Gesetzlichen Auftrag ignoriert
Trotz dieser Feststellung wird das Bundeskabinett in der auslaufenden Legislaturperiode keinen Entwurf für ein Gebäudeenergiegesetz beschließen und das Energieeinsparrecht nicht fortentwickeln. Dabei hatte sie über § 1 EnEV einen klaren Auftrag dazu. „Im Rahmen der […] noch festzulegenden Anforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Niedrigstenergiegebäuden wird die Bundesregierung […] auch eine grundlegende Vereinfachung und Zusammenführung der Instrumente, die die Energieeinsparung und die Nutzung erneuerbarer Energien in Gebäuden regeln, anstreben, um dadurch die energetische und ökonomische Optimierung von Gebäuden zu erleichtern.“ Gemäß § 2a EnEG hatte die Bundesregierung die Rechtsverordnung für Niedrigstenergiegebäude für zu errichtende Nichtwohngebäude, die im Eigentum von Behörden stehen und von Behörden genutzt werden sollen, vor dem 1. Januar 2017 und für alle anderen Gebäude vor dem 1. Januar 2019 zu erlassen.
Gut drei Jahre Regierungsverantwortung haben CDU/CSU und SPD jedoch nicht gereicht, um einen Entwurf für ein Gebäudeenergiegesetz (GEG) in den Bundestag einzubringen: Im Koalitionsausschuss am 29.03.2017 konnte sich die GroKo nicht zu einem Endspurt durchringen und hat das GEG von der Liste der noch zu erledigenden Punkte aus dem Koalitionsvertrag gestrichen.
„Erheblicher Rückschlag“
Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena) und Sprecher der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) bewertet das Scheitern in mehrfacher Hinsicht als „erheblichen Rückschlag für die Energiewende im Gebäudesektor“. „Es ist ein schlechtes Signal, wenn sich nicht einmal die öffentliche Hand selbst dazu verpflichtet, ihre eigenen Gebäude heute so zu bauen, dass sie den Klimazielen genügen.“ Angeführt wird auch das fruchtlose Verstreichen der Frist zur Definition der Niedrigstenergiegebäude-Standards gemäß EU-Gebäuderichtlinie. Bedauernswert sei zudem, dass die mit dem GEG angestrebte Vereinfachung des Ordnungsrechts nun erstmal nicht kommt.
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe: „Mit dem Scheitern des GEG werden die zwingend erforderliche Steigerung der Energieeffizienz und eine Energiewende im Gebäudebereich weiter ausgebremst. Eine Zusammenfassung und Fortschreibung der verschiedenen Verordnungen und Gesetze im GEG hätte wichtige Signale für Kommunen, Verbraucher und Investoren gleichermaßen gesendet. Anstatt die Schlüsselrolle von Gebäuden im Klimaschutz endlich mit Handeln zu untermauern, kuscht die Bundesregierung vor einigen Unionsabgeordneten, die eine Vorfestlegung für den noch zu definierenden Effizienzstandard im privaten Neubau fürchten und an der Vereinbarkeit von Klimaschutz und bezahlbarem Wohnraum zweifeln. Die Forderung der Unionsfraktion nach einem noch weniger ambitionierten Standard ist völlig haltlos, da dieser weder den nötigen Treibhausgaseinsparungen noch einer Vorbildfunktion des Bundes gerecht werden würde.“
Auch der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) bedauert das Scheitern und kritisiert, dass die von den GEG-Blockierern vorgebrachte Baukostensteigerung und eingeschränkte Technologieoffenheit haltlos sind. Es sei überzeugend nachgewiesen worden, dass die Baukostensteigerung der Vergangenheit nur zu geringen Teilen auf die EnEV, vor allem aber auf gestiegene Grundstückspreise sowie Baunebenkosten zurückgehen. Ferner sei nachgewiesen worden, dass höhere Standards durchaus wirtschaftlich seien. Außerdem werde in Deutschland trotz der kürzlich angehobenen EnEV-Anforderungen so viel gebaut wie seit langem nicht. Auch die Kritik, höhere Standards seien nicht mehr technologieoffen, weist der BWP-Geschäftsführer Dr. Martin Sabel zurück: „Dass die Effizienzvorgaben nicht von jeder Technologie bzw. jedem Brennstoff gleichermaßen erfüllt werden können, ist klar. Wir brauchen jedoch ambitionierte Vorgaben, wenn wir die Klimaschutzziele ernst nehmen. Sofern sich diese mit konventioneller fossiler Technik erfüllen lassen, ist deren Nutzung auch weiterhin erlaubt. In vielen Fällen werden moderne Technologien wie die Wärmepumpe hier jedoch zielführender sein.“
Wenigstens kein Kuhhandel
Das Scheitern des GEG vor der Bundestagswahl mag eine Enttäuschung sein, es ist aber auch eine Chance. Durch die viel zu späte Vorlage des Referentenentwurfs war eigentlich schon im Januar ein Scheitern aus terminlichen Gründen wahrscheinlich, zuvor hatte die Branche das Vorhaben für die laufende Legislaturperiode ohnehin schon abgeschrieben. Auch inhaltlich gab es erhebliche Defizite, wie aus den Einsprüchen und Hinweisen der weit über 100 Stellungnahmen aus der Anhörung von Ländern und Verbänden hervorgeht, wenngleich sich die Diskussion schnell auf das in der Nähe des KfW-55-Standards vorgeschlagene Niveau für das öffentlich genutzte Niedrigstenergiegebäude konzentrierte.
Im politischen Prozess wäre also bestenfalls eine Festlegung zwischen dem aktuellen EnEV-Niveau und dem KfW-55-Standard herausgekommen. Beides wäre weniger als ein Spatz in der Hand und würde nicht dem Begriff Niedrigstenergiegebäude und auch nicht einer Vorbildfunktion gerecht werden, denn der KfW-55-Standard hat sich im privaten Wohnungsbau durch die KfW-Förderprogramme längst als Stand des Bauens etabliert. Und bei fast allen anderen Gebäudearten ist er viel einfacher und mit geringeren Mehrkosten zu realisieren. Selbst bei vielen Sanierungen lassen sich mit dem KfW-55-Standard korrespondierende Bauteilanforderungen in der Regel günstig realisieren.
Noch schlimmer hätte es mit einem Kuhhandel ausgehen können: Durchwinken eines laxen Niedrigstenergiegebäude-Standards – der im GEG-Referentenentwurf übrigens ohne die Härtefallregelung mit nur 953 Zeichen definiert wird – gegen das Stillhalten bei einem anderen strittigen Vorhaben.
Nun ist Zeit, die Argumente noch einmal zu schärfen, Aussagen mit Fakten zu belegen und sich mit den Gegenpositionen auseinanderzusetzen. Entsteht nach der Wahl zügig ein GEG, das die Anforderungen mit den Zielen in Einklang bringt, den Bestand besser integriert und die CO2-Emissionen stärker berücksichtigt, wäre sein aktuelles Scheitern ein Glücksfall. ■