Im Zuge der Erweiterung am Straßenbahn-Instandhaltungsstandort Heiterblick der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) wurde dessen Wärme-Energiekonzept im Ist-Zustand zunächst im Detail analysiert und auf Basis der ermittelten Kapazitäten Zukunftsvarianten erstellt. Während des Prozesses wurden Erkenntnisse gewonnen, die über die konkreten Anlagen hinaus Gültigkeit besitzen.
Kompakt zusammengefasst
■ Im Vorfeld einer Standorterweiterung der Leipziger Verkehrsbetriebe um eine große Betriebswerkstatt wurde das Wärmekonzept der Liegenschaft messtechnisch analysiert und als Digitaler Zwilling abgebildet.
■ Schon im Messzeitraum wurden typische Probleme in der Hydraulik und in der Regelung erkannt und es konnten Verbesserungsvorschläge für den aktuellen Betrieb gegeben werden.
■ Die gewonnen Erkenntnisse zeigen, wie wichtig eine neue Herangehensweise ist, damit komplexe Energiesysteme die erwarteten Einsparungen dauerhaft erreichen können und dass diese ein Digitaler Zwilling schon bei der Planung und später bei der Betriebsüberwachung absichern kann. Ein Messkonzept ist dabei eine notwendige Voraussetzung.
■ Im konkreten Projekt zeigt sich, dass durch vorher nicht bekannte Reserven der vorhandenen Energiezentrale der zunächst geplante zusätzliche Erzeuger zur Versorgung der neuen Betriebswerkstatt nicht erforderlich ist.
Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) sichern täglich die Mobilität vieler Menschen in der Stadt und in der umliegenden Region. Um einen optimal funktionierenden Nahverkehr sicherzustellen, investieren die LVB als Mobilitätsdienstleister nicht nur kontinuierlich in das Liniennetz und die Fahrzeugflotte, sondern auch in die Erweiterung und Sanierung vorhandener Betriebshöfe und Werkstätten, in denen die Wartung und Instandsetzung des Fuhrparks durchgeführt wird.
Die Straßenbahn wird langfristig der Hauptverkehrsträger im innerstädtischen ÖPNV Leipzigs sein. Somit ist es eine Aufgabe von steigender Bedeutung, die Fahrzeuge betriebsbereit zu erhalten. Unter diesem Aspekt wurde das Gesamtkonzept des Technischen Zentrums Heiterblick entwickelt. Zusammen mit den Betriebshöfen Angerbrücke und Dölitz bildet es ein funktionelles Dreieck, das den Anforderungen an moderne und leistungsfähige Straßenbahn-Betriebshöfe entspricht.
Gebäudesubstanz
Am Standort Heiterblick soll die Hauptwerkstatt (Baujahr 2014, 13 000 m2 BGF) um eine ebenso große Betriebswerkstatt (14 000 m2 BGF) ergänzt werden. Am Standort sind außerdem vier Altbauten (Casino, Sozialgebäude, Verwaltungsgebäude, Alte Pforte) sowie eine Instandhaltungswerkstatt in einer teilsanierten Altbauhalle (12 000 m2 BGF) und Lagerflächen im unsanierten Teil dieser Halle vorhanden (Bild 1).
Projektkonstellation
Der Generalplaner iproplan / Ingenieur-Consult Leipzig (ICL) verantwortet die Gesamtplanung für die Erweiterung des Standorts Heiterblick um die Betriebswerkstatt. In diesem Zuge soll zudem das Energiekonzept des Standorts überarbeitet werden. Für die TGA-Planung unterstützte das Büro Prof. Scheibe.
Zusätzlich zur klassischen Planung nach HOAI, die durch die TGA-Planer der Büros iproplan und Prof. Scheibe vollumfänglich für die KG 300 und KG 400 durchgeführt wurde, erfolgten Vor-Ort-Zusatz-Messungen mit Wärmefokus sowie die Auswertung historischer Messdaten aus der Gebäudeleittechnik (GLT) in den Bestandsgebäuden.
Basierend darauf konnte ein an der Realität abgeglichener digitaler Zwilling (Modell von Gebäude, Haustechnik und entsprechenden Reglern) erstellt werden, der für die Auswahl einer geeigneten Zukunftsvariante von hohem Interesse ist. Die erweiterte Messung und Datenauswertung sowie Simulation sind Sonderleistungen und wurden vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS im Institutsteil Entwicklung Adaptiver Systeme EAS Dresden (Fraunhofer IIS/EAS) erbracht.
Nahwärmenetz und Nahwärme-Erzeugung, Dampfnetz (Ist)
Die Beheizung der Altbauten erfolgt bisher aus einem Nahwärmenetz, wobei die Hauptwerkstatt, Baujahr 2014, einen wesentlichen Verbraucher darstellt. (Bild 2) zeigt die Übersicht des Nahwärmenetzes im Ist-Zustand, welches als Heißwassersystem ausgeführt ist.
Die Wärmeerzeugung erfolgt im Contracting mittels eines Dampf-Heizkessels, eines Gas-Brennwertheizkessels und eines BHKW. Der Dampf-Heizkessel versorgt weiterhin bisher energetisch unsanierte, alte Gebäudeteile über ein kleines Dampfnetz, welches perspektivisch ersetzt werden soll, aber noch nicht Gegenstand der aktuellen Betrachtungen war.
Erzeugungsanlage in der Hauptwerkstatt (Ist)
Die Beheizung der relativ modernen Hauptwerkstatt (Baujahr 2014) erfolgt auf zwei Temperaturniveaus und ist in (Bild 3) schematisch dargestellt. Neben den Hochtemperaturheizkreisen zur Versorgung der allgemeinen Raumlufttechnischen Anlagen, Torluftschleier und statischen Heizflächen existiert ein Niedertemperaturheizkreis für die Fußbodenheizung. Letzterer kann im Sommer zur Kühlung verwendet werden. Während die statischen Heizkreise zur Beheizung von Büro- und Sozialräumen dienen, erfolgt die Konditionierung der Werkhalle über die Fußbodenheizung und Wandheizungen in den Arbeitsgruben.
Während die Hochtemperaturheizkreise vom Nahwärmenetz am Standort Heiterblick versorgt werden, existiert für die Fußbodenheizung eine komplexe Erzeugungsanlage, welche nur im Spitzenlastfall bivalent parallel durch das Nahwärmenetz unterstützt wird. Die Anlage zur Erzeugung von Niedertemperaturwärme besteht aus zwei Wärmepumpen, die auf einen gemeinsamen Pufferspeicher arbeiten. Als Wärmequellen dienen drei verschieden große Erdsondenfelder, welche beide Wärmepumpen gemeinsam versorgen. In den Pufferspeicher wird zusätzlich Wärme aus der Wärmerückgewinnung einer Druckluftanlage eingespeist.
Vorgehensweise
Im Rahmen der Planung der neuen Betriebswerkstatt (BW) sollte zunächst geprüft werden, inwiefern die 2014 fertiggestellte Hauptwerkstatt als Vorlage dienen kann. Dazu wurde deren Anlagenkonzept anhand von Messungen und der Auswertung historischer Daten der GLT zunächst bewertet und Empfehlungen für deren regelungstechnische Optimierung erarbeitet.
Im Rahmen der Überprüfung des Energiekonzepts des Standorts mussten an verschiedenen Stellen des Nahwärmenetzes zusätzliche Messreihen aufgenommen werden: Die historisch vorhandenen Messdaten beschränkten sich im Wesentlichen auf monatliche Ablesewerte verschiedener Wärmemengenzähler der Liegenschaft und vereinzelte Temperatur- und Pumpenwerte am Hauptverteiler des Nahwärmenetzes. Geeignete historische Messdaten waren somit nicht ausreichend vorhanden.
Zur messtechnischen Erfassung der wirklich relevanten Verbraucher wurden zunächst Kurzzeitmessungen an den Hauseinführungen bzw. wesentlichen Verteilerabhängen durchgeführt. Um die thermische Einspeiseleistung zu ermitteln, kam ausschließlich nichtinvasive Sensorik zum Einsatz: Temperaturanlegefühler und Ultraschall-Volumenstrommessung.
Für die dominierenden Verbraucher wurde anschließend eine vertiefte und verlängerte Messkampagne durchgeführt (Bild 4). Neben einer Volumenstrom- und Temperaturmessung an den jeweiligen Hauseingängen wurden zusätzlich an allen Verteilerabgängen Temperatursensoren installiert.
Die Sensoren werden an vom Fraunhofer IIS/EAS entwickelten Messboxen angeschlossen und die erfassten Daten mittels LTE-Router live auf Fraunhofer-Server gestreamt. Dafür kam das eigenentwickelte Framework iot.deepinsights.de zum Einsatz. Dadurch ist eine kontinuierliche Datenauswertung möglich und es konnten schon während des Messzeitraums Verbesserungsvorschläge für den aktuellen Betrieb gegeben werden.
Aufgrund dieser Messungen, welche für einige Winterwochen aufgezeichnet wurden, konnten Lastcharakteristiken der einzelnen Verbraucher im Nahwärmenetz ermittelt werden. Darauf basierend wurde ein Simulationsmodell verifiziert, um die Betrachtungszeit simulativ auf weitere Jahreszeiten ausdehnen zu können.
Die Simulation wurde mit Modelica erstellt. Zum Einsatz kamen Open-Source-Modelica-Modelle aus den Bibliotheken AixLib und Buildings. Es wurde ein grobes Simulationsmodell für das Nahwärmenetz und ein detailliertes Modell für die Hauptwerkstatt erstellt.
Ausgewählte Erkenntnisse
Aus der Analyse der Messdaten sowie dem Abgleich von Messdaten und Simulation konnten im Bestand mehrere Betriebsfehler, ungünstige Reglereinstellungen sowie Einspar- und Optimierungspotenziale angeleitet werden. Nachfolgend werden ausgewählte Erkenntnisse vorgestellt.
Aus der (Basis-)Messdatenanalyse im Nahwärmenetz
Die Messkampagne im Nahwärmenetz zeigte in Kombination mit den bereits in der GLT vorhandenen Datenpunkten hydraulisch ungünstige Bedingungen auf:
Im letzten Heizkreis des Standort-Hauptverteilers kommt es zu einer erheblichen Überströmung vom Rücklauf in den Vorlauf, was mit einer deutlich abgesenkten Vorlauftemperatur einhergeht (Bild 5). An der Hauptwerkstatt kommt es hingegen zu einer nennenswerten Überströmung vom Vorlauf in den Rücklauf, was in einer deutlich erhöhten Rücklauftemperatur resultiert (Bild 6). Konkret hat dies negative Auswirkungen auf die Nutzung des Brennwerteffekts in der Erzeugungszentrale.
Durch die Erkenntnisse aus der Messkampagne wurden die Pumpenleistungen der Verteiler justiert, sodass nun ein ausgeglichener Sollzustand erreicht wird und zugleich der Energieeinsatz für die Pumpen reduziert wurde.
Neben den unerwünschten Temperaturvermischungen führen die unausgeglichenen hydraulischen Zustände zu Schwankungen in den Netztemperaturen (siehe z. B. Bild 6), welche zu erhöhtem Verschleiß von Stelleinrichtungen führen.
Statt der unkontrollierten Rücklaufbeimischung wäre eine kontrollierte außentemperaturgeführte Absenkung der Vorlauftemperatur sinnvoll, um auch in Übergangs- und Schwachlastzeiten den Brennwerteffekt des Haupterzeugers nutzen zu können.
Alle der genannten Probleme ließen sich mit optimierten Parametrierungen der Stell- und Regeleinrichtungen beheben und benötigten keinen oder nur einen minimalen Umbauaufwand. Hierfür konnte ein weiterer Nutzen aus der Simulation gezogen werden, wo sich optimale Reglereinstellungen ohne Iterationen im realen Objekt zuverlässig finden lassen.
Aus der erweiterten Datenanalyse (GLT Hauptwerkstatt)
Durch die detaillierte Auswertung der Mess- und GLT-Daten über einen Zeitraum von über drei Monaten im Winter konnten diverse Betriebsfehler in der Hauptwerkstatt erkannt werden, welche auf erhebliches Energieeinsparpotenzial von ca. 10 – 20 % des Jahres-Gesamtverbrauchs hindeuten:
Die Wärmepumpen werden mit unnötig hohen und somit ineffizienten Vorlauftemperaturen betrieben (Puffer-Soll-Temperatur im oberen Bereich auf konstant 45 °C eingestellt). In den angeschlossenen Fußbodenheizkreisen erfolgt dadurch eine permanente Abmischung mit Rücklaufwasser. Die Jahresarbeitszahl der erdreichgekoppelten Wärmepumpen könnte somit deutlich höher sein, wodurch weniger Strom verbraucht würde.
Die Fußbodenheizung wird mit Nachtabsenkung und Heizkurve betrieben, dies widerspricht dem eigentlichen Konzept, dass die Fußbodenheizung die Basislasten der Werkhalle abdeckt. Im Ergebnis werden die Stellaktuatoren unnötig abgenutzt.
Es kommt zu einer permanenten Wärmeabnahme aus dem Nahwärmenetz in den Niedertemperaturheizkreis, auch wenn dessen Erzeugungskapazität noch nicht ausgeschöpft ist (Bild 7). Die aufwendige Wärmepumpentechnik kann ihre Wirkungsgradvorteile und die Wirtschaftlichkeit ihrer Investition somit nicht ausspielen. Stattdessen wird teure und größtenteils fossil erzeugte Energie aus dem Nahwärmenetz zusätzlich bezogen.
Auch in der Niedertemperaturheizanlage der Hauptwerkstatt gibt es hydraulische Fehlströmungen, welche sich an deutlichen Temperaturverlusten zeigen. Hinzu kommen in dieser Anlage Temperaturschwankungen, welche in der zentralen Erzeugung des Nahwärmenetzes entstehen. Das führt zu erhöhtem Verschleiß der Stelleinrichtungen.
Im Hochtemperaturkreis ließ sich zudem ein unnötig langer Betrieb der Torluftschleier beobachten, welcher auf ungünstig schaltende Torschlusskontakte zurückzuführen ist.
Zu einem großen Teil kann und konnte das erkannte Energie- und Kosteneinsparpotenzial durch Anpassungen der Regelung, unterstützt durch den digitalen Zwilling aus dem Simulationsmodell, generiert werden, ohne mechanische Veränderungen an der Anlagentechnik vornehmen zu müssen.
Nachdem die Regelung angepasst wurde, sollte im besten Fall eine mindestens jährlich stattfindende Überprüfung der Regelung samt Randbedingungen durchgeführt werden, da durch Umbauten, Reparaturen, Nutzungsänderungen, (vergessene) Handeinstellungen und vieles mehr eine zuvor optimierte Regelung zunichtegemacht werden kann. Selbiges wird auch für den Neubau und weitere Liegenschaften empfohlen. Weiterhin sollten künftig Zähler für große Verbraucher vorgesehen bzw. nachgerüstet werden, um umgesetzte Energieeinsparmaßnahmen überprüfen und bewerten zu können.
Aus der Simulation der Hauptwerkstatt
Endenergie, Kosten und Primärenergiebedarf der Hauptwerkstatt sind dominiert durch die Hochtemperaturanlage. Ein großer Anteil der Heizlast ist durch die an den Toren eindringende Kaltluft verursacht (Bild 8). Deshalb sollte auf eine zügige und konsequente Schließung der Tore im Winter geachtet und ggf. der Einsatz von Kaltluftschleiern geprüft werden.
Die Simulationsergebnisse der Niedertemperaturanlage zeigen eine große Sensitivität bezüglich der Nutzungsrandbedingungen. Die angesetzten inneren Lasten sind so hoch, dass sie einen Großteil der Heizung im Winter übernehmen und im Sommer einen erheblichen Kühlbedarf verursachen. Da beides über die Erdsondenfelder (Winter: Wärmepumpenbetrieb, Sommer: Freie Kühlung) abgedeckt wird, ist deren Jahresbilanz relativ ausgeglichen, d. h. im Jahressaldo wird in etwa so viel Energie in das Erdreich eingetragen wie im Winter benötigt wird (Bild 9).
Der geringe Saldo kann durch natürliche Regeneration kompensiert werden. Die Auslegung des Sondenfeldes erfolgte 2012 über einen Thermal Response Test. Gegenüber den ermittelten Werten bestehen erhebliche Leistungsreserven, deshalb wurde durch das Planungsteam geprüft, ob Teile der „statischen Heizung“ mit dem niedrigeren Temperaturniveau versorgt werden können, um den Nahwärmebedarf weiter zu senken oder ob die Reserven anderweitig eingesetzt werden können.
Die für die Hauptwerkstatt beschriebenen Probleme bezüglich der Nichtausnutzung der erneuerbaren Heizkapazität hängen mit einer ungünstigen hydraulischen Verschaltung am Pufferspeicher zusammen, dies ist beim Neubau der weiteren Betriebswerkstatt zu beachten und optimiert zu gestalten.
Aus der Simulation des Nahwärmenetzes
Um zu prüfen, inwiefern Reserven für zukünftige Erweiterungen im Nahwärmenetz bestehen, wurde ein Simulationsmodell (Bild 10) desselben aufgebaut und mit historischen Daten validiert. Aufgrund des Umfangs des Nahwärmenetzes und der sehr lückenhaften Ausgangsdatenlage musste jedoch für das Nahwärmenetz ein anderes Vorgehen bezüglich Erstellung und Datenabgleich für das Simulationsmodell gewählt werden.
Mithilfe der Messkampagne mit der nichtinvasiven Zusatzsensorik und den Fraunhofer-Datenerfassungsboxen, die die Daten direkt auf einen Fraunhofer-Server streamen, wurden zunächst mittels Datenanalyse die Großverbraucher identifiziert. Anschließend wurden in der Modelica-Umgebung für diese Verbraucher die einzelnen Heizkreise modelliert, um den unterschiedlichen Lastcharakteristiken Rechnung zu tragen:
● RLT-Anlagen
● Trinkwassererwärmung
● statische Heizflächen
Die Parametrierung der statischen Heizflächen erfolgte mit einer Abschätzung der Umfassungsflächen aus frei verfügbaren Karten. Für die Abbildung der Bauhülle / Bauphysik wurden typische Werte entsprechend des Baualters und auf Basis vorhandener Zeichnungsinformationen angesetzt.
Für die konkreten RLT-Anlagen erfolgte die Parametrierung auf Basis der Luftmengen und vorhandener Nutzungszeiten bzw. Schichtpläne. Letztere sind neben der Anzahl der anzusetzenden Personen auch ein wesentlicher Faktor für die Trinkwassererwärmung.
Für die kleineren Verbraucher (Pforte, Verwaltungsgebäude) wurde ein vereinfachendes Kennlinienmodell (Bild 11) verwendet, dieses wurde anhand der stichprobenhaften Messungen kalibriert.
Mit dem hier angedeuteten Vorgehen aus Stichprobenmessungen als Ausgangspunkt war es möglich, Extrapolationen für die Systemantworten über den Temperaturverlauf eines ganzen Jahres zu erstellen. Als Referenz konnten zusätzlich die Energieverbräuche vergangener Jahre verwendet werden, die hinsichtlich des Simulationsabgleichs allerdings sehr grob aufgelöst vorlagen.
Bild 12 zeigt die Gegenüberstellung der Jahresenergieverbräuche/-erzeugung für Simulation und Messungen soweit vorhanden. Für die Verbraucherseite existieren die Ablesewerte bislang nur für 2020, dem Vorjahr der Simulationserstellung. Es zeigt sich, dass die Simulation die korrekte Größenordnung liefert, tendenziell aber leicht zu hohe Energieverbräuche ermittelt.
Eine wesentliche Ursache dafür ist, dass unterschiedliche Wetterdaten zugrunde liegen: Die Simulation basiert auf dem Testreferenzjahr Potsdam, während die Messdaten sich aufgrund des realen Wetters ergeben. Das Testreferenzjahr Potsdam wurde gewählt, weil es maßgeblich für die Betrachtungen nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist. Berechnet man die stündliche Temperaturdifferenz zwischen einer angenommenen Raumtemperatur von 20 °C und der Außentemperatur und summiert diese für alle Jahresstunden auf, sind 15 % mehr Heizarbeit von Simulation im Vergleich zu Messung zu erwarten. Auch der Vergleich für den Verbraucherstrang Altbau, basierend auf Monatswerten, korreliert zu obiger Erkenntnis (Bild 13).
Darüber hinaus ist die Grundlast im Sommer ein wesentlicher Indikator für den Wärmeverbrauch bzgl. reiner Trinkwassererwärmung (Sanitärräume, etc.). Die gewählten Ansätze konnten somit bestätigt werden, der digitale Zwilling war hinreichend genau.
Fazit aus der Simulation des Nahwärmenetzes
Die Simulation des Nahwärmenetzes zeigt deutliches Optimierungspotenzial in der Erzeugungsanlage: Das BHKW hat ein Potenzial für bis zu 265 Vollasttage im Jahr, die Regelung in der Energiezentrale sollte so eingestellt werden, dass dies auch annähernd erreicht wird.
Reserven für die Versorgung der Betriebswerkstatt sind in der Energiezentrale vorhanden, deshalb muss nicht, wie ursprünglich geplant, ein weiterer Erzeuger für die vorgesehenen Erweiterungen zugebaut werden.
Für eine zusätzliche Bestückung der Energiezentrale mit einem weiteren BHKW, um die Eigenversorgung mit Strom zu erhöhen, wurden mögliche Laufzeiten auf Basis der Jahresdauerlinie der Verbraucher abgeschätzt. Die Simulationsergebnisse wurden als Basis für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen genutzt.
Folgende Punkte stellen den Vorteil des digitalen Zwillings heraus:
● Ableiten von optimalen Reglereinstellungen im laufenden Betrieb
● konkrete Problemdetektion im laufenden Betrieb, beispielsweise bezüglich des Hydraulikkonzepts im Abgleich mit dem tatsächlichen Nutzungsszenario
● Basis für Zukunftsvarianten hinsichtlich
• Austausch / Erneuerung von Komponenten inklusive Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sowohl unter aktuellen als auch zukünftigen Randbedingungen
• Ausgangsbasis für die Bewertung zukünftiger Standorterweiterungen unter Beachtung bestehender Reserven, beispielsweise in Anbetracht der Kapazitäten vorhandener Erdwärmesondenfelder etc.
Fazit für Bestandsanlagen
Die Bewertung von Erzeugungsanlagen für Wärme und Kälte wird immer komplexer bezüglich der gesteckten Ziele, die Komfortanforderungen effizient und umweltschonend zu erfüllen. Diese Komplexität kann nicht mit demselben Fachwissen und Zeitbudget des Facility-Managers (früher: Hausmeister) beherrscht werden, wie das bei konventionellen Heizungen mit wenigen Erzeugern der Fall war, die zudem weitestgehend unabhängig von äußeren Randbedingungen funktionierten.
Auffallend ist, dass hierzu der Umdenkprozess noch nicht abgeschlossen ist. Letztlich laufen somit häufig die teuer installierten Anlagen deutlich weniger effizient, als es geplant war. Oft werden diese neuen, hochmodernen Anlagen meist mit der Hersteller-Standard-Reglerkonfiguration betrieben und verschenken dadurch Effizienzpotenzial. Ein Beispiel sind zu hohe und feste Vorlauftemperaturen der Erzeuger, welche in Fußbodenheizkreisen anschließend mit Rücklaufwasser abgemischt werden.
Bei der Modernisierung und Erweiterung sind generell folgende Verbesserungsansätze denkbar:
● intensive Inbetriebnahmephase mit Monitoring sowohl der Temperaturen, als auch der zugehörigen Energieverbräuche und Abgleich mit Sollwerten (z. B. aus Prognoserechnungen/-simulationen)
● Ausbau von Kompetenz und Zeitbudget zur Anlagenbetreuung (Inhouse-Know-how oder assoziierte Beratungspartner)
● längerfristig: Ersatz / Unterstützung dieser Aufgaben durch Künstliche Intelligenz (KI)
Für alle diese Maßnahmen ist Messtechnik eine notwendige Voraussetzung. Idealerweise wird diese fest eingebaut, ersatzweise kann mobile Messtechnik zu ausgewählten Zeitpunkten zum Einsatz kommen.
Aktuelle Ansätze am Fraunhofer EAS zeigen Möglichkeiten auf, welche anhand der Temperaturrandbedingungen automatisch den Verbrauch mit Vergleichszeiträumen benchmarken und per Push-Nachricht eine Anomalie im System mit konkreter Lokalisationsangabe senden. Eine interaktive Demoplattform steht hierzu bereits unter https://autobench.eas.iis.fraunhofer.de/ online.
Auf Basis der hier im Projekt genutzten Datenplattform auf einem Fraunhofer-Server lassen sich mit KI-Ansätzen weiterhin zügig Korrelationen und zukünftig auch Kennfelder erfassen. Das ist insbesondere bei komplexen Anlagen von Vorteil, um mehrere Erzeuger jeweils so zu betreiben, dass das kombinierte Kennfeld sich möglichst effizient und somit CO2-sparsam darstellt.
Fazit für Planung von Neuanlagen
Simulationsunterstützung in der Planung ist sinnvoll, da die Komplexität der heutigen Anlagen immens ist und zugleich deren Betriebsmodi / Kennfelder über verschiedene Jahreszeiten hinweg auch für erfahrene planende Ingenieure schwer zu erfassen ist. Die Auswahl idealer Betriebspunkte setzt die Betrachtung einer Vielzahl verschiedenster Betriebszustände voraus, insbesondere Teillastverhalten ist dabei in Heizungsanlagen von hoher Bedeutung.
Ebenso wie eine reale Anlage muss auch eine Simulation „in Betrieb genommen“ werden, dabei können Probleme, die ansonsten erst bei Inbetriebnahme der Realanlage auffallen würden, rechtzeitig erkannt und umgangen werden. Die Inbetriebnahme eines Simulationsmodells erfordert die Klärung von Detailfragen, welche ansonsten erst später (gegebenenfalls zu spät) in der Planung auf den Tisch kommen. Alleine dieser Punkt ist von großem Nutzen, da Fehler vor dem Einbau und der Parametrierung am Realobjekt vermieden werden.
Simulationsmodelle können nach der Planungsphase als Benchmark für den geplanten Anlagenbetrieb dienen und ermöglichen somit, den späteren Betrieb zu bewerten und an den Sollzustand anzupassen.