Weit über eine Million deutschsprachige Webseiten listete Google am 1. Juli mit den Worten „Energieausweis“ oder „Energiepass“. Schon Wochen vorher kündigte jede Tageszeitung an, dass zum selben Datum für die erste Gebäudegruppe Energieausweise bei Vermietung, Verpachtung und Verkauf obligatorisch werden. Doch die Informationen kommen nicht bei den gewünschten Empfängern an. Weniger als 10 % der Mieter fühlten sich (Ende Mai) ausreichend mit Aufbau und Funktion des Energieausweises vertraut (siehe Seite 25). Erinnert man sich an die 2004 aus Dänemark bekannt gewordenen Erfahrungen zu der dort seit 1996 existierenden Energieausweispflicht, ist das auch nicht verwunderlich. Schnell hatte man hier herausgefunden, dass der Normalbürger arge Probleme mit der nun in Deutschland verordneten Informationsmenge und -qualität hat. Zur Erinnerung: Transparenz war das Ziel des Energieausweises.
Nun ist der Energieausweis auch für die ersten Bestandsimmobilien verpflichtend. Doch von Aussagekraft und Transparenz für Eigentümer, Mieter und Käufer sind viele der hübsch bunten Dokumente noch sehr weit entfernt.
Allerdings blicken auch viele Fachleute offensichtlich (noch) nicht durch. Beispielsweise hat die Verbraucherzentrale NRW kürzlich die Qualität von verbrauchsorientierten Online-Energieausweisen mit Datenzulieferung durch den Besteller überprüft. Fast alle so eingekauften Energieausweise waren nicht zu gebrauchen, so das erschreckende Ergebnis. 14 Pflichtdaten zählt die EnEV für einen verbrauchsorientierten Energieausweis auf. Nur einer von 97 Ausstellern hatte alle auf seiner Homepage vollständig abgefragt. Die Mängelliste aus der Überprüfung ist aber noch viel länger. Selbst die Übernahme der Daten schien für ein Drittel der Aussteller (Stadtwerke, Architekten, Ingenieure, Techniker, Handwerker und Abrechnungsfirmen) eine unüberwindbare Hürde zu sein. In 18 der 29 bestellten Ausweise entdeckten die Energieexperten der Verbraucherzentrale NRW zudem fachliche Fehler bei der Berechnung der Verbrauchskennwerte, die zum Teil zu erheblichen Abweichungen von bis zu 40 % führten. Auch Plausibilitätskontrollen wurden kaum durchgeführt, so dass Zahlendreher und falsche Maßeinheiten selten oder gar nicht auffielen.
Es kommt aber noch dicker: „Tausende Hausbesitzer sind davon bedroht, öffentliche Fördermittel zur Energieeinsparung zurückzahlen zu müssen.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Verbands Privater Bauherren (VPB). Grund: Die für Fördermittel relevanten Vorschriften werden von vielen Schlüsselfertiganbietern nicht eingehalten. Die meisten Energieausweise beim schlüsselfertigen Neubau sind mangelhaft, die errechneten Energiewerte werden in der Realität oft nicht erreicht – dies geht aus einer Untersuchung des VPB hervor, zu der alle im Jahr 2007 von VPB-Bausachverständigen geprüften Energieausweise gemäß EnEV für Neubauten herangezogen wurden.
Offenbar haben viele Anbieter schon bei simplen Rechenvorgängen Probleme: Fast 60 % aller vom VPB untersuchten Nachweise haben teilweise gravierende Rechenfehler. Aber selbst wenn die Berechnung stimmt, hapert es an der Ausführung: In gut 54 % aller untersuchten Fälle wurden die in der Rechnung angenommenen Materialien auf der Baustelle gar nicht verwendet. Häufig, so stellt der VPB fest, ersetzten Bauunternehmer auf eigene Faust die in der Rechnung vorgesehene Dämmung entweder durch dünnere Dämmstoffe oder durch völlig andere Materialien.
Das ist kein Kavaliersdelikt: Etwa 40 % der Energieausweise im Neubau entsprechen so überhaupt nicht den Vorschriften der Energieeinsparverordnung, berichtet der VPB. Und über die Hälfte, nämlich 53 % aller Bauten, die durch öffentliche Zuschüsse und Kredite gefördert werden, erfüllen nicht einmal die Förderbedingungen. „Prüfen die Geldgeber hier gezielt nach, was sie sich ja ausdrücklich vorbehalten, dann verlieren die Bauherren ihren Förderanspruch und müssen womöglich bereits gezahlte Gelder zurückerstatten“, mahnt der VBP-Vorsitzende Thomas Penningh.
Sie stellen keine verbrauchsorientierten Online-Energieausweise und Energieausweise für Schlüsselfertiganbieter aus? Eine Qualitätsgarantie ist das nicht. Überall, wo rund um die EnEV gewühlt wurde, kam bisher erschreckendes ans Tageslicht. Die Branche würde gut daran tun, sich nicht nur auf die verordnungsrechtliche Ausstellungsberechtigung zu verlassen, sondern sich auf echte fachliche (Pflicht-)Qualifikation zu stützen.
Ihr
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplanervorlaender@tga-fachplaner.de