Erdgas und Heizöl werden noch auf Jahrzehnte die Wärmeversorgung von Gebäuden dominieren – sagen die einen. Und sie haben recht. Im Jahr 2011 wurden 49,1 % aller Wohnungen mit Erdgas und 29,3 % mit Heizöl beheizt. Selbst eine erhebliche Steigerung der Modernisierungsquote kann das nur mittelfristig ändern.
Erdgas und Heizöl müssen bei Neubau und Modernisierung möglichst oft ersetzt oder zumindest zu größeren Teilen verdrängt werden – sagen die anderen. Und auch sie haben recht. Zumindest wenn man sich die Ziele im Energiekonzept der Bundesregierung bis 2050 zu eigen macht: Bis 2050 soll der Gebäudebestand nahezu klimaneutral sein – die Gebäude sollen dann nur noch einen sehr geringen Energiebedarf aufweisen und der verbleibende Energiebedarf soll überwiegend durch erneuerbare Energien gedeckt werden.
Beide haben recht, weil die Energieträgerprognose den Blickwinkel der Energielieferanten hat und die Verdrängungsforderung die notwendige Marktentwicklung für die Heiztechnikanbieter, Planer, Heizungsfachbetriebe und die Politik beschreibt. Letztere hat das IWU in einer Studie für das Bundesbauministerium zu Papier gebracht (Webcode 436928). In Szenarienanalysen untersucht sie, wie die Ziele des Energiekonzepts der Bundesregierung im Wohngebäudesektor für die Jahre 2020 und 2050 durch Wärmeschutz und neue Wärmeversorgungssysteme erreicht werden können.
Danach muss – neben einer erheblichen Steigerung der energetischen Modernisierungsrate beim Wärmeschutz – bei der Modernisierung von Heizungen bis etwa 2020 ein Übergang zu einer neuen Wärmeversorgungsstruktur stattfinden. Laut der Studie müssen bis dahin die bei der Heizungserneuerung heute noch dominierenden Gas-, Öl- und Biomasse-Heizkessel immer stärker durch alternative Systeme ersetzt werden. Zu diesen zählt die Studie Wärmepumpen und dezentral oder mit Fern- bzw. Nahwärmenetzen betriebene KWK-Anlagen sowie ergänzende Solaranlagen.
Interessant ist das Ergebnis, dass der Umbau der Wärmeversorgung auch ohne erhebliche Steigerung der jährlichen Rate bei der Heizungsmodernisierung erreicht wird, die aktuell in der Größenordnung von 3 % pro Jahr erfolgt. Konsequenz daraus ist, dass sich die zukünftige Wärmeversorgungsstruktur etwa ab dem Jahr 2020 im Bereich der neu installierten Anlagen widerspiegeln muss – die Autoren gehen davon aus, dass später eingebaute Wärmeerzeuger bis 2050 möglicherweise zu einem Großteil nicht mehr ausgetauscht werden. Es mag sein, dass der Zeitpunkt 2020 noch etwas Spielraum nach hinten hat, deutlich wird jedoch, dass die Branche für ein Gelingen der Energiewende den heutigen Heiztechnikmarkt regelrecht umkrempeln muss.
Die Studie zeigt auch, dass bei den kurzfristigen (2020) und langfristigen (2050) Vorgaben des Energiekonzepts keine grundsätzlichen Zielkonflikte bestehen. Vielmehr dienen die Verdopplung der energetischen Modernisierungsrate beim Wärmeschutz, der Übergang zu einer neuen Struktur bei der Heizungsmodernisierung und die Einführung des klimaneutralen Neubaus sowohl den kurzfristigen als auch den langfristigen Klimaschutzzielen.
Offen bleibt die Frage, ob der Markt diese Entwicklung allein bewerkstelligen kann. •
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · https://www.tga-fachplaner.de/
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