Die Welt wandelt sich stetig: Steigende Anforderungen der Gesellschaft, Schnelllebigkeit und fehlende Regenerationsphasen bestimmen unseren Lebensalltag. Leistungsbereit kann auf Dauer jedoch nur bleiben, wer wachsende Fremdbestimmung und den Verlust des eigenen Ichs im Alltag kompensieren und wieder zu sich selbst finden kann. So gewinnen individuelle Gestaltungs- und Rückzugsmöglichkeiten vor allem für den Bereich an Bedeutung, der klassischerweise mit Intimität und Entspannung verbunden wird: das Badezimmer.
Re-Privatisierung
Dass sich nicht nur die Anforderungen in der Gesellschaft, sondern auch die an Funktionalität und Design des Badezimmers verändert haben, belegen vier bereits in den letzten Jahren von Kaldewei und dem rheingold Institut veröffentlichte Studien zur Psychologie des Badens mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Einen deutlichen Wandel hat die in früheren Studien nachgewiesene Definition des „Premium“-Begriffs der 1980er- und 1990er-Jahre erfahren: Zwar legt man auch heute Wert auf Design und hochwertige Materialien, jedoch entfällt die damals weit verbreitete Statusdemonstration nach außen.
Das Bad gilt heute als individueller „So-bin-ich-eigentlich“-Raum jenseits des Alltags, in dem man wieder zur Ruhe kommen und zu sich selbst finden möchte. Einen wichtigen Beitrag zur Realisierung dieses Anspruchsdenkens leistet beispielsweise die Verbannung funktionaler Aspekte wie Waschmaschine und, wenn möglich, auch Toilette aus dem Wohlfühlbad. Der Trend geht weg vom „one size fits all“-Denken und von Standardlösungen – alle Befragten äußerten den Wunsch nach starker Individualisierung der Einrichtung und des Materials. In der Bedeutung als privater Rückzugsort hat das Bad mittlerweile sogar einen höheren Stellenwert inne als das Schlafzimmer.
Der Mensch im Mittelpunkt
Betrachtet man die Anforderungen der Teilnehmer an das Bad der Zukunft, kristallisieren sich zwei scheinbar konträre Ansätze heraus: Auf der einen Seite der Wunsch nach Technologisierung, auf der anderen Seite aber auch das Erleben von Ursprünglichkeit. Gemeint ist hierbei keineswegs ein Rückschritt in Richtung Waschzuber, sondern die Verwendung natürlicher Materialien wie Holz oder Naturstein und organisch wirkender Formen, die eine sinnliche Komponente in das Ambiente zaubern. Das Badezimmer soll sich idealerweise zur Natur hin öffnen.
Damit stellen die Ergebnisse der Studie neue Herausforderungen an die gesamte Architektur des Bades: Neben der bereits erwähnten Natürlichkeit sollen auch große Fenster sowie Sitz- und Liegeflächen Komfort und den Eindruck von Weite vermitteln. Die Mehrheit der Probanden ist fasziniert von einem geräumigen, offen gestalteten Bad mit Blick in die Natur.
Wichtiges Detail: Die Badewanne als Spiegel der eigenen Persönlichkeit wird nicht länger in eine Ecke des Raumes verbannt, sondern bildet das zentrale Element im Badezimmer und erinnert an elementare, natürliche Wasserbecken. Die großzügige Wirkung des Raumes unterstreichen ebenfalls großdimensionierte bodengleiche Duschen, die sich perfekt in diese weitläufige Umgebung einfügen. Ein derart gestaltetes Bad kann und wird auch gerne gemeinsam mit dem Partner genutzt – eine Beziehungspflege, deren psychologische Hintergründe in der rheingold-Studie „Baden, Duschen, Whirlen zu zweit“ veröffentlicht wurden.
„Der bei den Befragten offensichtliche Wunsch nach organischer Formgebung und natürlichen Materialien findet bereits jetzt in unseren Produkten konsequent Umsetzung“, erläutert Martin Koch, Leiter der Kaldewei Unternehmenskommunikation. „Damit schaffen wir eine Kombination von Individualität und Luxus für einen Raum jenseits des Alltags; einen Ort der Weite, an dem man mit sich selbst ins Reine kommen kann.“ So finden sich im Portfolio des Badausstatters neben freistehenden Bade- und Whirlwannen aus Stahl-Email auch bodenebene Wannenmodelle, ergänzt durch exklusive und entspannende Beleuchtungskonzepte.
Fiktive Zukunftsszenarien
In den klassischen tiefen- bzw. morphopsychologischen Studienansatz hat das Institut rheingold diesmal die Vorstellung von zwei Zukunftsszenarien im Jahr 2015 implementiert. Wesentliches Ziel der bewusst futuristisch überhöhten Darstellung war es, die Diskussionsperspektive und Vorstellungswelt der Studienteilnehmer von gegenwärtigen, bekannten Bädern zu lösen.
Bei „remind“ geht es um die fiktive Badsituation von Jana Kühne, 38: „Gestresst vom Job und entsprechend hektisch flüchtet sie in die wohltuende Stille ihres Badezimmers. Obwohl sie es liebt, jederzeit und überall erreichbar zu sein, macht sie hier eine Ausnahme. Das Handy wandert in das Aufbewahrungssäckchen, das den Empfang unterbricht. Nachdem Jana ihren iPod eingeklinkt hat, kann sie über den Hand-Scan ihre biometrischen Daten, ihren Hormonhaushalt sowie ihre Stimmungslage analysieren lassen. Augenblicklich übernimmt der „mind-operator“ die Führung und schafft das passende Ambiente zum festgestellten Stresslevel – ein perfekter Abgleich von Licht, Temperatur, Duft und Klang. Jana gleitet mit einem Seufzen in ihre Floatingwanne und beobachtet, wie der Projektionshimmel langsam abgesenkt wird – ein entspannender Raum im Raum entsteht. Freie Duftradikale werden von Aromaperlen aus den Luftbodendüsen freigesetzt und ein beruhigender Badefilm als Schutzschicht auf der Haut tut sein Übriges, um die Feedbackschleifen in Janas Kopf zu unterbrechen – für die langersehnte Entspannung.“
Im Mittelpunkt von „reload“ steht die 68-jährige Elisa Stratler: „Sie betritt nach einem anstrengenden Tag ihr Badezimmer, das augenblicklich vom leisen und regen Austausch des social webs erfüllt wird. Elisa liebt den direkten Kontakt mit ihren Netz-Freundinnen in der Intimität ihres Bades – morgens wie abends. Und wie praktisch ist es, sich hier auch direkt mit ihrem persönlichen Healthstyle-Manager auszutauschen! Da meldet er sich auch schon mit der Auswertung ihrer Bodyindexwerte und verordnet für den weiteren Verlauf des Tages einen leichten Bioblocker mit integriertem Nanoschutz. Doch vorher noch schnell frisch machen – Elisa steigt in die riesige Glasdusche, die als Blickfang die Mitte des Raumes füllt, und nimmt eine erfrischende „Reload-Shower“. Der Wasserstrahl windet sich in einer Doppelhelix um ihren augenblicklich durch Vitaminbooster verjüngten Körper. Mit einem speziell auf Elisas Gene abgestimmten Duft-Spray und einem Drink für die innere Schönheit schließt das Programm ab. Ein zufriedener Blick in den Spiegel, in dem das integrierte 2D-Display mittlerweile die Nachrichten zeigt, und der Abend kann beginnen.“
Das Bad der Zukunft:
Die Reaktionen der Befragten auf die vorgestellten Szenarien decken sich mit den tiefenpsychologischen Erkenntnissen, die im Studienverlauf im Rahmen von Einzel- und Gruppengesprächen gewonnen wurden: Komfortsteigernde Elemente wie Video-Projektionsflächen, die die Umgebung je nach Stimmungslage verändern können, oder neuartige Badkonzepte sind durchaus erwünscht. Zustimmung fanden auch komplexe Duschsysteme, die die tägliche Reinigung zu einem perfekt auf den Duschenden zugeschnittenen Erlebnis werden lassen.
Wichtig ist allen Befragten jedoch, dass moderne Technik lediglich unauffällig den Komfort steigert und nicht zu eigenständig agiert. Sie distanzierten sich von dem betont technologischen Zukunftsszenario, das den Menschen scheinbar zum Spielball einer intelligenten Technik werden lässt, indem es beispielsweise automatisch seine jeweilige Verfassung erkennt und analysiert. Niemand möchte sich von Technik bevormunden lassen – gerade wenn es um die eigene Gesundheit und das persönliche Wohlbefinden geht. Während die Untermalung mit meditativer Musik als durchaus willkommene Bereicherung empfunden wird, lehnen die Befragten chatten oder telefonieren im Bad einhellig ab. Man versteht diesen Raum als Rückzugsmöglichkeit, als Ort „jenseits des Alltags“, an dem man wieder zu sich selbst findet und Kraft tanken kann. Externe Kommunikation im eigentlichen Sinne ist hier unerwünscht.
Massiver Bedeutungszuwachs
Die Anforderungen an das Bad der Zukunft sind im Wesentlichen durch den Wunsch nach einer gelungenen Symbiose von Technologie und Natürlichkeit geprägt. Wachsende Entfremdung und das Gefühl, ständig verfügbar sein zu müssen, erfordern einen Ausgleich; einen Raum jenseits des Alltags, einen „So-bin-ich-eigentlich“-Ort, an dem sich das Ich wieder manifestieren kann. Diese Rolle fällt mehr und mehr dem Raum zu, in dem Individualität und Intimität den Mittelpunkt bilden: dem Bad. Damit, so indizieren die vorliegenden Studienergebnisse, verzeichnet das Bad nicht nur einen massiven Bedeutungszuwachs gegenüber den anderen Wohnräumen, sondern steht als eigentlicher Ich-Raum zunehmend im Zentrum individueller Wünsche und Bedürfnisse. •