Bereits während der Überarbeitung der VDI-Richtlinie im Jahr 2008/09 gab es Diskussionen darüber, inwieweit diese Angaben auch für die unterschiedlichsten praktischen Bedingungen zutreffen. Denn die Ergebnisse von einigen Feldmessungen unterschritten die mit der VDI bestimmbaren Arbeitszahlen deutlich. Als Ursache für die Abweichungen werden besonders ungenügende Sorgfalt bei der Planung, Ausführung, Wartung usw. vermutet. Doch auch Defizite im Berechnungsverfahren können zu den Diskrepanzen beitragen.
Komplexe Anlagensimulation
Um die Widersprüche aufzuklären, wurde im Rahmen eines größeren Forschungsvorhabens an der TU Dresden eine eingehende Untersuchungen zur energetischen Bewertung von Wärmepumpenanlagen mittels einer ganzheitlichen numerischen Gebäude- und Anlagensimulation durchgeführt. Mit ihr wurden erstmalig
- wichtige Wärmepumpensysteme mit einem einheitlichen Berechnungsverfahren einschließlich offengelegter Randbedingungen berücksichtigt,
- die Gesamtanlage einschließlich Anlagenhydraulik, Regelung, Wärmespeicherung, Heizflächenausbildung, Temperaturniveau, Nutzungsprofil einbezogen sowie
- unterschiedliche Bilanzgrenzen in Hinblick auf die Heizperioden-Arbeitszahl unterschieden.
VDI 4650 bewertet Luft/Wasser-Wärmepumpen zu günstig
Bei der Untersuchung konnten sehr gute Übereinstimmungen zwischen den mit der VDI-Richtlinie 4650 ermittelten Werten und den Simulationsergebnissen für Sole/Wasser- und Wasser/Wasser-Wärmepumpen festgestellt werden. Eine deutliche Abweichung ergab sich hingegen für Luft/Wasser-Wärmepumpen. Das EEWärmeG fordert für diese eine Jahresarbeitszahl von 3,5 ohne bzw. 3,3 mit Trinkwassererwärmung und lässt zum Nachweis in der Planungsphase VDI 4650 als „anerkannte Regel der Technik“ zu. Die Autoren eines Fachartikels in TGA Fachplaner 06-2010 kommen unter Berücksichtigung ihrer Untersuchungsergebnisse zu dem Schluss, „dass die in der Praxis erreichten Arbeitszahlen häufig schlechter als im EEWärmeG-Nachweis sein werden“. Das Gesetz sieht zwar keine Sanktionen vor, jedoch sind Auseinandersetzungen zwischen Bauherr oder Betreiber und Anlagenbauer, Planer und Gerätehersteller vorprogrammiert, wenn die Arbeitszahlen im Praxisbetrieb deutlich von den Planungswerten abweichen und die prognostizierte Wirtschaftlichkeit verfehlt wird.
Rückkopplung mit EEWärmeG erschwert Korrektur
Aus der Sicht der Autoren ergibt sich damit an der VDI 4650 ein „gewisser Erweiterungs- bzw. Änderungsbedarf“, damit die Ergebnisse der VDI-Berechnungen einem Abgleich mit Feldtests und detaillierten rechnerischen Bewertungsverfahren standhalten. Bei der Überarbeitung seien aber unbedingt Rückkopplungen zum EEWärmeG und zu Förderprogrammen zu beachten, da sich sonst gravierende Auswirkungen auf die Marktpräsenz von Luft/Wasser-Wärmepumpen ergeben könnten. Auf der anderen Seite besteht auch die Gefahr erheblicher negativer Auswirkungen für das System Luft/Wasser-Wärmepumpe, wenn die Fachwelt Widersprüche zwischen Regelwerk und Praxis nicht bereinigt.
Der ausführliche Fachartikel zu der Untersuchung ist in TGA-Ausgabe 06-2010 ( kostenloses Probeabo ) erschienen. „VDI 4650 vs. komplexe Simulation – Energieeffizienz von Wärmepumpen“ kann auch online über das TGA-Dossier: Wärmepumpe aufgerufen werden. Ebenfalls in TGA-Ausgabe 06-2010 zum Thema erschienen ist ein Interview mit den Verantwortlichen im Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) über die umstrittene Jahresarbeitszahl-Vereinbarung des vzbv. Unter anderem wird darin auch ein Projekt über Brennwertgeräte angekündigt. ToR
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