Der Fachkräftemangel bestimmt auch 2024 das Branchengeschehen in der TGA+E-Branche. Aktuelle Daten zeigen, dass beispielsweise Handwerk und Bauwesen mit 349 275 offenen Stellen in Deutschland deutlich mehr Engpässe ausweisen als andere Segmente. Finanz- und Rechnungswesen (140 530) oder Transport und Verkehr (176 247) stehen deutlich besser da. Dem gegenüber werden auch technische Fachkräfte (282 941) händeringend gesucht. In den TGA+E-Betrieben aller Größen heißt es heute: Stabile Bezahlung, flexible Homeoffice-Regelungen und Work-Life-Balance sind Priorität. Doch welchen Stellenwert nimmt der neue Karriere-Trend „Climate Quitting“ ein? Welche Maßnahmen binden Planer und Techniker?
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Bei jungen Talenten hat umweltverträgliches Wirtschaften einen hohen Stellenwert. Durch ihre Kerntätigkeit – Gebäude zukunftsfähig mitzugestalten – hat die TGA+E-Branche gut Chancen, sich zu profilieren.
■ Als einzelnes TGA+E-Unternehmen muss man jedoch ganz konkret den Beweis für nachhaltiges Handeln antreten. Da insbesondere junge Fachkräfte eine Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber der Umwelt bereits voraussetzen, ist dies zur Bindung aber nicht ausreichend.
■ Ein Unternehmen muss auch bei der Bezahlung, der Vereinbarkeit von Job und Familie und bei Angeboten zum mobilen Arbeiten punkten.
Quiet Quitting, Quick Quitting und jetzt Climate Quitting. Umfragen belegen immer wieder, wie wichtig nachhaltiges Wirtschaften für junge Fachkräfte europaweit geworden ist. Laut der jährlichen Klimaumfrage der Europäischen Investitionsbank vom Frühjahr 2023 achten acht von zehn jungen Deutschen zwischen 20 und 29 Jahren bei der Jobwahl auf die Klimafreundlichkeit eines potenziellen Arbeitgebers. Für 81 % der befragten 20- bis 29-Jährigen in Deutschland gilt die Klimahaltung potenzieller Arbeitgeber als wichtig, während sie für 18 % sogar von höchster Priorität ist.
Damit ist der „grüne“ Purpose eines Unternehmens für die jungen Fachkräfte hierzulande noch wichtiger als für den Durchschnitt aller jungen Europäerinnen und Europäer – dort sind es 76 %, denen die Haltung ihrer Firma zum Klima eine Herzenssache ist. Mit dem traditionell eher statischen Gebäudesektor rückt damit ein wichtiger Wirtschaftszweig in den Fokus. Hier treffen in Deutschland in der gesamten Handlungskette etwa 40 % des CO2-Ausstoßes auf eine messbar große Nachfrage nach jungen Fachkräften.
Wird die Branche nicht grüner, könnte eine nicht zu unterschätzende große Anzahl an Fachkräften auf Distanz gehen. Zumal es bereits heute für 100 offene TGA+E-Stellen gerade einmal 11 eine Stelle suchende Fachkräfte gibt. Wenn nun die zahlenmäßig dominierende Gruppe der Babyboomer in Rente geht, werden mehr und mehr Stellen unbesetzt bleiben. Kein Unternehmen kann es sich da noch leisten, Talente zu verlieren.
TGA+E-Unternehmen, die anhand der eigenen Tätigkeit den Betrieb von Gebäuden energieeffizienter machen, sollten den Mehrwert für die natürlichen Ressourcen deswegen deutlich nach außen tragen.
„Grüne Assets“ sind nicht ausreichend
Doch allein mit symbolischen „grünen Assets“ ist Fachkräftebindung nicht zu machen. Tatsache ist: Gerade unter den jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmern ist die Wechselbereitschaft in der Branche heute so hoch wie nie. Junge Fachkräfte setzen eine Verpflichtung gegenüber der Umwelt in großen Teilen bereits voraus.
Das gilt in erster Linie für Neuangestellte mit einem hohen Bildungsgrad. Vertrauen geht zulasten der Firmen sehr schnell verloren, die sich mit durchschaubaren Maßnahmen wie dem einmaligen Pflanzen eines Baumes vor der Firmenzentrale zufriedengeben. Patzen Arbeitgeber bei der Integration von nachhaltigen Features, ist es fast unmöglich, die Bindungsschäden zu kompensieren.
Hinzukommt, dass sich handfeste Vorteile im Arbeitsvertrag – unabhängig von Trends und Nachhaltigkeitsdebatten – weiterhin im TGA+E-Bereich stabil halten. Dazu gehört schwerpunktartig eine leistungsgerechte und zuverlässige Bezahlung. Homeoffice-Angebote und Work-Life-Balance gewinnen zunehmend unter männlichen Mitarbeitern an Relevanz. Dabei handelt es sich keineswegs um einen kurzfristigen Trend. Dezentrales Arbeiten ist zu einem der Haupttreiber von modernen TGA+E-Arbeitgebern geworden.
Das heißt im Klartext: Ein Unternehmen, das nur vorgibt, grün zu ticken und auch ansonsten herzlich wenig in seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investiert, ist kein Arbeitgeber mit und für die Zukunft. Deshalb müssen moderne Unternehmen neben der Nachhaltigkeit auch auf anderen Feldern punkten – etwa im Hinblick auf die Bezahlung, die Vereinbarkeit von Job und Familie sowie einer modernen Offerte im Bereich mobiles Arbeiten.
Checkliste für die Fachkräftebindung
Welche Maßnahmen am Ende des Tages zur Fachkräftegewinnung und Bindung wirklich funktionieren? Die wichtigste Handlung für Entscheider im Personalwesen ist es in diesem Kontext, die Mitarbeitenden möglichst frühzeitig und umfassend in die Ausgestaltung von Prozessen und Regelungen einzubeziehen. Vor allem wenn es um die Implementierung von Nachhaltigkeitsinnovationen (ÖPNV-Ticket, Papier einsparen, Energieverbrauch usw.), Präsenzregelungen oder die konkrete Gestaltung von Projekten in der Planung bzw. am Bau geht. Denn auch so können neue und damit auch neugierige Kolleginnen und Kollegen denkbar gut abgeholt werden.
Sind diese Prioritäten dahingehend abgesteckt, gilt es in turnusgemäßen Befragungen, von neuen Talenten relevantes Feedback einzuholen. Was kann der Arbeitgeber besser machen? Wo stecken Verbesserungsbereiche des jeweiligen Beschäftigten? Das schafft Verbindlichkeit und die nötige Portion Vertrauen.
Umgemünzt auf das Thema Nachhaltigkeit, sind ausgewählte Maßnahmen sinnvolle Ergänzungen. Dazu gehört die Reduzierung des CO2-Fußabdruckes, in sämtlichen Prozessen des Unternehmens. Auch die Vergrößerung des CO2-Handabdrucks, also das gezielte Vermeiden von CO2-Ausstoß beim Energieverbrauch, ist dabei zu nennen.
Alles in allem gilt also: Gehalt ist über die letzten Jahre nicht zu einer Nebensache bei der Gewinnung von Fachkräften geworden. Es bleibt weiterhin ein wichtiger Faktor. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass einschneidende Dynamiken der letzten Jahre und darunter zuerst flexible Arbeitszeitmodelle und ein Fokus auf grünes Wirtschaften nicht mehr wegzudenken sind. Auch in der TGA-Branche werden diese Faktoren immer wichtiger. Branchenfirmen aller Größen sind gut beraten, hier den Schwerpunkt zu legen.