In einem offenen Brief warnen 217 Organisationen davor, Wasserstoff großflächig in der kommunalen Wärmeplanung einzuplanen. Während die Gaslobby in den Kommunen dafür wirbt, die Gasnetze auf Wasserstoff umzustellen, mahnen große Umweltverbände: Grüner Wasserstoff bleibt ein sehr rares Gut. Die ineffiziente Technik könnte für Hausbesitzer teuer werden und den Ausstieg aus fossilem Gas unnötig verzögern.
Bis spätestens Mitte 2028 müssen alle Kommunen einen Plan vorlegen, wie sie ihre Gemeinden künftig klimaneutral mit Wärme versorgen wollen. Dabei geht es auch um viel Geld – für die weitere Nutzung von Gasnetzen, den Verkauf von Energie und um die Verlängerung bisher lukrativer Geschäftsmodelle.
Eine Besonderheit bei der kommunalen Wärmeplanung ist, dass schon heute die verbleibende Zeit für die Transformation knapp ist und insbesondere in kleinen Kommunen kein umfassendes Know-how oder überwiegend nur in tendenziell befangenen Strukturen existiert. Zudem gibt es zahlreiche Parameter, wie Energiepreise, die nur schwer zu prognostizieren sind und die wiederum von der eigenen Wärmeplanung durch begrenzte Verfügbarkeiten und Ressourcen beeinflusst werden können.
Besonders große Unsicherheiten gibt es beim grünen Wasserstoff, weil dieser bisher ein Ziel ist, jedoch weltweit kaum Produktionskapazitäten existieren und niedrige Weltmarktpreise nicht absehbar sind. Auch die Transportfrage ist ungelöst, da sie in jedem Fall sehr hohe Investitionen erfordert. Auch mit Blick auf die verfügbaren Alternativen gibt es deshalb einen breiten wissenschaftlichen Konsens, dass Wasserstoff zum Heizen von Gebäuden kein tragfähiges Konzept ist.
„Gaswirtschaft will ihr fossiles Geschäftsmodell retten“
In der Gaswirtschaft sieht man das anders oder verhält sich zumindest so, als würde es keine Vorbehalte geben oder als wären sie vollkommen unbegründet. Mitunter wird sogar suggeriert, dass die Wärmewende ausschließlich mit einer flächendeckenden Substitution von Erdgas durch Wasserstoff (und Biomethan) gelingen könne. Der „Gemeinsame Aufruf: Achtung, Kostenfalle Wasserstoff!“ weist die Kommunen deshalb darauf hin, dass die Gaslobby für einen flächendeckenden Einsatz von Wasserstoff in der Wärmeversorgung wirbt und über Plattformen wie „H2 vor Ort“ und „H2 kommunal“ die Gasindustrie versucht, Stadtwerke und Kommunen für ihre Zwecke einzuspannen.
„Das Kalkül der Gaslobby: Wenn Kommunen auf Wasserstoff setzen, profitiert die Gaswirtschaft, weil sie einerseits noch sehr lange Erdgas verkaufen kann und sie andererseits mit Wasserstoff ihr fossiles Geschäftsmodell retten will“, sagt Henning Peters, Referent für Energie und Klima am Umweltinstitut München. „Dadurch leidet auch der Klimaschutz: Wo heute im großen Stil geplant wird, mit Wasserstoff zu heizen, ohne dass dieser tatsächlich zur Verfügung steht, laufen fossile Anlagen einfach weiter und heizen die Klimakrise weiter an.“
Konkret wird in dem offenen Brief davor gewarnt, in der kommunalen Wärmeplanung Wasserstoffnetzgebiete auszuweisen. Auch in Wärmenetzen sollte Wasserstoff allenfalls zur Abdeckung der Spitzenlast vorgesehen werden.
Exkurs
Das Wärmeplanungsgesetz definiert ein „Wasserstoffnetzgebiet“ als ein beplantes Teilgebiet, in dem ein Wasserstoffnetz besteht oder geplant ist und ein erheblicher Anteil der ansässigen Letztverbraucher über das Wasserstoffnetz zum Zweck der Wärmeerzeugung versorgt werden soll.
„Wasserstoff ist in der Gebäudewärme irrelevant“
Die Absender des Briefes verweisen auf mehr als 50 unabhängige wissenschaftliche Studien. Diese verdeutlichen, dass Wasserstoff-Heizungen in der gesamten Kette vier- bis sechsmal mehr Energie verbrauchen als handelsübliche Wärmepumpen, weil die Herstellung von grünem Wasserstoff mit heute einsetzbaren Methoden sehr viel Strom benötigt.
„Wasserstoff ist zu kostenintensiv und aufwendig zu produzieren, um ihn buchstäblich zu verheizen. Selbst langfristig wären Wasserstoff-Heizungen insgesamt etwa doppelt so teuer wie Wärmepumpen oder Wärmenetze. Wasserstoff sollte nur für spezielle Anwendungen eingesetzt werden, für die es keine Alternativen gibt“, sagt Mira Jäger, Energie-Expertin von Greenpeace. „Wenn Kommunen heute Wasserstoffnetzgebiet ausweisen, riskieren sie hohe Folgekosten für ihre Bürger und handeln nicht im Sinne des Klimaschutzes.“ ■
Quelle: Umweltinstitut München, Greenpeace / jv
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