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- Wird bei einer Legionellenuntersuchung der „technische Maßnahmenwert“ von 100 KBE / 100 ml überschritten, ist laut TrinkwV eine von der Trinkwasser-Installation ausgehende vermeid-bare Gesundheitsgefährdung zu besorgen und es sind Maßnahmen zur hygienisch-technischen Überprüfung einzuleiten.
- In der Trinkwasser-Installation spielen für die Legionellenprävention die Faktoren Wassertemperatur, Stagnation, Wasserinhalt und Strömungsgeschwindigkeit eine wesentliche Rolle. Untersuchungen zeigen, dass ab 55 °C Legionellen nur noch selten nachzuweisen sind.
- Betreiber können sich bezüglich der Trinkwasserhygiene nicht auf Bestandsschutz berufen, da das Grundgesetz den Gesundheitsschutz über die Eigentumsgarantie stellt.
Die Sicherstellung einer hygienisch einwandfreien Trinkwasserqualität von der Übergabestelle im Gebäude bis zur Entnahmestelle liegt in der Verantwortung des Betreibers. Gleichzeitig sind Planer und Installateure gefragt, wenn es um die Auswahl der richtigen Materialien, der geeigneten Installationsart und der permanenten Überwachung der elementaren Voraussetzungen für die Trinkwasserhygiene geht. Eine nachhaltig regelkonforme Trinkwasser-Installation erfordert planerische Weitsicht und fundierte handwerkliche Kenntnisse und Fähigkeiten.
Allerdings sind die rechtlichen Anforderungen und Zuständigkeiten komplex und darum für die Beteiligten nicht immer leicht zu überblicken – gerade in gemischt genutzten Gebäuden. Deshalb diente beim Uponor Trinkwasser Expertenforum ein Fallbeispiel als roter Faden. Das Fallbeispiel wurde von den Referenten in ihren jeweiligen Fachbeiträgen aufgegriffen und bot so immer wieder direkte Anknüpfungspunkte für die Teilnehmer.
Das Fallbeispiel: Ein Multifunktionales Gebäude
Die Vorstellung des multifunktionalen Bestandsgebäudes übernahm zum Einstieg Prof. Dr.-Ing. Michael Günther Abb. 2. Der Referent der Uponor Academy versetzte sich dafür in die Rolle des in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) als „Unternehmer oder sonstiger Inhaber“ (UsI) bezeichneten Betreibers, der als Eigentümer nach einer Probennahme mit einem leicht erhöhten Legionellenbefund von 150 KBE / 100 ml konfrontiert ist. Der „technische Maßnahmenwert“ von 100 KBE / 100 ml ist laut TrinkwV der Wert, „bei dessen Überschreitung eine von der Trinkwasser-Installation ausgehende vermeidbare Gesundheitsgefährdung zu besorgen ist und Maßnahmen zur hygienisch-technischen Überprüfung der Trinkwasser-Installation im Sinne einer Gefährdungsanalyse einzuleiten sind.
Im Zuge der Beratung mit dem zuständigen TGA-Planer zeigte sich in dem 8-geschossigen Wohn- und Geschäftshaus mit vielfältigen Nutzungen Abb. 3 eine Reihe von Problemfeldern, die als mögliche Ursachen infrage kommen. Gleichzeitig gab es aber auch schon vorher Hinweise, dass bei der Trinkwasser-Installation Handlungsbedarf bestehen könnte.
So verlangen einige Mieter wegen zu langer Ausstoßzeiten (ca. 1 min) und einer Braunfärbung des Wassers eine Mietminderung. Weiterhin gibt es einen dauerhaften Wohnungsleerstand und es wurde in einigen Wohnungen bei der Entnahme wiederkehrend eine Kaltwassertemperatur von 28 °C gemessen. Zusätzlich wurde bekannt, dass sich ganz aktuell ein Patient mutmaßlich im Ärztehaus mit angeschlossenem Schlaflabor mit Legionellen infiziert hat und das Gesundheitsamt eine Untersuchung eingeleitet hat.
Trotzdem sind Planer und Betreiber der Meinung, dass die Trinkwasseranlage bei Errichtung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprach und somit Bestandsschutz genießt. Zukünftig soll das Gebäude mit exklusiven Penthouse-Wohnungen aufgestockt werden, die voraussichtlich aber nur sporadisch genutzt werden.
Legionellen im Trinkwasser: Risikogruppen und Prävention
Als Umwelthygieniker knüpfte Priv.-Doz. Dr. Lothar Erdinger Abb. 4 vom Uni-Klinikum Heidelberg an den Legionellenvorfall im Ärztehaus an. Gerade bei medizinischen Einrichtungen sei hier besondere Achtsamkeit geboten. Entgegen der landläufigen Meinung stecke man sich nicht automatisch an, wenn Trinkwasser mit einer erhöhten Legionellenkonzentration vernebelt wird. Die Infektionsgefahr hänge vielmehr auch von den individuellen Abwehrkräften ab, sodass Patienten beim Arzt oder im Krankenhaus quasi per Definition zur Risikogruppe gehörten.
Grundsätzlich würden etwa 20 % der Bevölkerung als besonders gefährdet gelten. Einem sehr hohen Risiko seien zumeist ältere Menschen über 50 ausgesetzt, insbesondere Männer und Raucher. Deshalb müsse der Legionellenprävention in Wohn- und Altersheimen sowie Ärzte- und Krankenhäusern besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, wobei man natürlich Wohnhäuser nicht vernachlässigen dürfe.
Die Trinkwasser-Installation spielt mit den Faktoren Wassertemperatur, Stagnation, Wasserinhalt und Strömungsgeschwindigkeit eine wesentliche Rolle. So habe sich in eigenen Untersuchungen von Anlagen mit Warmwasserspeicher gezeigt, dass die Legionellenhäufigkeit ab einer Temperatur von 50 °C an der Probennahmestelle drastisch zurückgehe. Ab den von der TrinkwV durch den Bezug der allgemein anerkannten Regeln der Technik vorgegebenen 55 °C seien Legionellen mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 % nur noch selten nachzuweisen.
Demgegenüber seien Legionellen in Trinkwasser-Installationen mit Frischwasserstationen nur in sehr ungünstigen Fällen aufgetreten – und zwar interessanterweise genau dann, wenn die Leitung gut gedämmt war. Durch das langsame Abkühlen habe sich das Wasser zu lange in dem für ein Legionellenwachstum optimalen Temperaturbereich von 30 bis 45 °C befunden. Weiterhin seien für die Prävention neben einer regelmäßigen Durchströmung der Leitungen vor allem möglichst geringe Rohrdurchmesser von Bedeutung. Aufgrund der höheren Fließgeschwindigkeit hätten es Keime dann schwerer, sich festzusetzen und einen Biofilm zu bilden.
Gefährdungsanalyse zeigt den Handlungsbedarf
Eine neue Kultur im Umgang mit Trinkwasser forderte der Sachverständige Ansgar Borgmann Abb. 5. Es müsse dringend das Bewusstsein der Endverbraucher und der Hauseigentümer dafür geschärft werden, dass Wasser ein Lebensmittel und in den Leitungen nicht endlos haltbar ist.
Bisher existiere dieses Bewusstsein eigentlich nur beim Gesetzgeber. So machte im Fallbeispiel die bei der ersten Beprobung festgestellte mittlere Kontamination von 150 KBE / 100 ml eine weitergehende Untersuchung innerhalb von vier Wochen erforderlich. Dabei ergab sich ein deutlich höherer Wert von mehr als 1000 KBE / 100 ml. In der Folge ordnete das Gesundheitsamt eine Gefährdungsanalyse an, bei der die gesamte Trinkwasser-Installation von einem Sachverständigen eingehend untersucht wird. Borgmann erläuterte hierzu die einzelnen Schritte der methodischen Vorgehensweise und hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung des DVGW-Arbeitsblatts W 551 als allgemein anerkannte Regeln der Technik hervor.
Im Zuge der Gefährdungsanalyse wurden im Beispielgebäude unter anderem folgende Verstöße gegen DIN 1988-200 festgestellt: Die bestimmungsgemäße Warmwassertemperatur wird erst nach etwa 60 s anstatt nach maximal 30 s erreicht und die Kaltwassertemperatur lag bei Entnahme wiederkehrend mit 28 °C über den einzuhaltenden 25 °C. Hier empfahl der Experte, die Dämmung aller Rohrleitungen und Armaturen zu optimieren und gleichzeitig für einen ausreichenden Wasserwechsel in den Steigleitungen zu sorgen.
Ein gravierendes Problem sei zudem die Braunfärbung des Wassers in Teilen des Gebäudes. Derartige Verunreinigungen in den Rohren ließen sich gerade in älteren Objekten häufig nicht mehr sanieren, sodass dann eigentlich nur die Erneuerung der entsprechenden Bestandteile der Trinkwasser-Installation bleibe. Weiterhin stellt der dauerhafte Wohnungsleerstand nach DIN EN 806-5 eine Betriebsunterbrechung dar. Um hier den bestimmungsgemäßen Betrieb zu gewährleisten, müsse der notwendige Wasserwechsel entweder manuell über einen Spülplan oder mithilfe automatischer Spülstationen sichergestellt werden.
Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik
Die rechtliche Einordnung der Situation im Beispielgebäude übernahm Dr. Sandra Sutti Abb. 6. Die Rechtsanwältin betonte, dass die TrinkwV einen Schutzzweck hat und dass die Trinkwasser-Installation das Wasser nicht nachteilig verändern darf. Grundsätzlich sei der Betreiber (UsI) hier für die Einhaltung der aktuell gültigen allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT) verantwortlich. Dazu gehörten auch die bereits von Borgmann angeführte DIN 1988-200, DIN EN 806-5 sowie das DVGW-Arbeitsblatt W 551.
Gleichzeitig müsse der Betreiber auch der Verkehrssicherungspflicht Genüge tun. Hier gelte die Trinkwasser-Installation als eine Gefahrenquelle für Dritte. Vernachlässige der UsI etwa die Pflicht zur regelmäßigen Kontrolle, hafte er auf Schadenersatz und Schmerzensgeld, wenn ein Personenschaden eintritt. Dies sei auch der Fall, wenn er die Trinkwasser-Installation nicht regelmäßig warten lasse oder die Temperaturhaltung nicht den aaRdT entspreche.
Besonders brisant sei dies angesichts der bereits bekanntgewordenen Legionelleninfektion im Schlaflabor. In einem ähnlichen Fall wurden der Gebäudeeigentümer sowie die Ärzte als Laborbetreiber auf Schadenersatz und Schmerzensgeld verklagt. Verurteilt wurde aber nur der Eigentümer wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht, weil er den bestimmungsgemäßen Betrieb der Trinkwasser-Installation nicht sichergestellt und die aaRdT nicht beachtet hatte.
Um diese Maßnahmen im Zweifelsfall durchzusetzen, könnten Mieter im Übrigen auch eine Verpflichtungsklage gegen ihren Vermieter einreichen. Gleichzeitig könne etwa bei zu langen Ausstoßzeiten oder unregelmäßigen Wassertemperaturen eine Mietminderung in Anspruch genommen werden. Die überwiegende Rechtsprechung zum Mietrecht gehe hier unabhängig von den aaRdT davon aus, dass bereits Ausstoßzeiten von mehr als 10 s einen Mietmangel darstellen. Weiterhin könne der Betreiber sich im Fall der Trinkwasserhygiene nicht auf Bestandsschutz berufen, weil laut dem Grundgesetz der Gesundheitsschutz über der Eigentumsgarantie steht.
Lösungen für die sichere Planung und Ausführung
Im Schlussteil gab Prof. Dr.-Ing. Michael Günther Lösungsempfehlungen, mit denen sich die verschiedenen Problemfelder im Beispielgebäude vermeiden bzw. beheben lassen. Er plädierte dafür, die Trinkwasser-Installation als System zu begreifen und die drei entscheidenden Einflussfaktoren Wasseraustausch, Durchströmung und Temperaturhaltung möglichst gemeinsam zu betrachten. Dabei sei es Aufgabe der Hersteller, entsprechende technische Lösungen zu entwickeln und anzubieten.
So könne das Trinkwasser in den vermieteten Wohnungen über Wohnungsstationen im Durchflussprinzip bedarfsgerecht unmittelbar vor Ort erwärmt werden. Dafür sei zwar eine Anpassung der Steigleitungen erforderlich, im Gegenzug entfalle dort aber auch die Zirkulation. Gleichzeitig empfehle sich für die gewerblich genutzten Bereiche der Einsatz einer oder mehrerer zentraler Frischwasserstationen. Insgesamt werde so im Gebäude kein Trinkwasserspeicher mehr benötigt, während gleichzeitig durch die flexible Dimensionierung eines Heizungswasserpufferspeichers ein hoher Warmwasserkomfort bei minimalem Verkeimungsrisiko sichergestellt sei.
Eine optimale Durchströmung der Stockwerksverteilung lasse sich überall mit der Durchschleif-Ringinstallation gewährleisten. Diese ermögliche geringe Leitungsquerschnitte und Wasserinhalte sowie das komplette Durchspülen des Stockwerks-Leitungssystems von jeder Entnahmestelle. In die Durchschleif-Ringinstallation könnten dann bei Bedarf kompakte Spülstationen eingebunden werden, die bei einem nicht bestimmungsgemäßen Betrieb für den hygienisch notwendigen Wasseraustausch sorgen und als Teil des Hygiene-Spülsystems Smatrix Aqua Plus die Überwachung der gesamten Trinkwasser-Installation ermöglichten.
„Den Nerv des Publikums getroffen und wirklich etwas bewegt“
Die Moderation der ausnahmslos sehr angeregten Diskussionsrunden übernahm Michael A. Heun. Zu allen Bereichen beantworteten die Referenten eine Vielzahl von Fragen aus der täglichen Praxis, die die Komplexität und Dringlichkeit einer sicheren Trinkwasserhygiene eindrucksvoll unterstrichen. Der Leiter der Uponor Academy D-A-CH war vom Interesse der Teilnehmer sehr angetan: „Es ist schön, eine Veranstaltung mit dem Gefühl zu beenden, dass man den Nerv des Publikums getroffen und wirklich etwas bewegt hat – gerade bei einem so wichtigen Thema. Deshalb werden wir das Trinkwasser Expertenforum auf jeden Fall fortführen und dabei hoffentlich viele weitere Kunden und Partner überzeugen.“
Neue Termine in 2017
Das Uponor Trinkwasser Expertenforum wird auch in diesem Jahr in der bewährten Konstellation weiter fortgeführt. Nach München und Weimar Anfang Mai finden die nächsten Veranstaltungen zu den folgenden Terminen statt:
- am 16. Mai 2017 in Düsseldorf
- am 1. Juni in Nürnberg
- am 8. Juni 2017 in Hannover
- am 13. Juni in Potsdam und
- am 29. Juni in Mannheim
Die Anmeldung ist online möglich, hier finden sich auch weitere Infos zur jeweiligen Veranstaltung: www.uponor.de/expertenforum2017