Labore und Reinräume stellen ganz besondere Anforderungen an die dort eingesetzte Gebäudetechnik. Durch die Vernetzung aller Bereiche vom Labor über Reinraum und Lager bis hin zur Energieversorgung verschmelzen die digitale und die physische Welt.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Im Life-Science-Betrieb der Gegenwart werden zahlreiche Projekte im Bestand oder für Neubauten noch mit vielen einzelnen Systemen geplant, die dann nachträglich aufwendig verbunden werden müssen.
■ Ziel muss stattdessen von vornherein sein, ganzheitlich zu planen. Betreiber, die ihre Infrastruktur innerhalb eines einzigen Systems planen, betreiben und optimieren, erhalten Betriebsumgebungen, in deren Mittelpunkt smarte Gebäude stehen.
■ Erst smarte digitale Services bieten die Transparenz in der Infrastruktur, die Betreiber von Life-Science-Umgebungen der Zukunft erwarten – zum Beispiel durch Daten, die aus dem Gebäude gesammelt werden.
Steigende Kosten für elektrische Energie zwingen auch die Life-Science-Branche zu mehr Effizienz. Hinzu kommen Unsicherheiten über die künftige Gasversorgung: In Forschung und Produktion gilt es, höchste Ausfallsicherheit zu schaffen, um Forschungsaktivitäten aufrecht zu erhalten und Lieferverträge fristgerecht zu erfüllen. Entsprechend komplex und vielschichtig sind die Herausforderungen für Betreiber von Laboren und Reinräumen. Mit einer fokussierten Unterteilung lassen sich sieben Kernbereiche identifizieren, die sie betrachten müssen:
● Der Energieverbrauch und die Betriebseffizienz müssen optimiert werden.
● Ausfallzeiten müssen prognostizierbar und die Verfügbarkeit erhöht werden.
● Qualität und Produktivität müssen verbessert werden.
● Remote-Management-Technologien müssen aufgebaut und etabliert werden.
● Digitale Sensorik muss Einzug in das Facility Management erhalten.
● Echtzeitanalysen und Datenvisualisierung müssen als Tool genutzt werden.
● Digitale Services und smarte Geschäftsmodelle müssen evaluiert und implementiert werden.
Digitalisierung bietet Chancen und Wettbewerbsvorteile
Ein Blick auf den Life-Science-Betrieb der Gegenwart verdeutlicht die Herausforderungen der Zukunft besonders anschaulich. Zahlreiche Projekte im Bestand oder für Neubauten werden heute noch mit vielen einzelnen Systemen geplant: In der Gebäudeautomation etwa Zutrittskontrolle oder Brandmeldetechnik, in der Life Science Monitoringsystem und Arbeitsanweisungen, im Enterprise Resource Planning (ERP) verschiedene Lager- und Logistikmanagementsysteme. Um einen zuverlässigen Betrieb zu ermöglichen, müssen all diese Systeme dann nachträglich verbunden werden.
Diese klassische Planung bietet wenig Flexibilität: Soll ein Labor- bzw. Produktionsbereich oder auch nur ein einzelner Raum an eine geänderte Nutzungsanforderung angepasst werden, müssen Umbaumaßnahmen in verschiedenen Systemen und mit vielen Einzelmaßnahmen geplant und individuell durchgeführt werden – das Potenzial für Fehlerquellen ist hoch und die Zeit bis zur Rückkehr zum Regelbetrieb lang.
Ziel muss stattdessen von vornherein sein, ganzheitlich zu planen. Betreiber, die ihre Infrastruktur innerhalb eines einzigen Systems planen, betreiben und optimieren, erhalten Betriebsumgebungen, in deren Mittelpunkt smarte Gebäude stehen, die die Belegschaft in einer effizienten, flexiblen Arbeitsweise unterstützen. Die somit erreichte Flexibilität bietet zudem Investitionsschutz und kann die Wertschöpfung entscheidend erhöhen.
Der Life-Science-Campus der Zukunft ist smart und vernetzt
Anbieter mit Life-Science-Expertise betrachten die einzelnen Bereiche des Betriebs nicht getrennt voneinander, sondern ganzheitlich. Denn der smarte Life-Science-Campus bietet Betreibern Mehrwerte, die durch die Vernetzung der einzelnen Gewerke entstehen. Im Mittelpunkt steht die smarte Life-Science-Umgebung. Sie beinhaltet sämtliche Gewerke und vernetzt diese intelligent miteinander.
Das Stromnetz ist im betrieblichen Alltag sowohl für das Personal als auch für den Betreiber am wenigsten sichtbar. Dennoch spielt eine stets verfügbare Stromversorgung eine wesentliche Rolle für den zuverlässigen Betrieb. Um die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit zu erhöhen, intelligente Funktionen zu bieten und die Verteilung und Steuerung effizient zu vernetzen, sind heute smarte Geräte für die gesamte Wertschöpfungskette verfügbar:
● Messung
● Wechselrichter und Speicherung
● Microgrid, Prosumers (Verbraucher, die auch eigenen Strom produzieren)
● Verteilte Erzeugung
● Stromeinspeisung und -verteilung (Mittel- und Niederspannungsnetz)
● Brandschutz
Um diese Flexibilität zu bieten, sind Modularisierung und Standardisierung aus der Energieversorgung im Life-Science-Umfeld nicht mehr wegzudenken. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist der Einsatz von Schienenverteiler-Systemen. Im Vergleich zur konventionellen Verkabelung benötigen Schienenverteiler-Systeme deutlich wenige Platz und haben eine wesentlich geringere Brandlast.
Alle wichtigen elektrischen Eigenschaften sind durch die industrielle Fertigung der Komponenten ab Werk sichergestellt. Die Fehlerbehebung wird erheblich vereinfacht, die integrierte Kurzschlussfestigkeit sorgt für Sicherheit im Betrieb. Durch den modularen Aufbau sind sie einfach und schnell zu installieren.
Vor allem aber bieten Schienenverteiler eine sehr hohe Flexibilität, denn über die sogenannten Abgangskästen ist es jederzeit möglich, einfach und schnell neue Verbraucher zu versorgen oder bestehende Verbraucher neu anzuordnen. Dabei können Schienenverteiler-Systeme auch für die Übertragung von Daten aus kommunikationsfähigen Schutz-, Schalt- und Messgeräten genutzt werden.
Gebäudetechnik und Life-Science-Lösungen werden in Einklang gebracht
Wie die Stromversorgung erhalten auch Gebäude intelligente Funktionen: Das Stichwort lautet Smart Building. Der ganzheitliche Ansatz der Vernetzung des zeitgemäßen Life-Science-Campus zeigt sich in dieser Dimension besonders deutlich, denn er verbindet unterschiedlichste Bereiche.
Die Gebäudeautomation erlaubt heute die umfassende Überwachung, Steuerung und Regelung sämtlicher Gebäudekomponenten – von der Beleuchtung und Energieanbindung über Heizung, Lüftung und Klimatisierung, Safety und Security bis hin zur Drittanbieterintegration. Eine intelligente Gebäudemanagementplattform ermöglicht Betreibern die einfache Bedienung und Überwachung des gesamten Systems – von der Anlagen- bis zur Raumautomation und dem Monitoring kritischer Datenpunkte.
Da Gebäude und Räumlichkeiten in der Life-Science-Industrie sich maßgeblich von Gewerken übriger Branchen unterscheiden, müssen Betreiber auf Anbieter setzen, die die branchenspezifischen Besonderheiten ihres Umfelds kennen und über entsprechende Expertise verfügen. Um langfristigen Investitionsschutz zu gewährleisten, sollten sie auch auf die Flexibilität von Komponenten wie Labordecken, standardisierte Verdrahtungsboxen für Laborabzüge und die Möglichkeit der vollständigen Einbindung aller Komponenten in die Managementplattform achten.
Digitale Lösung für alle Bereiche der Life-Science-Industrie
Der Blick auf die verschiedenen Ebenen des smarten Life-Science-Betriebs zeigt, welche Vorteile die Digitalisierung und Vernetzung der einzelnen Gewerke bietet. Um die gesamten Vorteile zu nutzen, die für smarte Labore heute verfügbar sind, können Betreiber sämtliche Komponenten mit intelligenten Fähigkeiten ausrüsten.
Die Managementplattform mit angeschlossener Plattform für das GxP1)-Monitoring verbindet dabei alle Aspekte und bietet Zugriff auf Raumautomation und Anlagenautomation. Auch untergelagerte Komponenten werden integriert:
● Raumbediengerät mit Dashboard
● Komponenten für den Brandschutz (Ansaugrauchmelder, Branddetektion, Löschen, Alarmierung, Evakuierung)
● Sicherheitskomponenten (Zutrittskontrolle, Einbruchsmeldung, Videoüberwachung)
● Reinraum-, Abzug- und Labor-Kompakt-Regler
● Temperatur- und Feuchtesensoren mit Kalibrierzertifikat
● Partikelzähler
● Strömungs- und Differenzdrucksensoren
● VVS-Klappen, Antriebe und Differenzdrucksensoren (VVS = Variabler Volumenstrom)
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GxP meint alle Richtlinien für eine „gute Arbeitspraxis“. Diese sind besonders für die Branchen Medizin, Pharmazie und pharmazeutische Chemie relevant. G steht für „Good“, P für „Practice“. x ist eine Variable, die stellvertretend für unterschiedliche Disziplinen steht, beispielsweise „L“ für „Laboratory“ (Good Laboratory Practice, GLP), „C“ für „Clinical“ (Good Clinical Practice, GCP), „M“ für „Manufacturing“ (Good Manufacturing Practice, GMP) oder „D“ für „Distribution“ (Good Distribution Practice, GDP).
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Für die Kommunikation sind einheitliche Standards wie BACnet und OPC UA verfügbar, und immer öfter werden auch API-Schnittstellen als Standardschnittstellen für die Informatik genutzt, um verschiedenste Systeme leicht anzubinden. So werden die Schnittstellen der einzelnen Komponenten und ihre Integration erheblich vereinfacht – die nachträgliche Verbindung der einzelnen Systeme untereinander entfällt, sodass Gewerke nach dem Neubau oder der Modernisierung schnellstmöglich in den Regelbetrieb übergehen können.
Cloud-Anbindung, IoT-Lösungen und Datenanalyse eröffnen Potenziale
Die Vernetzung sämtlicher Bereiche von Labor, Reinraum und der weiteren Gewerke in der Life-Science-Industrie wird erst durch die Digitalisierung möglich: Um diese ortsunabhängig rund um die Uhr zu überwachen und jederzeit an die gegebenen Anforderungen anzupassen, sind IoT-fähige Multisensoren unerlässlich.
Im Rahmen integrierter Lösungen für Labor und Reinraum kann diese digitale Form der Gerätekommunikation und -interaktion von vornherein sichergestellt werden. Die Sensoren werden beim Neubau oder Umbau direkt in der Decke oder der Leuchte verbaut. Ab der Inbetriebnahme liefern sie Daten für weiterführende Services und Funktionen: Raumtemperatur, Bewegungserkennung, Helligkeitsmessung und die Standortbestimmung sind Beispiele für die vielfältigen Möglichkeiten, die die Technologie bietet.
Immer öfter kommt bei modernen Gebäudemanagementsystem das One-Sensor-Prinzip zum Einsatz: Der Temperatursensor wird für die Messung der Temperatur genutzt, aber auch, um die Heizung zu regeln. Statt eines zweiten Sensors ist somit lediglich ein Signalverdoppler nötig. Das senkt die Kosten und der Aufwand für die Validierung wird erheblich reduziert.
Für all diese Aufgaben werden Daten gesammelt. Um daraus Informationen zu generieren, sind digitale Services nötig, die teilweise über abgesicherte Verbindungen in der Cloud laufen. An diesem Punkt kann die Schnittstelle von intelligenter Hardware zu intelligenter Software verortet werden. Erst smarte digitale Services bieten die Transparenz in der Infrastruktur, die Betreiber von Life-Science-Umgebungen der Zukunft erwarten – zum Beispiel durch Daten, die aus dem Gebäude gesammelt werden: Die digitale Inspektion der Gebäudeautomation mit automatischem Funktionscheck des Raums, etwa zur Funktion Heizen und Kühlen, ist auf diese Weise kein Problem mehr.
Regelbasierte Datenanalyse mit einem digitalen Zwilling
Die Möglichkeiten gehen jedoch weiter: Noch aufschlussreicher und komfortabler nutzen Betreiber das smarte Gebäude mit regelbasierter Datenanalyse. Betriebsdaten der TGA bilden dafür die Grundlage. Sie können automatisch nach Anomalien untersucht werden, wodurch ineffiziente oder fehlerhafte Prozesse direkt sichtbar werden.
Dabei werden nicht einfach Trends aufgezeigt, die vom Fachpersonal zeitintensiv visuell untersucht werden müssen. Die regelbasierte Datenanalyse ist smarter, denn die Analyse und Bewertung erfolgt kontinuierlich. Anomalien werden so automatisch erkannt, die verfügbare Zeit des Bedienpersonals kann in die Fehlerbehebung und Optimierung investiert werden. Für alle Anwendungen stehen Regelbibliotheken zur Verfügung oder werden adaptiert. Inkludiert in diesen Service sind regelmäßige Berichte, die Betreibern Aufschluss über die Effizienz ihrer Gewerke geben und Potenziale zur Optimierung aufzeigen.
Die regelbasierte Datenanalyse kann mit einem digitalen Zwilling selbst außerhalb der Gebäude genutzt werden, sowohl für die Planungs- als auch für die Betriebsphase. Das digitale Abbild der Gewerke bietet eine komfortable Übersicht über das gesamte Gebäude und kann ebenso einzelne Labore grafisch in den Blick nehmen, um Unterschiede in der Leistungsfähigkeit einzelner Bereiche eindeutig zu identifizieren.
Selbst Simulationen sind mit dieser Technologie möglich. Fluchtwege können auf Basis digitaler Daten und Künstlicher Intelligenz präzise bewertet und geplant werden; Brandschutzkonzepte und Brandabschnitte lassen sich einfach festlegen. Auf diese Weise wird die Planungsphase effizienter genutzt, der Bau verkürzt und die Nutzung kann früher beginnen.
Digitale Services unterstützen Dienstleister und Servicemitarbeitende
Eine smarte Gebäudemanagementplattform für die Life-Science-Industrie bietet die Fernwartung und Datenanalyse mit garantierten Ergebnissen, die Betreibern echte Mehrwerte bieten. Darin enthalten sind Performance-Analysen, eine gezielte Wartung und andere proaktive Aktionen, Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit sowie Betriebsanpassungen und Optimierungen aus der Ferne. Selbst Potenzial für Energieersparnis und eine ergebnisbasierte Berichterstattung sind auf diese Weise möglich.
Services zur Fernwartung und Datenanalyse können als Dienstleistung bedarfsgerecht gebucht werden. Betreiber können aus Hunderten von Szenarien genau die für sie passenden Optionen wählen, um Rückschlüsse auf den richtigen Umgang mit gegebenen Situationen zu erhalten.
Möglich werden diese Dienstleistungen durch die Nutzung von Big Data. Das Sammeln und Auswerten großer Datenmengen, die im Betrieb entstehen, hilft Betreibern etwa, Ineffizienzen durch regelbasierte Analyse zu erkennen. Auf Basis atypischer Fehlermustererkennung und Diagnose (FDD, Fault Detection and Diagnostics) können Optimierungsmaßnahmen (FIM, Facility Improvement Measures) empfohlen werden, etwa um nicht wirtschaftliche Systeme auszutauschen. Mit KPI-, Vergleichs- oder Energieberichten erhalten Betreiber umfassenden Aufschluss über Optimierungspotenziale der gesamten Infrastruktur.
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Gebäudeautomation