Die relative Luftfeuchte hat einen entscheidenden Einfluss darauf, ob über Aerosole in die Luft gelangte Viren infektiös bleiben oder inaktiviert werden. Eine relative Raumluftfeuchte von 40 bis 60% bietet einen natürlichen Schutz gegen Infektionserreger. Der Beitrag erläutert den Vorgang am Beispiel der Grippe.
Um Viren auf dem Übertragungsweg in der Luft unschädlich zu machen genügt es, die Luftfeuchtigkeit im Winter auf 40 bis 60% relative Feuchte (r. F.) zu halten. Bei dieser mittleren Raumluftfeuchte werden beispielsweise Grippeviren in kürzester Zeit inaktiviert und verlieren ihre Ansteckungsfähigkeit (siehe Info-Kasten) – ein natürlicher Infektionsschutz, frei von Nebenwirkungen.
Die Schutzwirkung der Luftfeuchtigkeit löst sich im Wortsinne jedoch in nichts auf, sobald die Heizungen laufen und in der erwärmten Raumluft die relative Luftfeuchte auf 30% und weniger abfällt. Über Aerosole in die Luft gelangte Viren behalten dann ihre volle Infektionsfähigkeit über lange Zeiträume. Die Ansteckungsgefahr verstärkt sich zusätzlich dadurch, dass die Schleimhäute austrocknen, so ihre natürliche Schutzwirkung verlieren und sich in ein Einfallstor für virale Ansteckungen verwandeln.
Infektionen über Aerosole: Bei niedriger Luftfeuchte steigt das Risiko deutlich
Raumluft meistens zu trocken
„Während der Heizperiode ist die Raumluft in den meisten Gebäuden viel zu trocken. Mitunter wird ein Niveau von 20 % relativer Luftfeuchtigkeit oder sogar weniger erreicht. Das ist eine Trockenheit, wie sie für Wüsten typisch ist und auch in Flugzeugen regelmäßig auftritt. Die Symptome, wie gerötete Augen und einen kratzigen Hals, kennt jeder. Gefährlicher aber ist das höhere Infektionsrisiko“, erklärt Dr. med. Walter Hugentobler.
Viren schweben tagelang durch die Luft
In solchen staubtrockenen Umgebungen schweben Viren in kleinsten, unsichtbaren Tröpfchen (wenige Mikrometer und kleiner) konserviert und infektiös stunden- und tagelang durch die Raumluft. Gerade in Großraumbüros, aber grundsätzlich überall, wo große Menschenansammlungen die Regel sind, können sie je nach Luftströmung weite Strecken zurücklegen und viele Personen anstecken. Selbst im entlegensten Trakt eines geschlossenen Gebäudes sind Personen von einer Infektion via Mikro-Tröpfchen bedroht, wenn der Bereich an derselben Lüftungsanlage (mit Umluftanteil oder Verdrängungsströmung) angeschlossen ist.
Optimale Raumluftfeuchte im Winter nur durch eine aktive Befeuchtung
Gängige Hausmittel wirken nur mäßig
In der kalten Jahreszeit wird durch den Außenluftwechsel die Raumluftfeuchte „zwangsweise“ verringert, Winterluft hat eine deutlich geringere absolute Luftfeuchte als Raumluft im gesundheitlich zuträglichen Bereich. Ein höherer Luftwechsel oder eine zusätzliche Stoßlüftung sind also kontraproduktiv, Feuchtigkeit muss der Raumluft über andere Maßnahmen zugeführt werden. Gängige Hausmittel, wie Wasserschalen auf der Heizung, ein Zimmerbrunnen oder Grünpflanzen, sind grundsätzlich nicht falsch, ihre Wirkung ist aber stark begrenzt und damit nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Raumluft aktiv befeuchten
Hugentobler: „Möchte man in einem gesunden Innenraumklima leben und arbeiten – eine optimale Raumluftfeuchte gehört dazu –, kann das in den kalten Wintermonaten nur über eine aktive Befeuchtung herbeigeführt werden.“ Eine ausgeglichene Luftfeuchte stärkt nicht nur die Abwehrkräfte des Körpers gegen krank machende Eindringlinge wie Bakterien und Viren, sondern kann zugleich bei Problemen der Atemwege wie Asthma, Allergien und Infektionen für Erleichterung sorgen.
Diffusionsluftbefeuchtung bietet viele Vorteile
Heißer Dampf besonders hygienisch
Um die Raumluft auch während der Heizperiode ausreichend feucht zu halten, haben sich bisher drei Befeuchtungstechniken bewährt: Verdampfung, Verdunstung und Zerstäubung von Wasser. Dampf-Luftbefeuchter erzeugen heißen Dampf und bieten so eine besonders hohe Hygienesicherheit. Verdunstung und Zerstäubung von Wasser sind zwei weitere Verfahren, die weit verbreitet sind.
Technik für natürliche Feuchtediffusion
Innovativ und für die Zukunft sehr erfolgversprechend sind die Diffusionsluftbefeuchter, die entscheidende Vorteile bieten. Die neue Technik basiert auf natürlicher Feuchtediffusion durch eine wasserdichte, aber atmungsaktive Membran. Dieser Effekt wird beispielsweise bei moderner Funktionsbekleidung genutzt, um Körperfeuchtigkeit in Form von Wasserdampf abzuführen. Bei der Luftbefeuchtung erfolgt der Transport von Wassermolekülen aus einem Wasserreservoir in einen trockenen Zuluftstrom auf der entgegengesetzten Membranseite. Dies ermöglicht einen absolut hygienischen Betrieb, weil keine Keime aus dem Wasser durch die ultrafeinen Poren in die Luft gelangen können und zudem die Membranseite im Luftstrom immer vollständig trocken bleibt.
Einen Vergleich der Befeuchtungs-Methoden und weitere Aspekte der Luftbefeuchtung enthält der Fachartikel „Systeme zur zentralen Luftbefeuchtung“.
Mit optimaler Raumluftfeuchte Viren bekämpfen – wie funktioniert das?
Aerosole „verdampfen“ in der Raumluft
Beim Atmen, Sprechen und Husten geben Erkrankte kleinste Speichel- und Schleimtröpfchen in die Raumluft ab, in denen sich Krankheitskeime befinden. Diese infektiösen Mikro-Tröpfchen (Aerosole) aus den feuchten Atemwegen durchlaufen bei der thermodynamischen Anpassung an die trockene Raumluft einen Verdunstungsprozess, sie „verdampfen“ förmlich in der Raumluft. Binnen weniger Sekunden verlieren sie mehr als 90% ihres Wassergehalts. Ihr Endzustand und das Schicksal der suspendierten Mikroben (ob sie infektionsfähig bleiben) hängen wesentlich von der relativen Raumluftfeuchtigkeit ab.
Viren und Bakterien inaktivieren
Liegt die relative Luftfeuchtigkeit in einem Bereich von 40 bis 60 %, steigt mit sinkendem Wasseranteil in den Aerosolen die Konzentration an Salzen und Eiweißen bis auf das 13-Fache an. Da eine Restfeuchte in den Tröpfchen verbleibt, können die hoch konzentrierten Salze Viren und Bakterien innerhalb weniger Minuten inaktivieren.
Trockene Luft: Viren und Bakterien bleiben infektiös
Liegt jedoch die Wasserdampfsättigung der Luft unterhalb von rund 40 % r. F., trocknen die Aerosole vollständig aus. In den trockenen Substanzen sind die Viren und Bakterien eingelagert, sozusagen konserviert und bleiben infektiös. Stundenlang, teilweise sogar tagelang verbleiben die virenbeladenen Partikel in der Raumluft und verteilen sich mit der Lüftung im ganzen Gebäude. Werden die vertrockneten, stark hygroskopischen Aerosole eingeatmet, nehmen sie in den feuchten Atemwegen erneut Wasser auf. Die ausgetrockneten Substanzen gehen in Lösung und die Erreger können einen erneuten Infektionsprozess starten. Die luftgetragene (aerogene) Übertragung ist damit erfolgreich abgeschlossen.
Drei Fragen an Dr. med. Walter Hugentobler
Was raten Sie, um sich vor einer Grippe zu schützen?
Hugentobler: Der ideale Zeitpunkt für die Grippeimpfung wäre im Oktober oder November gewesen. Wer sich noch impfen lassen möchte, sollte wissen, dass es rund zwei Wochen dauert, bis der Impfstoff seine volle Schutzwirkung entfaltet. Wenn die Grippewelle uns erreicht hat, ist das Aufrechterhalten einer Luftfeuchtigkeit von 40 bis 60 % r. F. in allen geschlossenen Räumen in denen wir uns aufhalten, die wirksamste Vorbeugungsmaßnahme.
Zur Verminderung der Ausbreitungsgefahr macht es Sinn, die Hände regelmäßig zu waschen, Hustendisziplin einzuhalten sowie Körperkontakte und Menschenansammlungen zu meiden, wenn man erkrankt ist. Wichtig sind auch eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung an der frischen Luft.
Warum ist die Raumluftfeuchte für die Gesundheit so bedeutsam?
Hugentobler: Die Raumluftfeuchte entscheidet wesentlich über die Raumluftqualität. Außerhalb der Heizperiode ist die Raumluftfeuchte identisch zur Außenluftfeuchte und muss nicht speziell beachtet werden. In der Heizperiode sollte die Raumluftfeuchte auf 40 bis 60 % r. F. gehalten werden. Bei geringerer Luftfeuchtigkeit steigt das Erkrankungsrisiko durch Winter-Infektionen an. Dies gilt nicht nur für die Grippe, sondern auch für die allermeisten Winter-Erkältungen, das Winter-Erbrechen (Norovirus), Hals- und Lungenentzündungen. Trockene „Heizungsluft“ lässt auch die Schwebepartikelbelastung mit allergenen und toxischen Stoffen ansteigen. Viele wissen nicht, dass bis zu 50 % unseres Risikos für chronische Lungenerkrankungen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen von Schadstoffpartikeln in der Raumluft bestimmt werden.
Wie lässt sich ein gesundes Raumklima herstellen?
Hugentobler: Moderne Gebäude müssen heutzutage aufgrund von Energieeinsparverordnungen mit einer luftdichten Bauhülle errichtet werden. Der unverzichtbare Luftaustausch muss deshalb durch Gebäudetechnik sichergestellt werden. Gesundes Raumklima setzt nicht nur den nötigen Luftaustausch und angenehme Raumtemperaturen voraus, sondern auch die Einhaltung einer Mindestfeuchte von 40 % r. F. Dieses Ziel ist bei unseren Klimabedingungen in der Heizperiode nur durch eine aktive Luftbefeuchtung erreichbar.
Wussten Sie …
… dass das Risiko, sich mit einem Grippevirus anzustecken, bei einer niedrigen relativen Luftfeuchte zwischen 20 und 35 % deutlich höher ist als bei einer Luftfeuchte um 50 %?
… dass die allermeisten Menschen rund 90 % ihrer Zeit in geschlossenen Räumen und Verkehrsmitteln verbringen?
… dass binnen 24 h mindestens 15 000 l Luft durch unsere Lungen strömen? Jeder Liter dieser Atemluft, die wir in Räumen mit anderen Menschen teilen, kann viele Tausend Mikro-Tröpfchen enthalten. Sind Grippekranke im Raum, enthält ihre Ausatmungsluft unsichtbare Tröpfchen mit Grippeviren.
… dass bei einem einzigen Husten oder Niesen bis zu 40 000 Mikro-Tröpfchen freigesetzt werden?
… dass die Raumluftbelastung mit Schwebstoffen bis auf mehr als das Zehnfache zunimmt, sobald Menschen im Raum aktiv sind?
Dieser Artikel ist eine Überarbeitung des Artikels „Die richtige Luftfeuchte schützt vor Infektionen“, erschienen in TGA 03-2019.