Durch Rebound-Effekte steigt nach dem Umstieg auf erneuerbare Energien im Schnitt der Energieverbrauch. Forschende empfehlen deshalb energiesparendes Verbrauchsverhalten zu stärken: unter anderem durch Hinweise in der Energieberatung und mehr finanzielle Anreize.
Private Haushalte leisten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende, wenn sie eine Photovoltaik-Anlage anschaffen, Ökostrom oder erneuerbare Wärme nutzen. Doch beim Umstieg auf eine umweltfreundliche Energieversorgung kann es zu einem unerwünschten Nebeneffekt kommen: Der Energieverbrauch dieser Haushalte steigt im Schnitt an, wie das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt EE-Rebound belegt.
Dieser Mehrverbrauch verlangsamt nicht nur die Energiewende, sondern kostet die Haushalte auch Geld. Ursachen und Lösungsansätze haben das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI gemeinsam mit dem Institute for Future Energy Consumer Needs and Behavior (FCN) an der RWTH Aachen untersucht. Ihre Empfehlungen stellen die Forschenden in drei Handreichungen vor.
Rebound-Effekt hat ökonomische und psychologische Gründe
Eine Solaranlage auf dem eigenen Dach – viele Haushalte ziehen das aktuell in Betracht, um angesichts der hohen Strompreise Geld zu sparen. Und die Ampel-Koalition und auch die EU-Kommission wollen Solardächer zum Standard oder sogar zur Pflicht machen.
„Die Vorteile von PV-Anlagen für den Geldbeutel und für die Umwelt sind unbestritten. Doch diese positiven Effekte nehmen deutlich ab, wenn man anschließend weniger aufs Energiesparen achtet als zuvor“, erklärt Projektleiterin Dr. Julika Weiß vom IÖW. In Verbrauchsanalysen zeigte das Projektteam: Haushalte, die in den letzten Jahren eine Photovoltaik-Anlage installierten, haben im Schnitt einen höheren Stromverbrauch als vergleichbare Haushalte ohne Solaranlage.
Der Mehrverbrauch, den man auch als Rebound-Effekt bezeichnet, hat ökonomische und psychologische Gründe: Viele der interviewten Haushalte mit PV-Anlage achten weniger auf ihren Verbrauch, weil sie ein gutes Gewissen haben und weil sie kaum noch finanzielle Anreize zum Stromsparen sehen.
Energiesparen ist zentral für den Klimaschutz
Mit einem bloßen Wechsel zu erneuerbaren Strom- und Wärmequellen sind die Klimaziele nicht rechtzeitig zu erreichen. Genauso wichtig ist es, dass der Energieverbrauch insgesamt effizienter und suffizienter, also maßvoller, wird.
Das Projekt EE-Rebound stellt Broschüren für Energieberater und Verbraucher zur Verfügung, denn in Beratungsgesprächen etwa zu PV-Anlagen werden noch häufig falsche Botschaften vermittelt, sagt Dr. Matthias Pfaff vom Fraunhofer ISI: „Oft wird geraten, möglichst viel vom eigenen Solarstrom selbst zu nutzen. Auch Aussagen wie ‚die Sonnenenergie sei unerschöpflich‘ motivieren nicht zum Stromsparen. Klimaschutzagenturen und Energieberater sollten besser über finanzielle und auch ökologische Effekte des Mehrverbrauchs aufklären. Bisher ist noch wenigen Besitzern von PV-Anlagen bewusst, dass jede Kilowattstunde Solarstrom, die sie einspeisen, für die Energiewende gebraucht wird.“
Solarstrom einzuspeisen muss wieder attraktiver werden
Bis 2030 soll der Anteil grünen Stroms im deutschen Stromnetz auf 80 % steigen. Um das zu erreichen, muss auch der Beitrag kleinerer Photovoltaik-Anlagen wachsen. Ihre Gesamtleistung muss sich mehr als verdoppeln. Hierbei kommt es nicht nur auf die bloße Anzahl der Anlagen an:
Hausbesitzer sollten ihre Dachflächen möglichst vollständig ausnutzen und viel Strom ins Netz einspeisen – doch dafür muss die Politik bessere Rahmenbedingungen schaffen, fordert das Projektteam in einem Policy Paper. „Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) muss eine höhere Einspeisevergütung für PV-Anlagen verankert werden, die anteilig zum Eigenverbrauch genutzt werden. Auch nach dem neuen Entwurf zum EEG 2023 steht der Eigenverbrauch noch zu stark im Vordergrund“, kritisiert Dr. Julika Weiß.
Geldverlust durch sorglosen Umgang mit Solarstrom
Grundsätzlich ist Eigenverbrauch sinnvoll: Haushalte stabilisieren das Stromnetz, wenn sie ihren Solarstrom gezielt zur sonnigen Mittagszeit nutzen. „Manche Haushalte verbrauchen jedoch extra viel Strom, weil sie Einspeisen als pure Verschwendung empfinden: Wer heute eine PV-Eigenverbrauchsanlage installiert, bekommt für jede eingespeiste Kilowattstunde nur 6,43 Cent – also viel weniger als man beim Stromanbieter pro Kilowattstunde zahlt“, erklärt Weiß.
Dass ein sorgloser Umgang mit Energie trotzdem auch mit einer PV-Anlage für die Haushalte nachteilig ist, zeigen die Forschenden an einem Fallbeispiel: Durch einen um 20 % erhöhten Verbrauch verliert ein Drei-Personen-Haushalt jährlich ca. 100 Euro.
Neben Empfehlungen zum EEG stellen die Forschenden in dem Policy Paper weitere Handlungsfelder vor: Beispielsweise sollten auch Förderprogramme und Gesetze im Wärmebereich stärkere Anreize für einen suffizienten Verbrauch setzen. ■
Das Projekt EE-Rebound…
…untersuchte mit Interviews, Befragungen und Berechnungen, ob und wie ein Umstieg auf erneuerbare Energien den Energieverbrauch von Privathaushalten beeinflusst und welche Auswirkungen dies hat. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Förderinitiative „Rebound-Effekte aus sozial-ökologischer Perspektive“ des Förderschwerpunkts Sozial-ökologische Forschung (SÖF). www.ee-rebound.de
Im Kontext:
Photovoltaik–Anlagen: Strom einspeisen oder nutzen?
Viele Neubauten verbrauchen mehr Energie als nach GEG berechnet
E.on: Konsequent auf Wärmepumpe + Photovoltaik umsteigen
Photovoltaik: Solarelektrisch beheiztes Wohngebäude
Achtung: Photovoltaik-Anlagen sind ansteckend!