Elektrothermografie ist mehr als eine reine Ergänzung der Wartungs- und Inspektionspläne von Industriegebäuden. Infrarotkamera und Sachverständigenblick können deutlich mehr erkennen, als sich durch manuelle Prüfungen und klassische Messungen ausfindig machen lässt. Noch dazu bietet die Methode große Vorteile für die Arbeitssicherheit und funktioniert ohne Unterbrechungen des laufenden Betriebs.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Elektrothermografie ist eine wirksame Methode der prädikativen Instandhaltung und vermeidet kostspielige unplanmäßige Anlagenausfälle.
■ Sie ergänzt bestehende Prüfmethoden und lebenszyklusbasierte Wartungs- und Instandhaltungskonzepte um eine neue, effektiv sicherheitsfördernde Komponente.
■ Unternehmen erhöhen mit der Thermografie die Sicherheit ihres Personals, ihrer Sachwerte und der Umwelt. Die Prüfungen können darüber hinaus im laufenden Betrieb stattfinden, wodurch Produktionsausfälle vermieden werden.
■ Erforderliche Instandhaltungsmaßnahmen können aufgrund der Erkenntnisse der elektrothermografischen Untersuchungen vorausschauend geplant werden. Ungeplante Betriebsunterbrechungen werden dabei reduziert.
Mängel an der Elektrik verursachen rund ein Drittel aller Brände in Deutschland [1]. Elektrische Installationen, die fehlerhaft geplant, installiert, betrieben oder gewartet worden sind, können bei Überlastung und Fehlern überhitzen und damit zu einem großen Brandrisiko werden.
Ein besonderes Risiko besteht an Lastschwerpunkten der Anlage. Dies können zum einen die Transformatoren und Hauptverteiler der Anlage sein, Gefahrenschwerpunkte sind jedoch auch leistungsstarke Betriebsmittel. Insbesondere Anschlussstellen von Kabeln und Leitungen, bewegte Verbindungen oder mechanisch hoch belastete Teile der elektrischen Anlage sind häufig Ausgangspunkt für Brandereignisse oder größere Schadensszenarien.
Regelmäßig und ordnungsgemäß geprüft – und doch ein Brandschaden
Ein aktuelles Beispiel hierfür liefert der Brand in einer großen Industrieschreinerei. Die ungünstige Anordnung einiger Kabelstränge in Verbindung mit einer unzureichenden Isolierung sorgte zum Beispiel dafür, dass sich die Leitungen unter starker Last an einigen Punkten derart erhitzten, dass sich die Ummantelungen sowie nahegelegenes brennbares Material entzündeten. Die Folge war ein Brand im Verwaltungsgebäude des Betriebes. Dass dieser nicht auf das benachbarte Holzlager und die Produktionshalle übergriff, war nur dem beherzten Eingreifen einer geschulten Mitarbeiterin und dem schnellen Eintreffen der Feuerwehr zu verdanken.
Bemerkenswert an diesem Fall ist, dass all das trotz der erhöhten Brandschutzanforderungen des Betriebs geschehen konnte. Denn wegen der großen Menge an baufertigem, trockenem Holz, Sägespänen und unterschiedlichsten, teils sehr stark brennbaren Stoffen zur Nachbehandlung der Hölzer, hatte das Unternehmen in dieser Hinsicht hohe Sicherheitsanforderungen. Alle elektrischen Anlagen und Betriebsmittel waren regelmäßig und ordnungsgemäß geprüft worden, auch der Schaltschrank, von dem das Feuer ausging. Dabei zeigte sich die Isolation äußerlich intakt, während der Prüfung kam es nicht zu erhöhten Temperaturen und es waren auch keinerlei andere Schäden festzustellen.
Versicherer fordern vermehrt elektrothermografische Prüfungen
Wie konnte es trotz vorschriftsmäßiger Prüfung, die ohne Beanstandungen verlief, dennoch zu dem Brand kommen? Die Antwort lautet, dass stichprobenartige Prüfungen zum Zeitpunkt geringer Auslastungen häufig kein gesamtheitliches und belastbares Bild einer elektrischen Anlage und ihres Verhaltens unter Volllast liefern können.
Zudem sind Messungen häufig nicht möglich, weil hochverfügbare Anlagenteile abgeschaltet werden müssten. Doch ohne alle erforderlichen Messungen – darunter insbesondere die Messung des Isolationswiderstands der Leitungsanlage – kann keine zuverlässige, ganzheitliche Aussage zum Anlagenzustand gemacht werden.
Für Feuerversicherungen fordern Versicherungsgesellschaften deshalb inzwischen immer häufiger eine elektrothermografische Prüfung zusätzlich zur oder sogar anstelle der konventionellen Prüfung der elektrischen Anlage nach SK 3602 (VdS-Prüfung der Elektrischen Anlage). Die Richtlinie VdS 2858 empfiehlt elektrothermografische Prüfungen einmal im Jahr (siehe Info-Kasten).
Rechtsgrundlagen der Elektrothermografie
Rechtliche Grundlagen für elektrothermografische Prüfungen finden sich unter anderem in der Norm DIN 54191. Sie regelt die genaue Durchführung der Prüfung. Wie der zugehörige Untersuchungsbericht und die rechtssichere Dokumentation aussehen müssen, ist in der Richtlinie VdS 2858 geregelt. Sie empfiehlt darüber hinaus elektrothermografische Prüfungen von Betrieben und Anlagen in Intervallen von zwölf Monaten. Für die Anfertigung eines rechtssicheren Untersuchungsberichts bildet die VdS 2860 eine gute Grundlage.
Die Elektrothermografie erlaubt eine Zustandsanalyse im laufenden Betrieb, auch unter Spitzenlasten. Dabei messen Wärmebildkameras die Infrarotstrahlung elektrischer Anlagen. Auffällige Temperaturen und Temperaturdifferenzen werden sichtbar und geben Hinweise auf defekte Komponenten oder weitere Mängel an der elektrischen Anlage, die anschließend gezielt untersucht werden können.
Konventionelle Prüfungen der elektrischen Anlage durch Elektrosachverständige nach VdS 2871 durch elektrothermografische Untersuchungen der Anlage nach VdS 2858 zu ergänzen, ist deutlich wirksamer als die klassische Prüfung allein. Zudem ist die Elektrothermografie sicherer für das Prüfpersonal, denn die Prüfung läuft berührungslos ab. Das Risiko von Arbeitsunfällen bei der Prüfung reduziert sich dadurch deutlich.
Mögliche Installationsfehler deckt die Elektrothermografie bei Neuanlagen frühzeitig auf und sichert ihre Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. Ein Kühlmanagement elektrischer Anlagen lässt sich mit Thermobildkameras zum Beispiel gut analysieren. Materialverschleiß lässt sich frühzeitig erkennen und ausbessern, bevor er die Leistung der Anlage zu lange und zu stark beeinflusst. Fehlerhaft ausgeführte Klemmstellen, Kabelanschlüsse oder Materialübergänge können bereits während der Inbetriebnahme der Anlage identifiziert werden.
Mensch, Hochleistungstechnik und Software arbeiten Hand in Hand
Die Prüfung mit modernen Hochleistungsgeräten wird von darauf spezialisierten und anerkannten Elektrothermografen vorgenommen. Um die Feinheiten thermografischer Aufnahmen zu erkennen und Bilder richtig zu interpretieren, bedarf es einer fundierten Ausbildung und einiger Berufserfahrung. Wenn beispielsweise reflektierende Temperatur eine Aufnahme verzerrt, ist dies für weniger spezialisiertes Personal unter Umständen schwer zu deuten. Dies birgt das Risiko von Fehlinterpretationen.
Doch nicht nur ein gut ausgebildeter Mensch, auch die eingesetzte Technik macht die elektrothermografische Prüfung durch Sachverständige besonders wirksam. Durch spezielle Software und Rechenmethoden lassen sich die Ergebnisse an die Betriebs- und Umgebungsbedingungen anpassen. Daten aus dem Normalbetrieb der Anlagen können die Fachleute damit auf besondere Lastsituationen hochrechnen.
Das zeichnet die Prüfmethode aus, denn der Lastzustand der elektrischen Anlage zum Zeitpunkt der Prüfung ist somit nicht mehr alleinig ausschlaggebend für das Prüfergebnis. Vielmehr ermöglicht die Kombination aus Technik, Auswertesoftware, Erfahrung und Datenanalysen eine ganzheitliche Prüfaussage für sämtliche zu erwartende Betriebszustände.
Die Ergebnisse der Prüfungen sind in Form von Thermogrammen sichtbar, welche die Oberflächentemperatur-Verteilung darstellen. Die Elektrothermographen stellen dabei entsprechende Mängel und Auffälligkeiten klar verständlich für den Betreiber heraus. Ergänzend hierzu werden mögliche Ursachenbeschreibungen getroffen. TÜV SÜD stellt die Untersuchungsergebnisse nach Kundenwunsch in Papierform und online in Form eines elektronischen Prüfbuchs bereit. Durch die elektronische Dokumentation und regelmäßige, wiederkehrende Prüfungen lassen sich auch Veränderungen des Anlagenzustands über die Lebensdauer erkennen und hinsichtlich potenzieller Risiken analysieren.
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Literatur
[1] Ursachenstatistik Brandschäden 2021. Kiel: Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer (IFS), April 2022