Die Simulation der Nachtauskühlung eines Bürogebäudes belegt die Effizienz dieser natürlichen Gebäudeklimatisierung – nicht nur für Passivhäuser oder stark gedämmte Gebäude, sondern auch für Bestandsgebäude.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Mit den Folgen des Klimawandels auf das Wetter steigt auch in Deutschland der Bedarf an Lösungen, um im Sommer angenehme Temperaturen in Gebäuden zu gewährleisten.
■ Dass ein gesteuertes Nachtauskühlungskonzept zu einer natürlichen Gebäudeklimatisierung beitragen kann, wurde jetzt an einem Bürogebäude in Berlin gezeigt.
■ Eine natürliche Durchströmung über Fenster ist jedoch nicht immer effektiv genug. Mithilfe von Rohrventilatoren lassen sich auch entlegenere Raumteile erreichen und hier die Bauteile entwärmen.
Im Jahr 2022 werden schon seit Mai in Europa Spitzentemperaturen erreicht. Auch in Deutschland, das eigentlich für eher moderate Sommertemperaturen steht. Im Gegensatz zu vielen tropischen oder subtropischen Ländern verfügen deshalb auch nicht alle Gebäude über Klimaanlagen. Aber der Bedarf wird wohl steigen.
Ein gesteuertes Nachtauskühlungskonzept kann zu einer natürlichen Gebäudeklimatisierung beitragen. Die beiden zur InnoVision Gruppe gehörenden Unternehmen PlanTeam Schwarz und GreenSpleen haben dies für ein Bürogebäude in der Friedrichstraße in Berlin zur Evaluation der gebäudetechnischen Parameter unter Berücksichtigung der Bestandssituation und der Auswirkung der Nachauskühlung auf angrenzende Etagen über den Zeitraum von einem Jahr simuliert.
Die Kühllast kommt erst zeitversetzt
Ohne aktive Kühlung heizen sich Gebäude über den Tag hinweg auf. Je höher die Sonneneinstrahlung und je heißer die Außentemperaturen, desto mehr kumuliert dieser Wärmeeintrag von außen mit den internen Lasten durch Personen, Elektrogeräte, beispielsweise Drucker, Server, Computer und in Haushalten zudem noch Kühlgeräte, Waschmaschine, Backofen, Bügeleisen etc. Der Wärmeeintrag von außen (Kühllast) wird durch Fensterflächen und einen nicht behandelten Luftaustausch sofort und über die nichttransparenten Bauteile oft erst über viele Stunden zeitversetzt im Gebäude wirksam:
Wärme und Kälte werden je nach Baustoff und Materialität im Gebäude oder dessen Außenbereich (im hiesigen Simulationsbeispiel ein gepflasterter Innenhof) gespeichert und zeitversetzt abgegeben. Im schlechtesten Fall wärmt sich ein Gebäude über den Tag hinweg auf, der Baustoff wird aktiviert und im Außenbereich heizen sich darüber hinaus der Asphalt und der gepflasterte Innenhof auf.
Beides gibt im Zeitfenster mit einer kühleren, abendlichen und nächtlichen Außenluft seine Wärme ab. Die an den Innenraum mit zeitlicher Verzögerung abgegebene Wärme heizt diesen nun auf. Ist zu diesem Zeitpunkt noch kein Fenster geöffnet, staut sich die Wärme im Innenraum. Der Außenbereich strahlt ebenfalls die gespeicherte Wärme ab und beheizt trotz nun fehlender Sonneneinstrahlung weiterhin die Umgebung.
Effektivität der Nachtauskühlung
Hier setzt die Nachtauskühlung an: Im besten Fall steigt im Gebäude in den Aufenthaltsbereichen durch die dämpfende Wirkung der massiven Gebäudeteile die Temperatur tagsüber nicht auf kritische Werte und nachts wird die kühlere Außenluft zur Temperaturregulierung – also zur Entwärmung der Bauteilemasse – genutzt.
Eine Methode der Nachtauskühlung sind beispielsweise elektrisch öffenbare Fenster und eine natürliche Durchströmung. Das Baumaterial des Gebäudes wird dabei abgekühlt und kann tagsüber wieder Wärme aufnehmen. Das Aufheizen der Innenräume wird dadurch verlangsamt.
Je nach Lage eines Gebäudes und der Tiefe der nachts zu kühlenden Räume, erfasst jedoch die kühlere Außenluft nicht den gesamten Raum. Die Idee von PlanTeam Schwarz war es, durch Ventilaton entgegenzusteuern. Rohrventilatoren können beispielsweise genutzt werden, um die kühlere Außenluft in den Raum zu befördern. Hierdurch werden auch entlegenere Raumteile erreicht und gekühlt.
GreenSpleen hat zudem über thermische Simulationen die Unterschiede zwischen Gebäudeteilen, die mit und ohne eine Nachtauskühlung versehen sind, untersucht. Schon in der Simulation sind große positive Auswirkungen auf die Raumtemperatur über den Tag hinweg zu verzeichnen und belegen das Ergebnis des Feldversuchs. Simuliert wurden ebenfalls die Verschattung der Nachbargebäude sowie die Ausrichtung des Gebäudes. Als Simulationssoftware wurde TAS (Thermal Analysis Simulation) verwendet. Verbessert werden kann der Effekt der Nachauskühlung durch
● einen wenig versiegelten Außenbereich und viel Begrünung; dieser speichert weniger thermische Energie und wirkt sich zudem auf den O2-Gehalt der einströmenden Luft aus;
● Verschattung der Fenster tagsüber;
● Materialität der Gebäudehülle und der Innenwände sowie eine
● offene Raumgestaltung.
Voraussetzungen zur Nachtauskühlung sind elektrisch öffenbare Fenster (bzw. äquivalente Öffnungen) sowie eine Wetterstation zur Vermeidung von Regeneinfall oder Schäden durch Wind. Die Nachtauskühlung ist gleichermaßen für Neubau und Bestandsgebäude geeignet, wobei jeweils die projektspezifischen Gegebenheiten zu bewerten (und ggf. parallel zu optimieren) sind.
Der Einsatz bietet sich für Bürogebäude, Gewerbegebäude, Schulen, Verwaltungsgebäude und Wohngebäude an. Wobei bei letzteren die Nutzer die Nachtauskühlung auch durch manuelles Fensteröffnen vornehmen können und dies in der Regel bei Anwesenheit zumindest auch für bestimmte Zeitabschnitte machen.
Vorteile der Nachtauskühlung sind gegenüber einer aktiven Klimatisierung geringe Betriebskosten, ein geringerer technischer Aufwand, geringere Investitionskosten und ein kleinerer CO2-Fußabdruck.
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Raumluftströmung
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