten auf mehrere Parteien müssen Unterverteilung und Zählerplatz aufeinander abgestimmt sein. Die Zähler sollen gut erreichbar und zum Ablesen einsehbar sein.

Entlüftung

Wie alle Abwasser-Installationen muss auch die Grauwasser-Sammelleitung über Dach entlüftet werden, um Geruch und Geräusch im Bad zu vermeiden. Wenn in der Aufbereitung Druckluft verwendet wird, speziell bei Membrantechnik, muss diese Luft wieder entweichen können.

Übergabe und Wartungsvertrag

Die Inbetriebnahme ist nach Herstellerangaben in einem Protokoll zu dokumentieren. Zum ordnungsgemäßen Betrieb einer Grauwasserrecyclinganlage sind dem Nutzer zusätzlich Unterlagen zu übergeben. Eine regelmäßige Wartung nach den Vorgaben des Herstellers trägt wesentlich zur Betriebssicherheit der Grauwassernutzungsanlage bei und erhöht außerdem die Lebensdauer sowie die Energieeffizienz der Anlage. Typische Wartungsintervalle liegen bei einem Jahr.

Wirtschaftsfaktor Grauwassertechnik

Können finanzielle Förderungen die Marktentwicklung von Grauwassernutzungsanlagen stärken? Ja, meint beispielsweise Erwin Nolde aus Berlin, der mit seinem Büro Nolde und Partner, Innovative Wassersysteme, die wissenschaftliche Begleituntersuchung und die Fortentwicklung der Grauwassertechnik seit Anfang der 1990er-Jahre betreibt. Er hält es für erforderlich, dass diese Technologie über einen begrenzten Zeitraum finanziell gefördert wird, wie bei regenerativen Ener­gien erfolgreich praktiziert. Nolde ist davon überzeugt, „dass eine solche Vorgehensweise Grauwasser-Recyclinganlagen weit genug vorwärts bringt, um sie als selbstverständlichen technischen Standard bald in die Haustechnik integrieren zu können.“

Dazu gehört nach Meinung von Christian Wilhelm, Sprecher der Fachgruppe Grauwasser bei fbr in Darmstadt (Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung), dass nun, nachdem die Wartung als Betriebskostenfaktor kaum mehr optimiert werden kann, der Energiebedarf von Grauwasseranlagen weiter verringert wird.

„Die Entwicklung einheitlicher Qualitätsstandards für das Grauwasser-Recycling auf EU-Ebene würde die Verbreitung von wassereffizienten Technologien im Haushalt deutlich fördern“, sagt Stefania Paris von der Hans Huber AG. „Darüber hinaus könnte die Einführung von Kriterien für wassereffiziente Gebäude, die neben sparsamen Armaturen und Toilettenspülungen auch Regenwassersammlung und Grauwasser-Recycling berücksichtigen, das nachhaltige Bauen unterstützen und eine ganzheitliche Betrachtung ermöglichen“. Eine Richtlinie über Wassereffizienz von Gebäuden wird derzeit von der EU-Kommission erörtert.

Ob Regen- oder Grauwassernutzung, die alternative Sanitärtechnik ist ein Wirtschaftsfaktor für Deutschland. Verändertes Nutzerverhalten, Umbau der kommunalen Infrastruktursysteme sowie Neuerungen in Technik und Wissenschaft können mithilfe von Architekten, Ingenieuren, Produzenten und Handwerkern den Wirtschaftszweig der Umwelttechnik stärken und die deutsche Exportfähigkeit weiter ausbauen.

Fbr-Hinweisblatt H 201

Die Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr) begleitet das Thema Grauwasser-Recycling bereits seit Gründung des Verbands im Jahr 1995. Das Fbr-Hinweisblatt H 201 „Grauwasser-Recycling“ dokumentiert den aktuellen Wissensstand zum Grauwasser-Recycling und definiert Anforderungen an Planung, Betrieb und Wartung, die sich in der Praxis bewährt haben. Sie dient als Empfehlung für Hersteller, Planer und Interessierte. Sie ersetzt nicht technische Angaben von Herstellern, sondern dient als Planungsgrundlage und gibt erste Informationen für den Betrieb von Anlagen. Das Hinweisblatt gilt für solche Anlagen, bei denen eine Betriebswasserversorgung aus Grauwasser für mehrere Haushalte oder im öffentlichen/gewerblichen Bereich erfolgt.

Fbr: H 201, Regelwerk „Grauwasser-Recycling“, fbr-Schriftenreihe. Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr), Darmstadt. September 2007.

Klaus W. König

Dipl.-Ing. Architekt, ö.b.u.v. Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Fachjournalist und Vorstandsmitglied der Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr), Überlingen, Telefon (0 75 51) 6 13 05, mail@klauswkoenig.com, http://www.klauswkoenig.com