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Rechtsprechung

Grundsatzurteil in NRW: Erneuerbare Energien vor Denkmalschutz

In NRW befand das Oberverwaltungsgericht mit einem Grundsatzurteil, dass der Ausbau der Erneuerbaren wichtiger ist als die Belange des Denkmalschutzes.

Probleme mit der Genehmigung von Solaranlagen gibt es sowohl bei Denkmälern, als auch bei Altstadt-Ensembles und bei dörflichen Ortsbildern. Auch wenn die Bauherren selbst hohen Anspruch an die Gestaltung legen, werden Anträge oft abgelehnt. Glück hatte der Besitzer des sehr gelungenen Sanierungsprojektes eines ländlichen Anwesens in Thüringen.

Hofgut Erler / Sonnenhaus-Institut

Probleme mit der Genehmigung von Solaranlagen gibt es sowohl bei Denkmälern, als auch bei Altstadt-Ensembles und bei dörflichen Ortsbildern. Auch wenn die Bauherren selbst hohen Anspruch an die Gestaltung legen, werden Anträge oft abgelehnt. Glück hatte der Besitzer des sehr gelungenen Sanierungsprojektes eines ländlichen Anwesens in Thüringen.

Viele Hausbesitzer in Altstädten, die sich gerne an der Energiewende beteiligen und eine Solaranlage installieren wollen, sind seit Jahren blockiert. Denkmalämter gehen teilweise äußerst restriktiv bei dem Thema vor. Außerdem haben viele Kommunen gerade in Bayern in den letzten Jahren Gestaltungssatzungen erlassen, in denen unter anderem geregelt wird, dass regenerative Energieanlagen meist nur dort zulässig sind, wo sie für den öffentlichen Bereich nicht sichtbar sind. De facto wird die Möglichkeit für PV- und Solarthermieanlagen damit oft auf ein absolutes Minimum reduziert.

In anderen Bundesländern ist die Sachlage oft ähnlich, weshalb ein Grundsatzurteil, das vor wenigen Tagen in Nordrhein-Westfalen gesprochen wurde, umso wichtiger ist und hoffentlich wegweisend für die ganze Republik wird. Das Sonnenhaus-Institut e. V. und der Solarverband Bayern begrüßen diese Entscheidung.

Konkret hatte das Oberverwaltungsgericht in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden, dass die Eigentümerin eines Wohnhauses in der denkmalgeschützten Düsseldorfer „Golzheimer Siedlung“ ebenso wie die Eigentümerin eines Baudenkmals in Siegen einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen hat.

Obwohl die Antragsteller in beiden Fällen Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt hatten, verweigerten die jeweils zuständigen Bauämter die Genehmigung. Das Verwaltungsgericht wertete die Einwände des Denkmalschutzes als nicht ausreichend und stellte fest, dass „bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt“.

Grundsatzurteil vs. Einzelfallentscheidung

Bernd Kerscher, Vorstand im Sonnenhaus-Institut und Vorstandsvorsitzender des Solarverbands Bayern, kommentiert das so: „Wir leben in herausfordernden Zeiten und können uns absolut nicht leisten, dass die Energiewende auch nur in Teilbereichen derart behindert wird, wie es beim Denkmalschutz häufig der Fall ist. Die Behörde hat naturgemäß immer die eigenen Aspekte im Blick, sodass es in seltensten Fällen zu einer vernünftigen Abwägung kommt.

Wenn der Gesetzgeber hier nicht schnell klare Prioritäten setzt, bleibt jede Entscheidung eine Einzelentscheidung, die in der Regel gegen die Bauherren ausgeht, obwohl die Antragsteller in solchen Fällen eigentlich immer eine sorgsame und schonende Ausgestaltung planen. Dass die Besitzer von aufwändig renovierten und gepflegten Baudenkmälern alles andere im Sinn haben, als Ihre Schmuckstücke durch eine lieblose Solaranlage zu verschandeln, sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Wenn sie den Mut und die Entschlossenheit aufbringen, Denkmalschutz und Energiewende zu vereinen, sollten ihnen keine Steine in den Weg gelegt werden.“

Regenerative Anlagen sind kein Eingriff in die Grundsubstanz

Insbesondere, so argumentiert Kerscher, müssen Solarkollektoren als lediglich technische Applikation und somit revidierbare Installation und nicht als Grundsubstanz des Gebäudes angesehen werden, wie andere Installation nach aktuellen – und nicht historischen – Vorschriften auch. Eine Reduzierung der Einzelfallentscheidung auf rein subjektive und vordergründig optische Begründung greift hier zu kurz. Auch historisch gesehen hätten damalige Eigentümer die jeweils konstruktiv oder technisch sinnvollste Variante – natürlich auch unter Einbeziehung gestalterischer Aspekte – gewählt.

Noch weniger sinnvoll erscheint es, die Vorgaben auf rein farbliche Gestaltung wie z. B. „rote Kollektoren“ zu reduzieren, die bei geringerem Ertrag zusätzlich teurer, aber trotzdem alles andere als historisch sind und rein optisch nicht wirklich denkmalgerecht wirken. So gesehen wäre eine weit freizügigere Behandlung von Solaranlagen mit etwas gestalterischem Gespür im Denkmal- bzw. Ensemblebereich mehr als angebracht.“

Insofern sei das Grundsatzurteil aus NRW besonders wichtig, denn hier entschieden die Richter nach Kerschers Ansicht mit großem Sachverstand. In der mündlichen Begründung der Urteile führte die Vorsitzende des 10. Senats aus: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die ‑ weiterhin erforderliche ‑ Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind Letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden. Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist. ■
Quelle: Justiz NRW / Sonnenhaus Institut / ml