Die Wärmeversorgung der Gebäude in Deutschland kann ab 2035 vollständig durch erneuerbare Energien gesichert werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine am 2. März 2022 vorgelegte Studie.
Kompakt zusammengefasst
■ Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bis 2035 die Gebäudewärme vollständig mit erneuerbaren Energien abgedeckt werden kann.
■ Wesentliche Elemente des vorgeschlagenen Sofortprogramms sind ein Einbauverbot neuer Öl- und Gas-Heizungen ab 2024, ein mit Förderprogrammen flankiertes Betriebsverbot bestehender Öl- und Gas-Heizungen in drei Stufen, die Umstellung von Wärmenetzen auf erneuerbare Energien, die vollständige Dekarbonisierung der Stromversorgung und deutliche mehr energetische Gebäudesanierungen.
■ Der Plan sieht u. a. ein Förderprogramm für 12 Mio. Heizungs-Wärmepumpen und 70 Mio. m2 Solarthermieanlagen vor. Die Dekarbonisierung der Gasversorgung spielt bei dem Sofortprogramm aufgrund des Zeithorizonts keine tragende Rolle.
Seit Jahren gilt eine wichtige Erkenntnis: Die Umsetzung respektive die Beschleunigung der Wärmewende im Gebäudesektor ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens. Allerdings gibt es sehr unterschiedliche Standpunkte zur Realisierung. Sie reichen vom Abwarten auf eine grüne Substitution der bisher fossilen Energieträger Gas und Heizöl bis zu einem grundlegenden Technologiewechsel mit einer weitgehenden Elektrifizierung der Wärmeerzeugung.
Nun hat das Wuppertal Institut im Auftrag von Greenpeace in einer Studie einen Plan für eine vollständige Wärmewende bis 2035 vorgelegt. Er basiert darauf, dass der Einbau neuer Öl- und Gas-Heizungen ab 2024 und der Betrieb bestehender Öl- und Gas-Heizungen mit einem Ausstiegsgesetz schrittweise bis 2035 verboten werden.
Eine wichtige Voraussetzung ist auch, dass die Stromerzeugung zu diesem Zeitpunkt vollständig dekarbonisiert ist. Aktuell sieht der Ampel-Koalitionsvertrag vor, dass bis 2030 die dann deutlich höhere Stromerzeugung zu 80 % mit erneuerbaren Energien erfolgt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat jedoch schon am 11. Januar 2022 angekündigt, dass bis 2035 die Stromerzeugung nahezu vollständig mit erneuerbaren Energien erfolgen soll. Innerhalb der Bundesregierung laufen dazu allerdings noch Abstimmungen.
Ausstiegsgesetz mit Stufenplan
Die Studie favorisiert für das Ausstiegsgesetz einen Stufenplan. Er sieht, durch entsprechende Fördermaßnahmen flankiert, drei Stufen vor, zu denen der Betrieb von Öl- und Gas-Heizungen verboten wird und Bestandsanlagen durch eine zukunftsfähige Wärmeerzeugung ersetzt werden müssen:
● ab dem 1. Januar 2027: alle Anlagen, die vor 2000 eingebaut wurden
● ab dem 1. Januar 2030: alle Anlagen, die vor 2010 eingebaut wurden
● ab dem 1. Januar 2035: alle verbleibenden Anlagen
Die Nutzungsdauer bestehender Öl- und Gas-Heizungen wäre damit auf maximal 27 Jahre in Stufe 1, maximal 20 Jahre in Stufe 2 und 11…25 Jahre in Stufe 3 begrenzt.
Aktuell sieht das Gebäudeenergiegesetz in § 72 „Betriebsverbot für Heizkessel, Ölheizungen“ vor, dass Eigentümer von Gebäuden Heizkessel, die mit einem flüssigen oder gasförmigen Brennstoff beschickt werden, nach Ablauf von 30 Jahren nach Einbau oder Aufstellung nicht mehr betreiben dürfen. Allerdings ist dieses Betriebsverbot weitgehend wirkungslos, weil davon Niedertemperatur-Heizkessel und Brennwertheizkessel sowie heizungstechnische Anlagen, deren Nennleistung weniger als 4 kW oder mehr als 400 kW beträgt, ausgenommen sind.
Auf Basis der Altersstruktur der Heizsysteme in Deutschland müssen für den Stufenplan die Produktions- und Absatzzahlen von Wärmepumpenheizsystemen von 154 000 im Jahr 2021 auf rund 1 Mio. pro Jahr ab 2025 erhöht werden, was die Studienautoren für technisch realisierbar halten.
„Ökologisch und politisch notwendig“
Gerald Neubauer, Energieexperte von Greenpeace: „Die aktuelle Entwicklung führt uns schmerzhaft vor Augen, dass wir nicht nur aus ökologischen Gründen schneller weg müssen von fossilen Energien, sondern auch aus politischen. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, führt kein Weg am zügigen Ausstieg aus Öl- und Gas-Heizungen vorbei. Robert Habeck sollte die Wärmewende jetzt mit einem Ausstiegsgesetz für Öl- und Gas-Heizungen beschleunigen.“
Bisher plant Habeck, dass neue Heizungen ab 2025 zu 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden, allerdings gibt es in seinem Ministerium auch schon andere Überlegungen, beispielsweise ab 2023 einen „Ausschluss der Erdgasverbrennung in neuen Gebäuden“.
Fördertopf für 12 Mio. Wärmepumpen
Greenpeace fordert die Bundesregierung auf, das vom Wuppertal Institut ausgearbeitete Sofortprogramm zum Heizen ohne Öl und Gas noch in diesem Jahr umzusetzen. Ergänzend zum Ausstiegsgesetz enthält es ein Förderprogramm für 12 Mio. Heizungs-Wärmepumpen und 70 Mio. m2 Solarthermieanlagen. Aktuell sind in Deutschland gut 1,1 Mio. Heizungs-Wärmepumpen und 20 Mio. m2 Solarthermie installiert.
Damit die beschleunigte Wärmewende gelingt, müsse auch der Energiebedarf der Gebäude sinken. Das Sofortprogramm sieht deshalb eine schrittweise Pflicht zur Sanierung ineffizienter Gebäude vor, sodass bis 2040 alle Gebäude die Effizienzklasse B erreichen. Dazu sei eine Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) nötig, die zur Sanierung von jährlich mindestens 3 % der Gebäude führt.
Weiterhin müssten Nah- und Fernwärmenetze stark ausgebaut und bis 2035 auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Dafür seien Ziele und gesetzliche Standards zusammen mit einem Förderprogramm für Betreiber und Kommunen erforderlich.
Auch wirtschaftlich sinnvoll
Die beschleunigte Wärmewende ist laut der Studie für Haushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen wirtschaftlich. Der Ausstieg aus Öl und Erdgas erfordert zunächst zusätzliche jährliche Investitionen in Höhe von 50 Mrd. Euro sowie 22 Mrd. Euro staatliche Fördergelder. Ab 2035 würde das dann jährlich netto 11,5 Mrd. Euro an Kosten einsparen.
Mit den Maßnahmen sind rund 0,5 Mio. Arbeitsplätze, davon etwa 260 000 in der Bauwirtschaft, verbunden. Schließlich führt die beschleunigte Wärmewende bis 2035 zur Verringerung von 168 Mio. t/a CO2-Äquivalent. Das sind mehr als 20 % der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland im Jahr 2021.
Neubauer: „Fast 700 000 fossile Heizungen wurden in Deutschland im vergangenen Jahr neu eingebaut – für den Klimaschutz ist das fatal. Jede weitere Öl- oder Gas-Heizung macht den Umstieg kostspieliger. Deshalb muss die Bundesregierung die Weichen für eine schnelle Wärmewende noch in diesem Jahr stellen.“
Auch Wasserstoff-Heizungen?
Das Gegenmodell zur Elektrifizierung basiert auf (überwiegend importierten) Wasserstoff und Biomethan. Dazu heißt es in der Studie: „Ziel ist, dass bis 2035 keine fossil betriebenen Gas- und Öl-Heizungen mehr in Betrieb sind. Denkbar ist dennoch, dass seitens des Gesetzgebers wenige Ausnahmen für Härtefälle definiert werden. Dies hätte jedoch zur Folge, dass damit die Gasinfrastruktur (Verteilnetze) sehr hohe spezifische Kosten verursachen würde oder eine Umstellung auf Flüssiggas (LPG) erforderlich würde.
Alternativ wäre noch die Nutzung ‚grüner Gase‘ ein möglicher Ausnahmefall, wobei hierunter vor allem Biogas zu verstehen wäre, welches in räumlicher Nähe zur Produktion genutzt wird. Denn bis 2035 wird kaum synthetisches Methan aus grünem Wasserstoff in größerem Umfang verbrauchsnah erzeugt oder in die Gasnetze eingespeist werden können. Aber auch die Potenziale für Biogas sind eng begrenzt.“
Wenige Tage vor dem vom Wuppertal Institut vorgeschlagenen Sofortprogramm hat Prognos im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität eine Kurzstudie vorgelegt, die die Rolle der Wärmepumpe in einem zu 100 % erneuerbaren Stromsystem gegenüber einen Szenario mit „auch Wasserstoff-Heizungen“ untersucht. Das Ergebnis ist eindeutig: Der teilweise Einsatz von Wasserstoff-Heizungen statt Wärmepumpen in der dezentralen Wärmeversorgung wäre für das Gesamtsystem ineffizienter.
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Download der Studie
Thomas, S., Schüwer, D., Vondung, F., Wagner, O.: Heizen ohne Öl und Gas bis 2035 – ein Sofortprogramm für erneuerbare Wärme und effiziente Gebäude. Im Auftrag von Greenpeace e.V.. Wuppertal: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, 2022, www.bit.ly/tga1422
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