Jetzt schlagen auch die mittelständischen Bauträger und Projektentwickler Alarm: Auf deutschen Baustellen wird das Baumaterial knapp. Zahlreichen Bauprojekten drohen wegen Lieferengpässen Verzögerungen oder sogar Stillstand.
„Mit Sorge beobachten wir, dass Holz kaum noch verfügbar ist. Bei Holz sowie bei Stahl und Dämmstoffen kennt die Preisentwicklung nur eine Richtung – nach oben. Dieser Trend muss dringend gestoppt werden, bevor es auf den Baustellen zum kompletten Stillstand kommt“, so Andreas Ibel, Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW).
Wie ernst die Lage bereits ist, zeigt eine Umfrage des BFW unter seinen rund 1600 Mitgliedsunternehmen. Fast 90 % der Antworten belegen signifikante Lieferengpässe bei Holz, Dämmmaterial und Stahl. Zudem hatte eine Mehrheit der Befragten angegeben, dass auch Kunststoffrohre und Kunststoffe aktuell knapp sind. Ibel: „Der Mangel gefährdet damit Neubauprojekte und Sanierungsarbeiten gleichermaßen.“
Schon jetzt gibt es auf vielen Baustellen Verzug
„Unsere Unternehmen machen sich aktuell große Sorgen. Fest geplante Übergabetermine sind in Gefahr, Finanzierungspläne kommen ins Schwanken. Schon jetzt liegt der Verzug auf vielen Baustellen bei zwei bis vier Wochen“, ergänzte Ibel. Einmal mehr werde deutlich, wie wichtig schnelles Handeln ist: „Bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums können wir uns keine Verzögerungen leisten“, mahnt der BFW-Präsident.
Experten führen die Engpässe bei Holz, Stahl sowie Dämm- und Kunststoffen unter anderem auf die stark gestiegene Nachfrage in China und den USA zurück. Gleichzeitig ging die Produktion von Bauholz in Deutschland unter anderem wegen der Dürresommer in den vergangenen Jahren zurück. ■
Siehe auch:
● Lieferengpässe in der Kabelindustrie spitzen sich zu
● Auf Lieferengpässe beim Baumaterial folgt Kurzarbeit
● KVR – Kunststoffrohre: Besorgnis wegen Rohstoffengpässen
● ZVSHK – Exorbitante Preissteigerungen: Es reicht!
● ZVEH – Lieferengpässe: Elektro-Handwerken droht Stillstand
● HDB – Deutliche Preissteigerungen bei Baumaterialien
● ZVDH – Dachdeckerverband warnt: Energiewende in Gefahr
● ZDB – Materialengpässe und Preissteigerungen befürchtet
Die Lage könnte sich noch weiter verschärfen
Holz hat eine Schlüsselstellung bei vielen Gebäudearten, insbesondere für die Baureife der Ausbaugewerke. Halten die Lieferengpässe an oder verschärfen sich sogar noch, werden zunehmen auch Baugewerke behindert, die gar kein Holz verarbeiten. Laut der Arbeitsgemeinschaft Rohholz (AGR) könnte sich die Situation durch zur Unzeit eingesetzte staatliche Maßnahmen sogar noch weiter verschärfen.
Während in den vergangenen Monaten die Rohstoffversorgung für die holzverarbeitende Industrie ausreichend war, ändert sich die Lage zunehmend: In vielen Waldgebieten sind die Schäden der letzten Jahre mittlerweile aufgearbeitet und die im Wald eingerichteten Zwischenlager leeren sich schnell. In diesem Jahr kamen bislang auch kaum neue Schäden durch Borkenkäfer, Stürme oder Schnee hinzu. Gleichzeitig leeren sich die Vorratslager der verarbeitenden Industrie, die unter Hochdruck versucht, auf die große Nachfrage nach ihren Produkten zu reagieren.
Ein im Markt eigentlich normaler Vorgang: Mit der Nachfrage steigt der Rohstoffpreis und die Forstbetriebe reagieren speziell in den von den Schäden nicht so stark betroffenen Regionen mit dem Einschlag von Frischholz. Denn trotz der Waldschäden der vergangenen Jahre können nach wie vor Bäume gefällt werden: Speziell zu alte und zu dicke Nadelholzbestände sind oft anfällig für weitere Schäden. Die gestiegenen Erlöse leisten für die Waldbesitzer dann einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der Aufforstungsmaßnahmen in den betroffenen Schadbeständen.
An dieser Stelle greift aber das am 26. März 2021 beschlossene Moratorium für den Frischholzeinschlag von Fichtenholz. Durch die Anwendung des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes dürfen Forstbetriebe im aktuellen Forstwirtschaftsjahr (1. Oktober 2020 bis 30. September 2021) nur maximal 85 % ihrer normalen Einschlagsmenge ernten. Tatsächlich beträgt die Reduktion wegen des gewählten Referenzzeitraums laut AGR sogar bis zu 30 bis 40 % gegenüber den Vorjahren.
Das politische Instrument, eigentlich gedacht zur Beruhigung des Marktes und zur Stabilisierung der Preise, wird wahrscheinlich in der zweiten Jahreshälfte wirksam, wenn viele Forstbetriebe ihre Quote ausgeschöpft haben. Gleichzeitig zur hohen Marktnachfrage käme es dann zu einer künstlichen Verknappung des Rohstoffangebots. Die mögliche Folge: Die dramatische Lage auf dem Holzproduktmarkt wird weiter verschärft.
AGR-Präsident Leonhard Nossol: „2018 oder 2019, als sich die großen Waldschäden abgezeichnet haben, hätte die Einschlagsbeschränkung vielleicht noch etwas gebracht, nun greift der Staat zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt in den Markt ein: Forstbetriebe können trotz hoher Preise bald kein Fichtenholz mehr verkaufen und der Industrie wird die Rohstoffversorgung abgeschnitten. Noch könnte man gegensteuern und sollte die Einschlagsbeschränkung schnellstmöglich aufheben.“
„Gestiegene Preise kommen bei den Waldbesitzenden nicht an“
Es gibt allerdings auch einen anderen Blickwinkel: Angesichts der stark angestiegenen Schnittholzpreise, bei unverhältnismäßig niedrigen Preisen für Holz aus dem Wald hat der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates (DFWR) Georg Schirmbeck die Waldbesitzenden in Deutschland dazu aufgerufen, ihr Holz nur zu fairen Preisen zu verkaufen. „Es kann nicht sein, das Waldbesitzende seit längerem unter einem schlechtem Holzmarkt leiden, teilweise drauf gezahlt haben und steuerfinanzierte Hilfsprogramme benötigen, um den Wald an den Klimawandel anzupassen, um auch in Zukunft den Rohstoff Holz langfristig bereitstellen zu können. Auf der anderen Seite ist die Nachfrage sehr hoch und die Marktpreise für Schnittholz sind stark gestiegen, die beim Waldbesitzenden aber einfach nicht ankommen.“
Der DFWR beklagt: Seit Jahresbeginn steigen die Preise für Schnittholz in rasantem Tempo, unter anderem, weil viel Holz in die USA aber auch nach China exportiert wird und die Baukonjunktur auch in Deutschland sehr gut läuft. Sägeholz ist im Wert gestiegen und die Preise haben sich für die Verarbeiter nahezu verdoppelt. Sogar Preisanstiege zwischen 100 und 300 % bei Sparren, Brettern und Balken sind dabei keine Seltenheit. Die Sägeindustrie und der Holzhandel generieren in der aktuellen Situation zusätzliche Einnahmen, die sie nicht an die Waldbesitzenden weitergeben. Waldbesitzende und Forstbetriebe fordern deshalb einen fairen Preis für den wertvollen Rohstoff Holz. Schirmbeck: „Jeder Waldbesitzende ist frei in seiner Entscheidung Holz zu ernten oder eben stehen zu lassen, wenn die Preise nicht auskömmlich sind.“