Binnen weniger Monate nach Fertigstellung ist das von Dipl.-Ing. Architekt Dirk Stenzel konzipierte „Holzhaus“ (Bild 1) für seine Architektur wie für die ökologische Herangehensweise mit einer Vielzahl renommierter Preise ausgezeichnet worden.
Ein Grund: Der Neubau auf dem Gelände einer ehemaligen Tankstelle wurde als erster 5-Geschosser in Leipzig komplett als Massivholzkonstruktion errichtet, obwohl die Landesbauordnung das eigentlich noch nicht hergab. Ökologisch vorbildlich ist dieses Bauen aber auf jeden Fall, denn in der Lebenszyklusbetrachtung ist Holz als Kohlendioxidspeicher ein besonders umweltverträglichster Werkstoff. Lediglich der Treppenhauskern mit Aufzugschacht, die Bodenplatte sowie die Abfangung der im Erdgeschoss freitragenden Gebäudespitze sind in dem Wohn- und Geschäftshaus aus Beton gefertigt. Ersteres aus brandschutztechnischen Gründen, Letzteres der Statik geschuldet.
Der zweite Grund: Energetisch erreicht das Objekt mit gemischter Nutzung, bezogen auf den Wohngebäudeteil, zwar schon aufgrund seiner Holzkonstruktion mit entsprechender Fassade den Effizienzhaus-55-Standard. Für Stenzel (Bild 6) aber war das nicht genug; ihm ging es vielmehr um einen Anspruch auf energetische Gesamteffizienz.
Darum Umweltwärme statt Fernwärme
Den zu erfüllen, wurde durch die gemischte Nutzung des Objektes allerdings schwierig, da sich im Erdgeschoss und 1. OG ein Büromöbelhandel mit ganz anderen energetischen Anforderungen befindet, als sie die vier Wohneinheiten in den daneben bzw. darüber liegenden Geschossen stellen. Denn während die großen Glasflächen der Gewerbeeinheit (Bild 2) im Sommer für einen massiven Wärmeeintrag sorgen, der natürlich abgefangen werden muss, haben die Wohneinheiten wiederum einen deutlich höheren, zudem zeitlich verschobenen Raumwärme- und Warmwasserbedarf.
Um die divergierenden Anforderungen aufzulösen, ließ Stenzel vom Ingenieurbüro für Energieeffizientes Bauen und Wohnen in Leipzig (IEBW) ein Energiekonzept aufstellen, das dezidiert sowohl die baulichen Rahmenbedingungen als auch die nutzerspezifischen Anforderungen aufnahm und in eine entsprechend aufgestellte TGA für Wärme / Temperierung und Trinkwarmwasser überführte.
Der Hintergrund: Anstelle der ortsüblichen Fernwärme sollte als Wärmequelle primär Umweltwärme dienen und damit Wärmepumpentechnologie, um den „grünen“ Leistungsanspruch des Bauherrn und seiner Kunden abzubilden. Wärmepumpen müssen aber bekanntermaßen möglichst präzise entlang des Bedarfs ausgelegt sein, um die prognostizierten Jahresarbeitszahlen zu erzielen.
Diese Gründe sprechen gegen zentrale Energietechnik
Den Rahmen für die differenzierte Betrachtung gab daher die Nutzung vor. Verkürzt: Die Gewerbeflächen mit ihren hohen, offenen Räumen und vielen Glasflächen benötigen tagsüber die meiste Heiz- oder Kühlleistung, während sich die Nutzung und damit der Bedarf der Wohnungen auf die Abende und die Wochenenden bündelt. Dort fällt aber an allen Tagen ein deutlich höherer Bedarf für die Trinkwassererwärmung an, der hingegen im Ladenbereich eine vernachlässigbare Größe ist.
Relativ schnell wurde so schon bei überschlägiger Berechnung deutlich, dass eine zentrale Energietechnik für beide Gebäudeteile unter Effizienz- und Kostenaspekten wenig zielführend war. In enger Abstimmung mit dem ausführenden Fachhandwerksunternehmen Daniel Kahlert, Leipzig, trennte Dipl.-Ing. Jörg Geißler l vom IEBW deswegen den Gewerbeteil des Neubaus anlagentechnisch vom Rest des Objekts ab.
Um die benötigte Heizleistung von 15 W/m2 im Auslegungsfall abzudecken, kam – vergleichsweise simpel – eine Luft/Wasser-Wärmepumpe mit aktiver Kühlung zum Einsatz. Die Flächenheizung in den Ladenräumen wird dabei im Sommer zur aktiven Kühlfläche, sobald die Sensoren des Raumtemperaturreglers die definierten Maximalwerte melden und die Luft/Wasser-Wärmepumpe flexotherm exclusive mit ihren beiden Außeneinheiten (Bild 4) in den aktiven Kühlbetrieb schaltet.
Den nur punktuell anfallenden Warmwasserbedarf in den Gewerberäumen deckt, genauso einfach, ein elektrischer Umlauf-Wasserheizer.
Erdwärme mit Solar verbinden
Denselben Wärmepumpen-Typ, aber in der Sole/Wasser-Ausführung mit 14 kW Leistung, setzte Geißler für die Versorgung der Wohneinheiten ein. Die Umweltwärme kommt hier über vier Erdsonden, die unter der ohnehin anzulegenden Hoffläche rund 90 m in Fels abgeteuft sind. Die Wärmepumpe hebt die Temperatur an und speist sie in einen 1500-l-Multifunktionsspeicher ein. Auf den Speicher ist zusätzlich eine thermische Solaranlage mit acht Kollektoren aufgeschaltet. Die Kollektoren wurden auf dem Flachdach nach Süden ausgerichtet aufgeständert. Der solare Deckungsgrad gesamt liegt bei etwa 23 %.
Für die Wohnungen flossen zudem, zumindest kalkulatorisch, wassergeführte Kaminöfen in die Wärmebedarfsberechnung ein. Sie sind in der KfW-Berechnung aber lediglich mit 10 % für die ergänzende Speicherladung im Winter angesetzt, also ein Abfangen der Spitzenlasten, da ihr Betrieb nicht kontinuierlich garantiert werden kann.
Gekühlt werden die Wohngeschosse passiv. Im Umkehrbetrieb führt dann die Sole/Wasser-Wärmepumpe die Wärmelast über die Flächenheizsysteme in den Wohnungen auf die Erdsonden zurück. Das bringt mit geringem Energieeinsatz für die Umwälzpumpen eine messbare Temperaturreduzierung.
So wird die Umweltwärme maximal ausgenutzt
Dass beim Neubau an der Felsenkellerstraße zwar mit einem konstruktiv identischen Wärmepumpentyp, aber zwei unterschiedlichen Wärmequellen gearbeitet wurde, hatte im Übrigen auch ganz pragmatische Gründe: Der Baugrund in guter Innenstadtlage ist zu knapp bemessen, als dass weitere Tiefenbohrungen mit dem geforderten Grenzabstand von 3 m möglich gewesen wären.
Der identische Wärmepumpentyp war für Fachhandwerksmeister Kahlert gleichzeitig aber vorteilhaft, da losgelöst von besagten Wärmequellen die gesamte Hydraulik etc. in der Installation identisch ist; die Gesamtanlage inklusive Steuerung ohne Schnittstellenprobleme deutlich wirtschaftlicher herzustellen war. Dies galt im Holzhaus umso mehr, als dort „Neubauten-typisch in dem Haustechnikraum nur vergleichsweise wenig Platz zur Verfügung stand“, so Kahlert.
Vor Beginn der Arbeiten entwarf Kahlert deshalb auch für den Haustechnikraum zunächst ein Installationslayout, in dem wohl jeder Quadratzentimeter Platz bestmöglich ausgenutzt wurde (Bild 3). Kahler: „Das setzt nicht nur die entsprechende Erfahrung für den Platzbedarf bei der Erstinstallation voraus, sondern muss natürlich auch die später notwendigen Service- und Wartungsarbeiten schon vorab mit berücksichtigen.“
Der Architekt und sein Objekt
Dipl.-Ing. Architekt Dirk Stenzel hat es sich mit seinem „ASUNA – Atelier für strategische und nachhaltige Architektur“ zum Ziel gesetzt, Gebäude und urbane Räume entlang der drei Säulen der Nachhaltigkeit – Soziales, Ökonomie und Ökologie – zu betrachten und in eine Architektur zu überführen, die den schonenden Umgang mit Ressourcen und Bautechnik gleichermaßen berücksichtigt. Der Neubau Holzhaus Leipzig in Lindenau ist dafür gewissermaßen prototypisch, da der Architekt hier auch als Investor bzw. Initiator der Bauherrengemeinschaft aktiv wurde.
Der umgesetzte Nachhaltigkeitsgedanke sorgte bundesweit für Anerkennung. So ist der „Fünfgeschosser aus Brettsperrholz“ unter anderem mit dem Sächsischen Staatspreis für Baukultur 2019, dem Sächsischen Holzbaupreis 2019 sowie dem BDA-Preis Sachsen 2019 ausgezeichnet worden und erhielt eine Anerkennung im Rahmen der Vergabe des BDA Preis Sachsen 2019. Beim deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur 2020 konnte sich Stenzel als Finalist unter den Top 3 platzieren. Besonders bemerkenswert ist an dieser Stelle die Begründung der Jury: „Durch die Eigeninitiative der privaten Bauherren […] wird eine bürgerschaftliche Alternative zur Baufinanzierung durch Investoren oder Kommunen gefunden. Bauträgererlöse werden nicht angestrebt, so kann sich die Konzentration auf die Qualität des Bauens an sich richten.“
Holzhaus Leipzig
Gewerbefläche
Gebäudevolumen Ve: 2251,9 m3
Gebäudenutzfläche AN: 720,6 m2
Gebäudehüllfläche A: 1010,3 m2
Primärenergiebedarf Q"p: 101,92 kWh/(m2 ∙ K)
Endenergiebedarf QE: 30 578 kWh/a
Wohnfläche
Gebäudevolumen Ve: 2482,1 m3
Gebäudenutzfläche AN: 794,3 m2
Gebäudehüllfläche A: 1185,4 m2
Primärenergiebedarf Q"p: 25,76 kWh/(m2 ∙ a)
Transmissionswärmeverluste H"T: 0,36 W/(m2 ∙ K)
Heizwärmebedarf qh: 33,93 kWh/(m2 ∙ K)
Trinkwassererwärmung Qtw: 9928 kWh/a
Endenergiebedarf QE: 9564 kWh/a
So macht sich der Mehraufwand bezahlt
Das Energiekonzept für das Leipziger Holzhaus hat zwar im Vorfeld einen deutlich höheren Planungsaufwand verursacht, zahlt sich aber in der Betriebsphase mehr als aus: Die Jahresarbeitszahl (JAZ) der Sole/Wasser-Wärmepumpe ist mit 4,81 ausgewiesen, die JAZ der Luft/Wasser-Wärmepumpe für die Gewerbeeinheit erreicht 4,8.
„Diese gerade für ein solches Objekt mit gemischter Nutzung sehr guten Werte sind definitiv nur zu erreichen, weil mit Blick auf den bevorzugten regenerativen Wärmeerzeuger die Nutzungseinheiten und ihre wärmespezifischen Anforderungen getrennt betrachtet wurden“, bestätigt Vaillant Verkaufsberater Hartmut Rokosch.
„Dann ist es möglich, die Wärmepumpen auf ihren optimalen Betriebspunkt hin auszulegen und über den Systemverbund der Anlagen zugleich individuelle Bedürfnisse, wie eine komfortable Warmwasserversorgung oder die ressourcenschonende Abfuhr hoher Wärmelasten, zusätzlich in die Anlagenkonzeption einfließen zu lassen.“
www.asuna-leipzig.de www.iebw.de www.kahlert-heizung.de www.vaillant…
Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe 04-2021 des TGA Fachplaners unter dem Titel „Anlagenkonzept für Hocheffizienz“ von Dipl.-Kfm. Martin Schellhorn.
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