Mit Inkrafttreten der EnEV 2007 am 1. Oktober 2007 [1] und ihrem Bezug auf DIN V 18599 [2] erhielt die Norm für die Bewertung der energetischen Effizienz von Nichtwohngebäuden eine gesetzliche Verbindlichkeit für öffentlich-rechtliche Nachweise. Dies trifft auch auf weitere Normen zu (z.B. [3, 4, 5, 6]), auf die direkt oder indirekt in der Verordnung Bezug genommen wird. Hier sind insbesondere die Aufrechterhaltung der energetischen Qualität der Anlagen (Wartung) und die Inspektion von Lüftungs- und Klimaanlagen zu nennen.
Obwohl in EnEV § 4 speziell auf die energetische Bewertung der Nichtwohngebäude hingewiesen wird, sind für den Anwender viele Hinweise in anderen Paragraphen eingearbeitet worden. Ein Handlungsablauf ist so nur sehr schwer zu erkennen. Für eine Verordnung, die täglich von tausenden Baufachleuten angewendet und beachtet werden soll, aber schon in ihren noch etwas dünneren Vorgängerversionen nur mit Kommentierungen und Klarstellungen benutzbar war, sind das keine guten Voraussetzungen für den seit Jahren bemängelten Vollzug.
Systematisiertes Vorgehen
Um das Verordnete etwas transparenter zu machen, ist in den Tabellen 1 bis 3 auf Grundlage einer Präsentation [7] eine Systematisierung für eine mögliche Vorgehensweise vorgenommen worden. Um nicht unnötige Wiederholungen vornehmen zu müssen, ist neben dem Nachweis energetischer Grenzwerte auch die Gewährleistung des sommerlichen Wärmeschutzes und der Gewährleistung des hygienischen Mindestaußenluftvolumenstroms Rechnung zu tragen. Beide Aspekte werden zwar in der Bewertungsnorm genannt, wurden aber nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit bedacht.
Bei der Anwendung in der Praxis muss die Errichtung (Tabelle 1), das Bauen im Bestand (Tabelle 2) und der Bestand unter Nutzungsbedingungen (Tabelle 3) unterschieden werden. Bei einigen Aktivitäten erlaubt die EnEV eine Wahlmöglichkeit (Alternative). Die Frage der Ausweisung des Energiebedarfs nach DIN V 18599 ist für die Errichtung von Nichtwohngebäuden eindeutig geregelt. Dagegen besteht sowohl beim Bauen im Bestand als auch im Bestand unter Nutzungsbedingungen eine Wahlmöglichkeit zwischen Energiebedarf und -verbrauch.
Datenerfassung erfordert Teamarbeit
Diese im Vorfeld umkämpfte Wahlmöglichkeit erscheint plausibel und praktikabel, insbesondere wenn an die Vielfalt der bau- und anlagentechnischen Eingabewerte und die oft unvollständige Projektdokumentation und deren Aktualisierung gedacht wird. Bei nach DIN V 18599 bewerteten Objekten und der Verwendung von bisher benutzter Software lag der zeitliche Aufwand für die Erfassung der Eingangsdaten in einer Größenordnung von ca. 70 bis 80 % des gesamten Zeitaufwands zur Erstellung eines Energieausweises. Dabei wird sogar schon vorausgesetzt, dass der Anwender in Personalunion in den Sachgebieten Baukonstruktion (insbesondere auch historisch), Bauphysik, Beleuchtung und den TGA-Gewerken Heizung, Lüftung, Kühlung, Regelung und alternative Energieträger über die erforderliche Fachkompetenz verfügt. Dies ist nur in Ausnahmen der Fall. Das bedeutet, dass nur ein Team von Fachleuten in Analogie zu einer echten integralen Planung die Aufgabe bewältigen kann.
Welchen Einfluss die Eingangsgrößen auf das Gesamtergebnis haben, zeigt beispielhaft Bild 1 [8]. Es sollte ebenfalls daran erinnert werden, dass das Endergebnis nie genauer sein kann als die Eingangsgrößen. Über die notwendige Genauigkeit der Eingangsgrößen kann im Allgemeinen nur ein Fachplaner entscheiden.
Verbrauchsaufteilung
Um auch den Verbrauch, der natürlich stark durch die unterschiedliche Nutzung des Gebäudes geprägt sein kann, bewerten zu können, benötigt man einen Vergleichswert. Der Verbrauch ist jedoch nur in den beiden Kategorien „Elektroenergie“ und „Heizenergie“ messtechnisch erfassbar. Hier bietet die DIN V 18599 mit dem Referenzgebäudeverfahren einen zweckmäßigen Ansatz. Dafür ist von adäquaten Daten wie z.B. Gebäudegeometrie, Zonierung, Nutzung auszugehen. Die Referenzbezugsdaten für das Gebäude und die Anlagentechnik (EnEV 2007, Anlage 2) spiegeln den gegenwärtigen gebäudetechnischen und anlagentechnischen Stand wider. Durch das Referenzverfahren wird eine Aufteilung des Bedarfs auf einzelne gebäudetechnische Anlagensysteme erkennbar. Allerdings werden dabei für den Bestand die notwendigen Angaben zum Gebäude, der Zonierung und der Anlagentechnik benötigt. Dies bedeutet, dass um eine gründliche Analyse der Eingangsdaten kein Weg herum führen wird.
Bild 2 verdeutlicht, dass es mit einem Vergleich zwischen dem energetisch bewerteten Istzustand eines Gebäudes und dem Referenzgebäude möglich ist, nach Ursachen für Unterschiede in den ermittelten Bedarfswerten zu suchen. Im vorliegenden Beispiel war der größere Heizenergiebedarf in der Spreizung von 30 K und der höheren Vorlauftemperatur von 80 °C im Vergleich zu den Werten für die Referenzanlage zu finden.
DIN V 18599 als Planungswerkzeug
Bei der Errichtung von Gebäuden kann sich der Aufwand für die Eingangsgrößenermittlung dann reduzieren, wenn bereits in der Planungsphase „Entwurf“ DIN V 18599 als Handwerkszeug genutzt wird. So können baurelevante Größen wie U-Werte, g-Werte, Sonnenschutzmaßnahmen, Flächenzuordnung, speicherwirksame Massen, auslegungstechnische Größen wie Heizlast, Kühllast, innere Wärmequellen und -senken und anlagentechnische Spezifikationen aus der Bewertung in den Entwurf übernommen werden.
Liegen die Eingangsgrößen vor, so ist der in der DIN V 18599 vorgegebene Rechenalgorithmus geeignet, um Varianten- und Optimierungsrechnungen durchzuführen. Dies kann jedoch nur mit einer entsprechenden Software geleistet werden. Das Problem: Die Anwendung der Norm – und damit die Mobilisierung ihrer Potenziale für energie- und gesamtkostensparendes Bauen – ist zurzeit nur mit einem hohen zeitlichen und damit hohem finanziellem Aufwand oder im Rahmen von Diplomarbeiten [8, 9, 10] zu erbringen. Die Honorierung kann momentan als ungeklärt betrachtet werden. Laut HOAI wäre sie als besondere Leistung zu vereinbaren, was am Markt aber schwerlich durchsetzbar ist. Hinweise auf die Vergütungen für Leistungen nach der EnEV 2007 enthält Heft 23 der AHO-Schriftenreihe [14].
Zonierung
In den Planungsphasen „Vorentwurf“ bzw. „Entwurf“ muss insbesondere über die Frage der „Zonierung“ entschieden werden und kann dann unter Umständen zu Planungsänderungen führen. Die Zonierung eines Gebäudes beeinflusst sowohl den Eingabeaufwand als auch das Endergebnis der energetischen Bewertung.
In DIN V 18599 sind 13 unterschiedliche Nutzungsbereiche definiert. Bei der Zonierung werden alle Bereiche, die mindestens eine Art der Konditionierung aufweisen, zusammengefasst. Das heißt, dass eine Zone alle Räume mit einheitlichen Nutzungsrandbedingungen und einheitlicher Anlagentechnik erfasst. Zu den Nutzungsrandbedingungen gehören u.a. Raumlufttemperatur, Nutzungszeit, Betriebszeit für Heizen, Kühlen, Lüften, innere (interne) Lasten, Anforderung an die Beleuchtung, nutzungebedingter Mindestaußenluftvolumenstrom.
Eine Vielzahl von Zonen scheint vorprogrammiert. Aus den ersten Erfahrungen der Anwendung ist klar erkennbar, dass so wenig wie möglich Zonen und soviel wie unbedingt notwendig definiert werden sollten. Zonen, deren Anforderungen sich nur gering unterscheiden (! Was ist gering – nicht eindeutig definiert!) sollten zu einer Zone zusammengefasst werden. Mit der Definition „gering“ werden die Anwender der DIN V 18599 allerdings alleingelassen. Zusätzlich ist die Beleuchtung bei der Zonierung gesondert zu betrachten, da für die Gewährleistung der lichttechnischen Randbedingungen andere Aspekte eine Rolle spielen können. Diese Entscheidungen erfordern einen erheblichen Sachverstand. Die EnEV 2007 lässt über Anlage 2 im vereinfachten Verfahren von einem Ein-Zonen-Modell (wie bei Wohngebäuden üblich) unter bestimmten Randbedingungen zu. Den Einfluss der Zonierung auf die energetische Bewertung bei einem Bestandsgebäude verdeutlichen exemplarisch die Bilder 3 und 4 nach [8].
Modernisierungsempfehlungen
Es ist deutlich erkennbar, dass der theoretische ermittelte Energiebedarf in einem weiten Bereich streuen kann. Hilfreich ist die Ausweisung der Anteile der Energieanteil am Gesamtbedarf, um Schlüsse für weitere Analysen oder Einsparpotenziale aufzuzeigen (Bild 2). Deshalb kommt den Modernisierungsempfehlungen hinsichtlich Veränderungen am Gebäude, der Technischen Gebäudeausrüstung und der Fahrweise der Anlagentechnik, der Anwendung von alternativen bzw. regenerativen Systemen und dem Aufzeigen möglicher Einsparpotenziale ein weitaus höherer Stellenwert zu, als dem „reinen“ Zahlenwert für den End- bzw. Jahresprimärenergiebedarf.
Die Empfehlungen sind jedoch auch im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Bewertung einzuordnen. Dies erfordert nicht nur eine verbale Darstellung im Energieausweis, sondern einen Wirtschaftlichkeitsnachweis bzw. eine Wirtschaftlichkeitsvorbetrachtung (entspricht HOAI LP2 bei der „Untersuchung alternativer Lösungsmöglichkeiten“) unter Berücksichtigung von preislichen Entwicklungen, Fördermöglichkeiten, anzustrebenden Amortisationen und der normativen Nutzungsdauer.
Daneben müssen die Maßnahmen immer im Kontext und der technischen Machbarkeit gesehen werden. So bekommt der Einsatz von Brennwerttechnik oder einer Wärmepumpe bei einer Modernisierung einen anderen Stellenwert, wenn zuerst bzw. gleichzeitig die Heizlast durch Wärmedämmmaßnahmen minimiert wird und die Heizkörper mit verringerter Heizmittelübertemperatur betreiben werden können.
Empfehlungen aus anlagentechnischer Sicht finden sich z.B. für die Lüftungsanlagen im informativen Anhang E von [3], für Klimaanlagen im informativen Anhang H [4], für die Trinkwassererwärmung in [12], die Beleuchtung in [13] und für Aufzüge in [14]. Vor allem ist es wichtig, Maßnahmen in ihrer Gesamtheit und mit eventuellem gegenseitigem Einfluss zu erkennen.
Wird z.B. zur Gewährleistung des sommerlichen Wärmeschutzes ein Sonnenschutz notwendig, kann sich der Endenergiebedarf erhöhen. Der Algorithmus von DIN V 18599 erlaubt es gegenwärtig nur bedingt, eine zeitlich begrenzte Vollverschattung zu berücksichtigen, wenn sie unter Nutzungsbedingungen wirklich erforderlich ist. Ursachen dafür sind, dass durch den Sonnenschutz einerseits ein erhöhter Energiebedarf für die Beleuchtung (zur Gewährleistung einer bestimmten Beleuchtungsstärke im Raum) als auch für die Heizung erforderlich ist, da bei geschlossenem Sonnenschutz der Energiegewinn durch solare Einstrahlung verringert wird.
Schlussfolgerungen
- DIN V 18599 stellt ein gutes Werkzeug für den integralen Planungsprozess dar.
- Sie ermöglicht es schon in einer frühen Planungsphase, den Energiebedarf und den Einsatz unterschiedlicher Systeme der Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung und alternativer Energiesysteme zu bewerten, abzuschätzen und Entscheidungen vorzubereiten
- Die notwendigen Eingangsdaten (insbesondere gebäudetechnische und anlagen- und gerätetechnische Daten, Nutzungsprofile, Werte aus den unterschiedlichsten Normen) sind sehr umfangreich. Sie müssen sehr detailliert vorliegen.
- Dies ist nur mit einer guten Grundlagenermittlung und in den Planungsphasen Vorentwurf bzw. Entwurf mit vertretbarem Aufwand möglich.
- Bei Bestandsgebäuden ist der Aufwand kaum vertretbar und erfordert sowohl ingenieurtechnisches Fachwissen als auch die integrale Zusammenarbeit zumindest von Architekt, Bauphysiker und TGA-Planer (Heizung, Lüftung und Beleuchtung).
- Bei Vorliegen der Eingangsdaten im Algorithmus stellt die DIN V 18599 ein gutes Handwerkszeug dar, um bei planungstechnischen Änderungen die Konsequenzen auf den End- und Primärenergiebedarf darzustellen.
- Der Energieausweis ist bei der Planung von Gebäuden als „Nebenprodukt“ zu werten, wichtiger sind die Modernisierungsempfehlungen im Bestand und die Korrektur der Entwurfsplanung.
- Problematisch bleibt die Zonierung. Sie entscheidet maßgeblich über den zeitlichen Eingabeaufwand.
- Die Honorierung sowohl nach HOAI als auch für die Erstellung des Ausweises für den Bestand ist ungeklärt.
Literatur:
[1] EnEV 2007: Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Gebäudetechnik bei Gebäuden; BGBL I, Seite 1519
[2] DIN V 18599: Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung, (Teil 1 bis 10). Berlin: Beuth Verlag, Februar 2007
[3] DIN EN 15239 Lüftung von Gebäuden – Gesamteffizienz von Gebäuden – Leitlinien für die Inspektion von Lüftungsanlagen. Berlin: Beuth Verlag, August 2007
[4] DIN EN 15240 Lüftung von Gebäuden – Gesamteffizienz von Gebäuden – Leitlinien für die Inspektion von Klimaanlagen. Berlin: Beuth Verlag August 2007
[5] DIN EN 15251 Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden – Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik. Berlin: Beuth Verlag, August 2007
[6] Trogisch, A.; Mai, R.: Die Planung von Lüftungs- und Klimatechnik unter Beachtung der aktuellen europäischen Normung, KI-Luft- und Kältetechnik, 2008, H. 3 S. und H. 4, S.
[7] Marmai, U.: Vortrag zur DIN V 18599. Ingenieurkammer Sachsen, 2007 (unv.)
[8] Kunzmann, K.: Erstellung eines Energiepasses nach DIN V 18599 für ein Gebäude in Dresden-Pillnitz (Schindlerbau) – Variantenuntersuchung zu charakteristischen Einflussgrößen. HTW Dresden, FB M/W, LG TGA, 2007, Diplomarbeit (unv.)
[9] Mohnicke, A.: Nachhaltiges Bauen im Industrie- und Gewerbebau mit Schwerpunkt Energieeffizienz. TU Dresden, Institut Bauklimatik, 2007, Diplomarbeit (unv.)
[10] Schultz, U.: Optimierung des Energieverbrauches in einem Bildungsobjekt in Dresden und Erstellung eines Energieausweises nach DIN V 18599 für ein charakteristisches Gebäude. HTW Dresden, FB M/W, LG TGA, Diplomarbeit, 2007 (unv.)
[11] DIN 4108 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz. Berlin: Beuth Verlag, Juli 2003
[12] DIN EN 15332; Heizkessel – energetische Bewertung von Warmwassersystemen. Berlin: Beuth Verlag, Januar 2008
[13] DIN EN 15193; Energetische Bewertung von Gebäuden – Energetische Anforderungen an die Beleuchtung. Berlin: Beuth Verlag, Januar 2008
[14] VDI 4707 (Entwurf) Aufzüge – Energieeffizienz. Berlin: Beuth Verlag, Dezember 2007
[15] Leistungen nach der EnEV 2007 (Leistungsbild und Honorierung), Heft 23 der AHO-Schriftenreihe. Berlin: Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung (AHO), November 2007, bisher nur als PDF auf https://www.aho.de/ erhältlich
Achim Trogisch
Prof. Dr.-Ing., lehrt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH) im Fachbereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik auf dem Gebiet TGA. Telefon (03 51) 4 62 27 89, E-Mail: trogisch@mw.htw-dresden.de, http://www.htw-dresden.de/mb