Kompakt informieren
- In baurechtlichen Vorschriften sind nur Anforderungen für die Sicherstellung von Personenschutz, Nachbarschaftsschutz und Umweltschutz enthalten.
- Das Baurecht geht davon aus, dass diese Schutzziele auch ohne qualifizierten Rauchabzug ausreichend umgesetzt werden können, wenn die im Baurecht benannten materiellen Grenzen (Flächen, Abstände, Fluchtweglängen, Brandklassen, Personenkonzentrationen, Brandlasten usw.) eingehalten werden.
- Sind für die Baugenehmigung weitere Schutzziele relevant, sind die im Baurecht benannten Regeln zur Rauchabführung nicht ausreichend und wei-tere Regelwerke anzuwenden.
Grundlage für die Planung und den Bau von Verkaufs- und Versammlungsstätten ist zunächst die Musterbauordnung bzw. die jeweilige Landesbauordnung. Sie gibt in Verbindung mit weiteren Sonderbauvorschriften den rechtlichen Rahmen zur Erlangung einer Baugenehmigung vor.
Darüber hinaus empfiehlt der Fachverband Tageslicht und Rauchschutz (FVLR) beim Brandschutz eine Projektierung nach den anerkannten technischen Regeln. „Denn für den ausreichenden Schutz von Menschenleben sollten die Entrauchungsvorrichtungen nicht allein nach der Erfüllung des Baurechts bemessen werden“, rät Dipl.-Ing. Thomas Hegger, Geschäftsführer des FVLR.
Ordnungsrecht zur Entrauchung
Gemäß der Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättVO) und der Muster-Verkaufsstättenverordnung (MVKVO) richten sich die Vorgaben zur Entrauchung in erster Linie nach der Größe des Gebäudes. Räume von 50 bis 200 m2 Grundfläche benötigen danach für die Entrauchung lediglich Fenster. In Räumen bis zu 1000 m2 Fläche reicht die Rauchableitung über Öffnungen aus, an die keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Im Brandfall ist damit ihre Funktionalität im Zweifel aber nicht sichergestellt. Erst ab einer Grundfläche von mehr als 1000 m2 muss die Entrauchung über qualifizierte Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) sichergestellt werden.
Einfache Öffnungen zur Rauchableitung werden also als hinreichend anerkannt – sofern das Gebäude keine Abweichungen zu Gesetzen und Verordnungen aufweist. Sind bereits zum Erlangen der Baugenehmigung weitere Schutzziele zu beachten oder liegen Abweichungen vor, sind die im Baurecht benannten Regeln zur Rauchabführung weder abschließend noch ausreichend. In der Praxis zeigt sich, dass Sonderbauten ohne Abweichungen eher die Ausnahme sind. In solchen Fällen gilt für die Projektierung der Rauchabzugsanlage der anerkannte Stand der Technik – nach VdS 2098 und DIN 18 232 sind das qualifizierte RWA.
Werden nach erteilter Baugenehmigung noch weitere Schutzziele relevant, beispielsweise Sachschutzanforderungen durch den Betreiber oder seinen Versicherer, oder nachträgliche Abweichungen erforderlich, sind auch hier qualifizierte Rauchabzugsanlagen (qualifizierte Geräte nach DIN EN 12 101 mit qualifizierter Bemessung nach DIN 18 232) zu wählen.
DIN 18 232 als Ergänzung zum Baurecht
Bei einer Projektierung des Entrauchungskonzeptes nach DIN 18 232-2 wird der Rauch über Rauch- und Wärmeabzugsgeräte (RWG) im Dach oder oberen Wandbereich nach außen abgeführt. Strömt durch bodennahe Öffnungen ausreichend Frischluft nach, bildet sich eine stabile raucharme Schicht im unteren Gebäudebereich. In dieser Schicht können sich eingeschlossene Personen orientieren und selbst in Sicherheit bringen. Gleichzeitig ermöglicht sie der Feuerwehr die erforderliche Sicht, um zum Brandherd vorzudringen, somit einen schnellen und effektiven Löschangriff durchzuführen und Leben zu retten.
Literatur
[1] VdS 2098 Richtlinien für natürliche Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (NRA) – Planung und Einbau. Köln: VdS-Verlag, Januar 2013, Ergänzung S1 aus September 2014
[2] DIN EN 12101-2 Rauch- und Wärmefreihaltung – Teil 2: Bestimmungen für natürliche Rauch- und Wärmeabzugsgeräte. Berlin: Beuth Verlag, September 2003 (und Entwurf September 2014 für Teil 2: Natürliche Rauch- und Wärmeabzugsgeräte)
[3] DIN 18 232 Rauch- und Wärmefreihaltung – Teil 2: Natürliche Rauchabzugsanlagen (NRA); Bemessung, Anforderungen und Einbau. Berlin: Beuth Verlag, November 2007