Das 2017 nach dreijähriger Bauzeit fertiggestellte „Rathaus im Stühlinger“ der Stadt Freiburg ist das europaweit größte öffentliche Gebäude mit der Zielsetzung Netto-Nullenergiegebäude. Das heißt, der Jahresprimärenergiebilanz soll es genauso viel Energie zur Verfügung stellen, wie es selbst im Jahresverlauf benötigt.
Für die Primärenergiebilanz wird der nach Energieeinsparverordnung (EnEV) zu betrachtende Energiebedarf für Heizung, Lüftung, Beleuchtung und Kühlung berücksichtigt. Der nutzungsabhängige Bedarf, insbesondere für Arbeitsgeräte und EDV, sowie die angeschlossene Kita und Kantine sind nicht enthalten.
Auf einer Nettogrundfläche von 22 650 m2 bietet das Verwaltungsgebäude Platz für 840 Mitarbeiter. Für die Energiegewinnung am Gebäude wird die gesamte Gebäudehülle genutzt: Photovoltaik (PV) ist unter anderem in die Fassade integriert, auf dem Dach befinden sich zusätzlich PV-Module und Hybridkollektoren (photovoltaisch-thermische Kollektoren; PVT-Kollektoren) zur gleichzeitigen Bereitstellung von elektrischem Strom und Wärme (unter anderem für die Kantine).
Die Trinkwassererwärmung erfolgt über die PVT-Kollektoren, unterstützt von einem Gas-Brennwertheizkessel. Die Raumheizung basiert auf zwei Grundwasser/Wasser-Wärmepumpen, gekühlt wird über einen Grundwasser-Wärmeübertrager. Heizung und Kühlung erfolgen über Flächensysteme, Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung bilden das Belüftungskonzept.
„Für Gebäude dieser Größenordnung ist eine ausgeglichene – oder positive – Jahresenergiebilanz eine Herausforderung, da ein Gebäude je größer desto kompakter ist. Deshalb sinkt relativ zur Nutzfläche die
zur lokalen Energiegewinnung über Photovoltaik verfügbare Hüllfläche. Das Rathaus im Stühlinger zeigt, dass dies trotzdem gelingen kann“, sagt Dr. Peter Engelmann, der das Monitoring des Verwaltungsgebäudes im Rahmen eines Forschungsprojekts Projekts am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE leitet.
In dem vierjährigen Forschungsprojekt „Rathaus Freiburg – Netzdienliches Netto-Nullenergie Bürogebäude“, das vom BMWi gefördert wurde, hat das Fraunhofer ISE zusammen mit den Projektpartnern Stadt Freiburg, badenova und DS-Plan bis Ende 2019 Werkzeuge zur Planung und Erfolgskontrolle des Plusenergiegebäudes eingesetzt und weiterentwickelt.
Während der Betriebsführung wurden die dynamischen Lastprofile von Bedarf und Erzeugung optimiert. Im ersten vollen Betriebsjahr 2018 wurde das Energieziel fast erreicht. Wenn die im Monitoring identifizierten Defizite und Optimierungspotenziale im Betrieb der gebäudetechnischen Anlagen behoben bzw. erschlossen werden, ist davon auszugehen, dass das Netto-Null-Ziel erreicht werden kann.
Der Gebäudebetrieb wird weiter wissenschaftlich begleitet, um das langfristige Leistungsverhalten und die Belastbarkeit des Konzepts beurteilen zu können.