Schweigend haben sich die Planerorganisationen für das kleinere Übel entschieden: Den Erhalt der HOAI und die Duldung auf Zeit der am 12. Juni vom Bundesrat abgesegneten 6. HOAI-Novelle. Angesichts der aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) während der Amtszeit von Michael Glos gerittenen Attacken gegen die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure könnte man statt „Erhalt der HOAI“ sogar von „Rettung der HOAI“ sprechen. Schließlich kam der erste BMWi-Entwurf unter Glos mit massiv gestutztem Anwendungsbereich einer Tilgung gleich und war für die Planer ebenso ein Affront wie die von seinem Amtsvorgänger Wolfgang Clement propagierte Abschaffung zur Entbürokratisierung.
Rettung klingt aber irgendwie nach Helden. Und die gab es wahrlich nicht im BMWi. Durch das Ministerium zieht sich Unvermögen in Sachen HOAI wie ein roter Faden. Leider bis zum Schluss. Hilfe kam zwar aus dem Bundesbauministerium, im Ergebnis hat sie zwar Schlimmeres verhindert, aber auch nicht zu einem vertretbaren Ergebnis geführt.
„HOAI ist eine Mogelpackung“
So titelte dann auch der VBI Verband Beratender Ingenieure die „Neue Honorarordnung ist eine Mogelpackung“ schon wenige Minuten nach ihrer Bestätigung durch die Länderkammer. Der VBI beendete damit das zwischen Kammern und Verbänden verabredete Schweigen, das dem Erhalt der HOAI dienen sollte. Aus Angst: Allzu laute Proteste hätten ein Scheitern bedeuten und wegen der bis Ende 2009 umzusetzenden EU-Dienstleistungsrichtlinie eine Abschaffung der HOAI provozieren können. Das wäre ohne Zweifel das größere Übel gewesen. Darum müssen sich Architekten und Planer nun notgedrungen auf die Neuerungen einstellen:
- Das Baukostenberechnungsmodell und ein Bonus-Malus-System koppeln die Honorare von den „tatsächlichen Baukosten“ ab.
- Verbindliche Stundensätze gibt es nicht mehr, allerdings dürfen frei vereinbarte Stundensätze nicht zu einer Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI führen.
- Die Tafelwerte wurden pauschal um 10 % angehoben. Wegen diversen Änderungen an anderer Stelle führt dies aber nicht unbedingt zu einer Anhebung der Honorare in gleicher Höhe.
- Von der Bundesregierung als gutachterliche und beratende Tätigkeiten definierte Leistungen wurden aus dem verbindlichen Teil der HOAI entfernt und dem Regelwerk als unverbindlicher Orientierungsrahmen angehängt.
- Der Anwendungsbereich wird auf Planungen von im Inland ansässigen Büros beschränkt.
- Die HOAI tritt unmittelbar mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft, einen Termin hierfür hat die Bundesregierung bisher nicht angedeutet.
Die neue HOAI stärkt insbesondere bei geringem Angebot an Planungsaufträgen die Auftraggeberseite. Formal sind zwar weiterhin die Mindestsätze einzuhalten, jedoch ist es durch die neuen Regelungen kaum noch möglich, deren Höhe überhaupt eindeutig festzustellen. So könnte die neue HOAI schnell dazu führen, dass gedrückte Honorare – mangels objektiver Kontrollmöglichkeiten durch die Spielräume bei der Baukostenberechnung – zum Standard werden.
Die offizielle Variante klingt selbstverständlich anders. Gegenüber der Presse formulierte der für die HOAI verantwortliche Parlamentarische Staatssekretär beim BMWi und Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Hartmut Schauerte, es so: „Ich bin zuversichtlich, dass die Architekten und Ingenieure die jetzt mit der neuen HOAI eröffneten Chancen zur Aushandlung marktgerechter Verträge nutzen werden.“ Marktgerecht. Wie kann man nach so vielen Gesprächen mit den Berufsorganisationen nur so praxisfern sein? Planer benötigen als Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine leistungsgerechte Bezahlung und nicht Verträge nach Marktlage. Denn Verantwortung, Haftung und Qualifikation können Planer nicht der Marktlage anpassen, sondern müssen sie immer auf höchstem Niveau und im gesetzlichen Rahmen vorhalten.
Bundesrat fordert weitere Reform
Einziger Lichtblick an der 6. HOAI-Novelle ist, dass sie eventuell schon bald von einer 7. Novelle kassiert wird. Der Bundesrat hat, auch initiiert durch den AHO1), mit seiner Zustimmung nämlich die Bundesregierung aufgefordert, in der kommenden Legislaturperiode eine weitere Modernisierung und redaktionelle Überarbeitung vorzunehmen sowie einige der Neuerungen zu überprüfen und gegebenenfalls zurückzunehmen. Insbesondere soll die Bundesregierung „unter dem Blickwinkel des Wandels der Berufsbilder, der Umweltbelange und der Regeln der Technik“ die Modernisierung der Leistungsbilder, die Wiederaufnahme der in den bisherigen Teilen X bis XIII geregelten staatlichen Preisvorgaben in den verbindlichen Teil, eine Überprüfung der Honorarstruktur und eine weitere Verschlankung untersuchen.
Zu einer Reform der Reform hatte der Bundesrat die Bundesregierung schon einmal aufgefordert: 1996. Damals forderte die Länderkammer, die HOAI zu vereinfachen, transparenter zu gestalten, Anreize für kostensparendes Bauen aufzunehmen und durch die Eröffnung von Verhandlungsspielräumen flexible Reaktionen auf die jeweiligen Marktbedingungen zu ermöglichen. Mehr als ein Jahrzehnt haben die Bundesregierungen die Aufforderung der Länder liegen lassen und erst im April 2009 bei stark veränderten Rahmenbedingungen den jetzt abgesegneten Entwurf vorgelegt.
Einkommensverluste befürchtet
„Es ist eine Geschichte von Ignoranz, zeitlicher Verschleppung sowie der Missachtung eines ganzen Berufszweigs: Die Arbeit an der 6. Novelle der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure HOAI ist nach sage und schreibe 13 Jahren beendet und weder für die vielen Auftraggeber von Planungsleistungen noch für den Berufsstand der Ingenieure und Architekten hat sie zu nennenswerten Verbesserungen geführt. Im Gegenteil: Die Ingenieure in Deutschland müssen sich in Einzelfällen sogar auf Einkommenseinbußen einstellen, denn trotz einer pauschalen Erhöhung der Honorartabellen um 10 % sind in die neue HOAI viele Fallstricke eingebaut, die zur faktischen Honorarreduzierung führen können“, kommentierte der VBI-Hauptgeschäftsführer Klaus Rollenhagen die Zustimmung der 6. HOAI-Novelle durch den Bundesrat.
Der zu befürchtende Einkommensverlust könne bei Einzelprojekten bis zu 40 % betragen. Ursachen sind scheinbar geringfügige Veränderungen im Verordnungstext, beispielsweise beim Bauen im Bestand oder dem Zusammenfassen von Einzelprojekten zu einer Abrechnungseinheit, die in der Praxis enorme Auswirkungen auf die Honorare haben. Dies sei angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation, in die viele Planungsbüros vor dem Hintergrund der Finanzkrise geraten, eine Katastrophe, so Rollenhagen.
Nach zahlreichen Gutachten, Beteiligungsrunden und Anhörungen blicken die Planer nun ernüchtert auf das für das BMWi blamable Ergebnis. „Wir sind tief enttäuscht und verärgert, welche Mogelpackung uns die Bundesregierung nun nach vielen Gesprächen und permanenter Zuarbeit sowie Korrekturen der Verbände als Erfolg und Verbesserung verkaufen will. Die HOAI ist unnötig verstümmelt und eines gehörigen Teils ihrer Transparenz beraubt worden. Die innovative Leistungskraft der Ingenieure für die Gesamtgesellschaft und ihre Funktion für den Industriestandort Deutschland wird unnötig eingeschränkt.“
Aber nicht nur bezüglich der Honorare ist die 6. HOAI-Novelle eine herbe Enttäuschung. Nicht einmal ansatzweise wurden die schon heute bestehenden Herausforderungen an das Bauen und das Bauen im Bestand berücksichtigt. So wurde beispielsweise die vielfach auch von der Bundesregierung stärkere Fokussierung der Gebäudeplanung auf Lebenszykluskosten nicht einbezogen.
Schnell fit machen für die neue HOAI
Klagen nützt jetzt aber nichts. Die HOAINovelle ist für diese Legislaturperiode gelaufen. Mehr konnte oder mehr wollte die Bundesregierung offensichtlich nicht für die Planer tun. Es fällt nun in die Verantwortung der nächsten Bundesregierung, die HOAI so zu reformieren, dass Architekten und Ingenieure für ihre Leistungen auskömmlich bezahlt werden. Bis dahin werden sie versuchen müssen, den Fettnäpfchen der neuen HOAI auszuweichen. Ganz pragmatisch ist hier der VBI. Keine halbe Stunde nach der Mogelpackung versendete der Verband eine zweite Pressemitteilung: „Schnell fit machen für die neue HOAI – VBI bietet kurzfristig Seminare“.
Themen der zusammen mit Unita veranstalteten Einführungsseminare sind „Honorare für Planen im Bestand“, „Baukostenberechnungsmodell / Baukostenvereinbarung“, „Bonus-Malus-Regelung“ und „Übergangsregelung: ab wann und für welche Verträge gilt die HOAI 2009?“ Termine: 7. Juli Leipzig, 9. Juli in Hannover, 13. Juli in Frankfurt, 14. Juli in Nürnberg, 30. Juli in Berlin, 20. August in Essen, 22. September in Stuttgart und 25. November in Hamburg. Die Gebühren für das vierstündige Seminar (13.00 bis 17.00 Uhr): 340 Euro (VBI-Mitglieder und UNIT-Berufshaftpflicht-Kunden: 170 Euro). JV
http://www.bmwi.de http://www.bmvsb.de http://www.aho.de http://www.vbi.de https://www.unita.de/
Dokumente zur 6. Novelle der HOAI finden Sie auf https://www.tga-fachplaner.de/ in der Rubrik Infothek/Downloads oder über die Suche mit „HOAI“.
1) AHO: Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung.