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Netto-Null-Energie-Haus

Bürogebäude der Zukunft

Kompakt informieren

  • Die neue EU-Gebäuderichtlinie schreibt Niedrigstenergiegebäude ab 2021 für alle Neubauten vor, ab 2019 für alle Neubauten mit Behörden als Nutzer.
  • In Herten hat Zeller/Athoka mit bewährten Großserienprodukten ein Netto-Null-Energie-Haus ­(Büros und gewerbliche Flächen) errichtet, das im realen Betrieb messtechnisch untersucht wird.
  • Die für Heizung, Kühlung und Beleuchtung erforderliche Energie wird über eine PhotovoltaikAnlage erzeugt; die Wärme- und Kältelasten kompensieren Luft/Wasser- und Luft/Luft-Wärmepumpensysteme.

Das Ziel ist bereits definiert: Die 2010 novellierte EU-Gebäuderichtlinie1) verpflichtet die Mitgliedstaaten, dass ab dem 31. Dezember 2020 alle neuen Gebäude „Niedrigstenergiegebäude“ sein müssen. Für neue Gebäude, die von Behörden als Eigentümer genutzt werden, ist dies bereits zwei Jahre früher zu gewährleisten. Niedrigstenergiegebäude müssen „eine sehr hohe […] Gesamtenergieeffizienz aufweisen. Der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen – einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird – gedeckt werden“.

Zwar wurde auf dem Weg durch die Instanzen der vom EU-Parlament anvisierte Standard „Netto-Null-Energiegebäude“ über „Nahe-Null-Energiegebäude“ und „nahezu energieautarkes Gebäude“ zum durch die Länder noch individuell zu definierenden Niedrigstenergiegebäude entschärft – doch eingebürgert hat sich bereits die wesentlich anschaulichere Definition Netto-Null-Energiegebäude: Über ein Jahr betrachtet wird der gesamte Energiebedarf zum Heizen und Kühlen und bei Nichtwohngebäuden auch für die Beleuchtung gedeckt, ohne dafür in einer Gesamtbewertung fossile Energieträger aufzuwenden. Energieabnahme und Energieerzeugung müssen bei dieser Betrachtungsweise nicht vor Ort in Deckung gebracht werden.

Neuer Firmensitz als Live-Labor

Daikin Europe, Oostende Belgien, und Zeller/Athoka wollen schon heute wissen, wie bewährte Technik und Materialien für Hülle und Haustechnik in einem gewerblich genutzten Netto-Null-Energie-Haus wirtschaftlich und energieeffizient als Gesamtkonzept zusammenwirken. Dazu hat Daikin zusammen mit der Athoka GmbH und der Zeller Kälte- und Klimatechnik GmbH ein internationales Forschungsvorhaben in Herten initiiert. Der neue Firmensitz von Zeller/Athoka Abb. 1, der von Anfang an nach dem Netto-Null-Energie-Ansatz geplant wurde, wird dazu über zwölf Monaten als Live-Labor dienen, denn die Messungen werden während der normalen Betriebs- und Geschäftszeiten durchgeführt.

An dem Forschungsprojekt2) sind international renommierte Institute beteiligt: Das französische Centre Technique des Industries Aérauliques et Thermiques (CETIAT), das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) und die Fraunhofer UMSICHT, die TU Dortmund sowie The University of Manchester.

Unterschiedliche Aspekte sollen in 27 Arbeitspaketen untersucht werden. Es geht dabei nicht nur um die Hülle und Technik, sondern auch um die Wirkung des Gebäudes auf die Umwelt und die Energienetze. Über eine zentrale Messtechnik erhalten die Institute alle relevanten Betriebsparameter. Insgesamt werden mehr als 100 Messwerte (z.B. Energieströme, Solarstrahlung, CO2-Konzentration, Anwesenheit von Personen, Wetterdaten, Fensteröffnung, Gerätebetriebsparameter) erfasst. Durch die einheitliche Datenbasis können auch interdisziplinäre Rückschlüsse gezogen werden. Nach der Datenerfassung geht das Projekt dann in die Optimierung über.

Wärmepumpe wird Kernelement

Die Vision der Zeller/Athoka Geschäftsführer Thorsten und Achim Zeller Abb. 2 bei der Konzipierung des Objekts war die Errichtung eines modernen Bürohauses mit ambitionierter Energiebilanz, das als Netto-Null-Energie-Haus bereits die künftigen EU-Standards erfüllt. Achim Zeller: „Momentan verantworten Gebäude etwa 40 % des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland, rund 85 % davon entfallen auf Heizung und Warmwasser. Umso wichtiger ist die Rolle von Heizungs- und Klimaunternehmen, Produkte zur weiteren Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden auf den Markt zu bringen sowie systemübergreifende Planungsansätze zu entwickeln, die das Konzept der Netto-Null-Energie-Gebäude zu geringstmöglichen Investitionskosten umsetzen. Dabei wird sich die Wärmepumpentechnik zum Kernelement wirtschaftlicher Lösungen entwickeln und ihre Überlegenheit gegenüber anderen Heizsystemen ausspielen. Dies wird hinsichtlich Energieeffizienz, Teillastoptimierung und Energie-Last-Management sowie preiswerter Speicherung der erneuerbaren Energien im Live-Labor in Herten schon heute sichtbar gemacht.“

Mit dem Forschungsvorhaben will Daikin einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der EU-Klimaziele 2020 leisten, denn auch bestehende Bürobauten sollen in Zukunft von den Erkenntnissen profitieren. Im Fokus steht dabei neben dem wirtschaftlichen Aspekt auch die praktische Anwendbarkeit: Zum einen ist die gewählte Gebäudeart – eine Kombination aus Büro und Lagerhaus – ein häufig genutztes Konzept, zum anderen wurden bei der anlagentechnischen Ausstattung nur bewährte Großserienprodukte verwendet.

Standardsysteme verzahnt

Der 1335 m2 (535 m2 Bürofläche, 800 m2 gewerbliche Fläche) große Neubau vereint etablierte Energiesysteme zur Nutzung erneuer­barer Energie und Umweltwärme. Da sich durch die abgestimmte Dimensionierung der Ge­bäudehülle und der gesamten haustechnischen Anlagen ein geringer spezifischer Endenergiebedarf ergibt, kann dieser in der Jahresbilanz über die eigene 300 m2 große Photovoltaik-Anlage (27,3 kWp, Paneele mit zylindrischen Modulen) gedeckt werden Abb. 3. Ein 100 m2 großes Testfeld des Dachs wird zudem mit der ZIRC-Beschichtung von Daikin lackiert, die das Sonnenlicht reflektiert und verhindert, dass sich das Gebäude an heißen Tagen über das Dach aufheizt. Zusätzlich verbessert die reflektierte Sonne den Energiegewinn der Photovoltaik-Module.

Im Gebäude kompensiert die Kombina­tion aus einer Daikin Altherma Luft/Wasser-Wärmepumpen für die Fußbodenheizung und die Trinkwassererwärmung sowie eine Daikin VRV-Anlage (Luft/Luft-Wärmepumpe) die Heiz- und Kühllasten Abb. 4. Ergänzt wird das energetische Konzept durch das Daikin VAM-Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung.

Achim Zeller: „Wir wollen am eigenen Objekt zeigen, dass sich nachhaltige Gewerbebauten schon heute wirtschaftlich errichten lassen. Hierzu ist es wichtig, Gebäude und Technik optimal aufeinander abzustimmen. Zudem waren wir darauf bedacht, die Technik-Sicherheit zu maximieren. Dazu wurden ausschließlich verfügbare und bewährte Standardsysteme projektiert, die kreativ eingesetzt das Planungs- und Anwendungsrisiko minimieren.““ JV

http://www.daikin.de https://www.athoka.de/ https://www.zeller-klima.de/

1) Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung); Gebräuchliche Kurzformen: EPBD und EU-Gebäuderichtlinie. Webcode 296893

2) Neben dem Bürogebäude in Herten plant Daikin Europe 2011 ähnliche Objekte für Mehrfamilienhäuser und Gewerbegebäude (Bestand- und Neubau) in Frankreich und in 2012 in England und Italien. Darüber hinaus soll das Gebäude in Herten in das europaweite GreenBuilding Programm (GBP) aufgenommen werden.

Mehr Infos zum Thema in den TGAdossiers Wärmepumpe und Passivhaus, Null- und Plus-Energie-Haus: Webcode 718 bzw. 715

„Die Null ist das Ziel“

Über das Engagement von Daikin Europe bei Netto-Null-Energie-Häusern sprach die TGA-Redaktion bei der offiziellen Eröffnung des Live-Labors in Herten mit Ansgar Thiemann, Section Manager, Environment Research Center, Daikin Europe N.V.

TGA: Herr Thiemann, an der Wärmepumpe führt in der Zukunft kein Weg vorbei, wurde bei den Eröffnungsreden heute mehrfach betont. Warum?

Thiemann: Die Aussage ist plakativ, aber für Netto-Null-Energie-Häuser zutreffend. Hier müssen verschiedene Elemente zusammenspielen: Das Gebäude selbst, die Technik und Konzepte, die die „Netto-Null“ durch die Kompensation des Energieverbrauchs mithilfe erneuerbarer Energieerzeugung realisieren. Dabei ist die Wärmepumpe aus unserer Sicht unverzichtbar. Sie nutzt Umweltenergie und bringt die erforderliche Flexibilität, um den Energieverbrauch von Gebäuden künftig dem intelligenten Stromnetz zugänglich zu machen.

TGA: Welche Rolle kommt der Wärmepumpe dabei zu?

Thiemann: Auf Anfrage durch die Beladung von Speichern Energieverbrauch vorzuziehen. Das können hydraulische Speicher und auch Bauteile des Gebäudes sein. Schon heute geht es den Elektrizitätsversorgern nicht primär um die Kappung von Energiebezugsspitzen, sondern um die Zuschaltung von Energieverbrauch, wenn ein Überangebot existiert. Dafür sind Wärmepumpen gut geeignet. Und sie existieren, anders als die bisher überwiegend diskutierten Batterien von Elektrofahrzeugen.

TGA: Werden sich dadurch die Auslegungsgrundsätze ändern?

Thiemann: Definitiv und in mehrfacher Hinsicht. Wir wissen, dass eine exakte Dimensionierung die Energieeffizienz erhöht, andererseits benötigen wir für das intelligente Energiemanagement Flexibilität – also in klassischer Denkweise eine „Überdimensionierung“. Beide Effekte sind zu berücksichtigen. Zusätzlich müssen wir in die EU-Gebäuderichtlinie schauen. Sie sieht eine Minimierung des Energiebedarfs für Heizung, Trinkwassererwärmung, Kühlen und Lüften sowie in Nichtwohngebäuden für die künstliche Beleuchtung vor. Der verbleibende Energiebedarf soll „zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen – einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird – gedeckt werden“. Wärmepumpe und Photovoltaik erfüllen dies.

TGA: Die EU-Gebäuderichtlinie gilt für Neubauten…

Thiemann: Ja, die größeren Herausforderungen haben wir im Bestand. Hier ist die Kompensation vor Ort durch weniger Freiheitsgrade grundsätzlich schwieriger. Eine Alternative kann darum sein, Speicherkapazitäten zur Verfügung zu stellen, um sonst nicht nutzbare erneuerbare Energiemengen zu verwenden. Das ist physikalisch und von der Wirkung gleichwertig zur Selbstproduktion.

TGA: Die Null ist dabei das vorrangige Ziel?

Thiemann: Für unser(e) Projekt(e) ja. Den Netto-Null-Energie-Ansatz hatten wir bereits gewählt, bevor er über die Novellierung der EU-Gebäuderichtlinie in die Diskussion gekommen ist. In einem Jahr werden wir wissen, was wir erreicht haben. Kommt ein Plus heraus, werden wir untersuchen, ob wir es in eine höhere Wirtschaftlichkeit umwandeln können, um die Breitenanwendung zu verbessern. Die Null muss aber auch auf den Energiezählern und nicht nur auf dem Papier stehen.

TGA: Sind Sie mit dem Projekt der Zeit weit voraus?

Thiemann: Wir haben einen anspruchsvollen Plan. Das Gesamtprojekt, bei dem das Gebäude von Zeller/Athoka eines der Forschungsobjekte ist, ist bis 2015 angelegt. Das ist ein wichtiges Jahr für das Niedrigstenergiegebäude gemäß EU-Gebäuderichtlinie. Oft werden nur die Jahreszahlen 2019 und 2021 genannt. Die Mitgliedstaaten müssen aber bereits bis zum 9. Juli 2012 gemäß § 9 ein Zwischenziel definieren, das ab 2015 die Gesamtenergieeffizienz neuer Gebäude im Hinblick auf das Niedrigstenergiegebäude verbessert. Zu diesem Zeitpunkt werden wir über die notwendige Erfahrung, die richtigen Produkte und attraktive Serviceangebote für Planer und Anlagenbauer verfügen. •