Kompakt informieren
- Erste Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt HeizSolar bestätigen die Funktionsweise des Sonnenhaus-Konzepts. Eines der vermessenen Gebäude kam im Jahr 2012 – wie geplant – ohne Zusatzheizung aus.
- Um die einzelnen Gebäude(lösungen) objektiv vergleichen zu können, sind jedoch noch weitergehende Untersuchungen erforderlich, denn das Nutzerverhalten wirkt sich stark auf das Betriebsverhalten der solarthermischen Anlagen und ihren Deckungsanteil aus.
- Ein gewichtiger Faktor in der Energiebilanz sind die klimatischen Verhältnisse, insbesondere die Anzahl der Sonnenstunden im Winter hat einen großen Einfluss auf die erforderliche Zusatzheizung.
Die Begrifflichkeiten für Gebäude der Zukunft sind nicht gerade leicht verständlich. Gebäudetypen, die sich mehr oder weniger selbst um die benötigte Energie kümmern, gibt es viele: Das Nullenergiehaus, das Plusenergiehaus, das Nullemissionshaus und ganz aktuell das Effizienzhaus Plus, das auch noch die Elektromobilität einbindet. Aber alle Konzepte haben eine Gemeinsamkeit: Es geht weniger um Energieautonomie, sondern vielmehr um positive Energie- bzw. Emissionsbilanzen. Meistens wird dabei ein Jahr betrachtet. Aus dieser Systematik heraus ist auch der Begriff Netto-Nullenergiegebäude1) entstanden.
Die Idee des Sonnenhauses ist dagegen eine andere. Bei einem Sonnenhaus steht ein möglichst hoher Autarkiegrad – zunächst auf der Wärmeseite – im Vordergrund. Zudem ist der Fokus auf den Jahres-Primärenergiebedarf und die Minimierung des fossilen Energieeinsatzes gerichtet. Mittlerweile haben mehr als 1300 dieser „weitgehend solar beheizten Gebäude“, auch als SolarAktivHäuser bezeichnet, den Praxistest erfolgreich bestanden. Parallel dazu wird das Gebäudekonzept in dem 2010 gestarteten Forschungsprojekt HeizSolar (siehe Info-Kasten) systematisch untersucht. Inzwischen liegen erste Messergebnisse vor. Eine wissenschaftliche Bewertung des Konzepts ist damit zwar noch nicht möglich, aber so die Forscher: „die Funktionsweise des SolarAktivHaus-Konzepts konnte grundsätzlich bestätigt werden“.
Schwerpunkt in Süddeutschland
In dem Projekt werden deutschlandweit neun Gebäude untersucht. Dabei wurde versucht, die ungleichen klimatischen Randbedingungen sowie die unterschiedlichen Bautypen von SolarAktivHäusern abzubilden. Eine gute geografische Verteilung der Messobjekte ist jedoch nicht gelungen. Vier Gebäude stehen in Baden-Württemberg, drei in Bayern. Bei lediglich einem Referenzhaus (Bürogebäude) in Niedersachsen (Braunschweig) und einem in Sachsen (Freital) decken die Standorte nicht die ganze Bandbreite deutscher Witterungszonen ab. Sechs der untersuchten Gebäude sind Einfamilienhäuser, drei Mehrfamilienhäuser. Zwei Mehrfamilienhäuser stehen in Bayern, eines in Baden-Württemberg.
Umfangreiche Messungen
Sonnenhäuser sind bekanntlich solarwärmelastig konzipiert, die solarthermische Anlage ist der bestimmende Faktor für die Energiebilanz. Folglich werden bei HeizSolar vor allem die Temperaturen und Wärmeströme rund um den großen Solarspeicher Abb. 1 gemessen. Dabei wurden die Messstellen für die Wärmemengenzähler möglichst dicht an den hydraulischen Be- und Entladeanschlüssen positioniert. Vorzugsweise wurden Temperaturfühler in Tauchhülsen bzw. an der Außenwand des Speichers anliegende Fühler verwendet. Mit dem Messkonzept ist es möglich, eine recht exakte energetische Bilanzierung der solarthermischen Wärmeversorgungsanlage zu erhalten.
Neben den Temperaturen und Wärmemengen werden die Einstrahlung in der Kollektorebene, der Stromverbrauch der Wärmeversorgung sowie der Systemdruck und die Raumtemperaturen gemessen. Ist eine Photovoltaik-Anlage vorhanden, ist diese auch Teil der Messwerterfassung. Um auch eine vollständige primärenergetische Bewertung zu ermöglichen, wird zudem das Gewicht der in den Feuerungsstätten umgesetzten Biomasse erfasst. Eine beispielhafte Darstellung der installierten Messtechnik verdeutlicht Abb. 2. Einen Einblick in die verschiedenen Phasen der Wärmeerzeugung über das Jahr hinweg zeigt Abb. 3. Anhand typischer Werte werden hier die vier charakteristischen Phasen verdeutlicht:
- Phase 1, Entladung des Wärmespeichers: Nach dem Beginn der Heizperiode kann der Wärmeverbrauch vollständig mit erzeugter bzw. gespeicherter Solarwärme gedeckt werden.
- Phase 2, Zusatzwärmeerzeugung: Der Speicher ist größtenteils entladen und die zur Verfügung stehende Solarwärme reicht zur dauerhaften Deckung des ansteigenden Wärmeverbrauchs nicht mehr aus. Es muss zusätzliche Wärme erzeugt werden.
- Phase 3, Beladung des Wärmespeichers: Das zunehmende Solarstrahlungsangebot und der rückläufige Wärmeverbrauch des Gebäudes ermöglichen wieder eine vollständige Deckung mit Solarwärme. Der Speicher wird in dieser Phase wieder beladen.
- Phase 4, solarer Überschuss: Der Speicher ist vollständig thermisch beladen und es steht deutlich mehr Solarwärme zur Verfügung als verbraucht und zur Deckung der Wärmeverluste des Speichers benötigt wird.
Ermittlung der Kenngrößen
Um die untersuchten Gebäude bewerten und letztendlich auch vergleichen zu können, wurden aus den Messgrößen im Wesentlichen drei Kenngrößen erzeugt: Der solarthermische Deckungsanteil, der solarthermische Nutzungsgrad sowie die Arbeitszahl der Wärmeerzeugung.
Der solarthermische Deckungsanteil fsol,th gibt den Anteil der solarthermisch erzeugten Nutzwärme am Gesamtwärmeverbrauch an. In die Berechnung fließen ein: Der Nutzwärmeverbrauch für den Heizkreis (der QHK,nutz), der Nutzwärmeverbrauch für Trinkwarmwasser und Zirkulation (QTW,nutz), die vom Zusatzwärmeerzeuger erzeugte Nutzwärme (QZusatz,nutz) und die vom Kollektor erzeugte Nutzwärme (Qsol,nutz) .
Der solarthermische Nutzungsgrad ηsol,th oder auch Nutzungsgrad des solarthermischen Wärmeerzeugers beschreibt den Anteil der solarthermisch erzeugten Nutzwärme zu der zur Verfügung stehenden Strahlungsenergie. In die Berechnung fließen ein: Die Strahlungsenergie in der Ebene des Sonnenkollektors (Gsol) sowie die zur Verfügung stehende Aperturfläche des Sonnenkollektors (AKoll,a).
Die Arbeitszahl der Wärmeerzeugung AZErz,th gibt das Verhältnis zwischen der von der solarthermischen Wärmeversorgungsanlage gelieferten Nutzwärme und dem dafür benötigten Stromverbrauch an. In die Berechnung fließen ein: Die Stromverbräuche des solarthermischen Wärmeerzeugers (Eel,STWE) und des Zusatzwärmeerzeugers (Eel,ZWE).
Der Nutzer und das Klima
Bisher liegen für fünf Gebäude Messdaten für ein komplettes Jahr (2012) vor, bei zwei Gebäuden decken die Aufzeichnungen noch kein ganzes Jahr ab. Bei den übrigen beiden Gebäuden sind die Messwerte nicht aussagekräftig. In Abb. 4 sind alle für den Heizwärmebedarf der Gebäude relevanten Größen nach EnEV sowie die bisher verfügbaren Messergebnisse der untersuchten Gebäude dargestellt.
Um fundierte Aussagen bezüglich Bewertung und Vergleich der einzelnen Gebäuden treffen zu können, müssen die Gebäude mehrere Jahre vermessen werden. Zudem ist zu beachten, dass das erste komplette Messjahr 2012 eher untypisch war. Am Beispiel zweier, nicht im Messprogramm enthaltener Sonnenhäuser wird das sehr deutlich.
So mussten in Franken die Bewohner eines Ganzjahres-Solarhauses, das für einen solarthermischen Deckungsanteil von 0,9 ausgelegt ist, im Winter 2012/13 deutlich mehr mit Biomasse zuheizen: Kam man im Winter 2011/12 mit gut einem Raummeter Hartholz aus, waren im folgenden Winter fast drei Raummeter nötig.
Ein weiteres Beispiel stellte Sonnenhaus-Architekt Wolfgang Hilz auf dem HeizSolar-Experten-Workshop im März 2013 vor. Ein Einfamilien-Sonnenhaus in Renningen2) benötigte im Winterhalbjahr 2011/12 als Zusatzheizung 940 kg Holz, was einer Heizwärme von 2770 kWh entspricht. Im folgenden Jahr stieg der Verbrauch mit ca. 4000 kWh (1360 kg Holz) um gut 45 %.
Hilz: „Das Sonnenhaus lebt von der Wintersonne.“ Sie habe, so seine Erfahrung, einen weit größeren Einfluss auf das Gesamtergebnis als die mittlere Außentemperatur Abb. 5. Zudem hänge das Strahlungsangebot nicht nur vom Standort ab, sondern variiert von Jahr zu Jahr erheblich. Da auch das unterschiedliche Nutzerverhalten, und nicht bemerkte oder vorübergehende Mängel in der Anlagen- und Messtechnik einen großen Einfluss haben, seien selbst Messungen über zwei bis drei Jahre noch nicht repräsentativ. Das beträfe auch die in der Simulations-Software hinterlegten, zumeist interpolierten Meteonorm-Wetterdaten. Sein Fazit: In extremen Wetterjahren können die tatsächlichen Deckungsgrade und Verbräuche um mehr als 50 % vom Simulationsergebnis abweichen.
Deckungsanteile über 50 % erreicht
Unabhängig von der vermeintlich unsicheren Datenlage haben alle im HeizSolar-Projekt erfassten Gebäude bislang den erwarteten solarthermischen Deckungsanteil von mehr als 50 % erreicht. Sie erfüllen somit die in dem Begriff „weitgehend solar beheiztes Gebäude“ enthaltene Definition. Bei einem der Gebäude konnte gar das „Ideal“, ein solarthermischer Deckungsanteil von 100 % (keine Zusatzheizung), erreicht werden.
In einer ersten Analyse stellte man bei HeizSolar ebenfalls fest, dass die beheizte Fläche bzw. der Dämmstandard des Gebäudes als Bezugsgröße hinsichtlich des Heizwärmeverbrauchs für eine vollständige Bewertung keine ausreichenden Kriterien sind. Die klimatischen Randbedingungen und das Nutzerverhalten, so ein erstes Ergebnis, spielen eine große Rolle. Für die angestrebte detaillierte Analyse müssen alle Rand bedingungen erfasst und ausgewertet werden.
Ergebnisse bei den Kenngrößen
In Abb. 4 sind die ermittelten Werte für den solarthermischen Deckungsanteil aufgeführt. Mit welchem ökonomischen bzw. ökologischen Aufwand dieser erreicht wurde, kann mittels der zweiten Kenngröße, dem solarthermischen Nutzungsgrad, abgeschätzt werden. Er gibt einen Hinweis darauf, wie viel der zur Verfügung stehenden Solarenergie tatsächlich zur Deckung des Wärmebedarfs genutzt wurde. Die entscheidende Einflussgröße für die ungleichen Nutzungsgrade sind die deutlich unterschiedlichen Betriebsbedingungen. Je nach Speichergröße, Trinkwarmwasserverbrauch und der Fähigkeit, die gespeicherte Wärme zur Deckung des Wärmeverbrauchs nutzen zu können, ergeben sich deutliche Unterschiede.
Die erreichten monatlichen Arbeitszahlen der Wärmeerzeugung sind aufgrund des geringen Strombedarfs der Wärmeerzeugung teilweise sehr hoch. Allerdings gibt es auch eine große Bandbreite an Werten. So wurden für die Heizperiode Arbeitszahlen zwischen 12 und 748 kWhth/kWhel ermittelt. Im Zeitraum Mai bis September lagen die Arbeitszahlen zwischen 3 und 40 kWhth/kWhel, was unter anderem auch daran lag, dass in dieser Zeit bei einigen Anlagen Strom für die aktive Kühlung des Wärmespeichers verbraucht wurde. Bei den daraus resultierenden Jahresarbeitszahlen ist die Streuung weniger groß, die Werte liegen zwischen 40 und 66 kWhth/kWhel.
Ausblick
Die Autoren des auf dem 23. Otti-Symposium Thermische Solarenergie veröffentlichten Manuskripts „Messtechnische Analyse von neun SolarAktivHäusern“ sprechen sich klar für weitere Untersuchungen aus. Besonders eine primärenergetische Betrachtung der SolarAktivHäuser halten sie für notwendig. Vertiefende Analysen vom Betriebs- und Regelverhalten sowie die Ermittlung von Einflüssen durch nicht direkt messbare Größen, wie die von passiven solaren Gewinnen, seien erforderlich. Im nächsten Schritt müssten zudem Simulationen des dynamischen Verhaltens der Wärmeversorgungsanlagen durchgeführt werden. Mittelfristig ist es zudem wichtig, Lösungen zu finden, um das SolarAktivHaus-Konzept auch auf Gebäude im Bestand übertragen zu können, so die Autoren. •
1) Das „Netto-Nullenergiegebäude als Neubaustandard bis 2019“ sorgte 2009 länderübergreifend für Aufsehen, als das Europäische Parlament einen entsprechenden Beschluss zur Novellierung der EU-Gebäuderichtlinie fasste, der deutlich über die Vorlage der EU-Kommission hinausging. Im weiteren Verfahren wurde der Standard dann (ab 2021 bzw. 2019 für Behördengebäude) zum Niedrigstenergiegebäude relativiert, das gemäß aktuell gültiger EU-Richtlinie „eine sehr hohe […] Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen – einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird – gedeckt werden“.
2) Renningen liegt 35 km westlich von Stuttgart, 410 müM, Bruttovolumen 975 m3 / 725 m3, EnEV-Nutzfläche 312 m2 / 232 m2, Wohnfläche (ohne UG) 180 m2, Messzeitraum 11-2010 bis 03-2013.
Literatur, Quellen
[1] Kobelt, Bestenlehner, Drück, Oliva, Stryi-Hipp, Müller, Bühl, Rubeck: Messtechnische Analyse von neun SolarAktivHäusern. Bad Staffelstein: 23. Symposium Thermische Solarenergie, Otti, 2013
[2] HeizSolar: Expertenworkshops 1 bis 3. http://www.diesolarheizung.info/downloads
[3] 4. Symposium Aktiv-Solarhaus. Wien: Otti, 2013
[4] Wolfgang Hilz: Messdatenanalyse und Bewertung der Betriebsfuhrung eines vermessenen Sonnenhauses. Mannheim: Vortrag auf dem 3. HeizSolar Experten-Workshop, März 2013
Fachberichte zum Thema thermische Solaranlagen enthält das TGAdossier Solarthermie: Webcode 974
Heizsolar
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE arbeitet seit September 2010 in Zusammenarbeit mit Solar- und Wärmetechnik Stuttgart (SWT), der Technischen Universität Ilmenau sowie dem Sonnenhaus-Institut an dem Projekt HeizSolar. In der gemeinsamen Arbeit werden Wohngebäude, deren Heizenergiebedarf zu 50 bis 100 % mit thermischer Solarenergie bereitgestellt wird, untersucht. Projektziel ist, das Versorgungskonzept des solarthermischen Heizens wissenschaftlich zu fundieren und mit den gewonnenen Messdaten aus neun typischen Wohngebäuden ein Simulationsmodell zur Erarbeitung von Optimierungspotenzialen zu entwickeln und zu validieren. Weiterhin werden Bewertungskriterien für die Gebäude erstellt, um sie in das aktuelle Marktgeschehen bezüglich anderen CO2-reduzierten Wärmeversorgungskonzepten einzuordnen. http://www.diesolarheizung.info
Dipl.-Ing. (FH) Matthias Hüttmann
ist Journalist und Chefredakteur der Fachzeitschrift Sonnenenergie, 90617 Puschendorf, email@pressebuero-huettmann.de, http://www.pressebuero-huettmann.de