Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
EnEV

Haften für den Energieausweis

Die Energieeinsparverordnung EnEV 20071) stellt den derzeitigen Abschluss einer Ent­wicklung dar, deren erster Auslöser die Ölkrise vom Oktober 1973 war. Vor bald 35 Jahren drosselten die OPEC-Staaten die Produktion und der Ölpreis stieg binnen weniger Tage um ca. 400 %. Den mächtigen Industrienationen wurde erstmals bewusst, dass die Weltwirtschaft von ­einer kleinen Minderheit abhängt. 1976 wurde dann in Deutschland das „Gesetz zur Einsparung von Energie in Gebäuden“ (Energieeinsparungs­gesetz – EnEG, neugefasst durch Bekanntmachung vom 1. September 2005, BGBl I 2684) erlassen. Klimaschutz und der befürchtete Klimawandel ­haben die weitere Entwicklung wesentlich be­einflusst.

Die EnEV und das EnEG als Ermächtigungsgrundlage dienen der rechtzeitigen Einleitung von Maßnahmen nicht nur bei Neubauten, sondern auch für Bestandsgebäude: Denn aufgrund absehbar weitersteigender Energiekosten wird die energetische Qualität eines Gebäudes zu einem maßgeblichen Entscheidungskriterium für Mieter oder Käufer werden.

In 31 Paragraphen, die es in juristischer und technischer Hinsicht in sich haben, werden die Anforderungen der EnEV 2007 formuliert. Dazu kommen zahlreiche Anlagen, zu deren Verständnis erhebliche fachtechnische Kenntnisse erforderlich sind. Die Umsetzung der insgesamt 79 Seiten umfassenden Verordnung stellt auch ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten Juristen, bauausführende Unternehmer, Architekten und Fachingenieure sowie insbesondere teilweise rat- und hilflose Immo­bilieneigentümer vor Probleme, deren Dimen­sionen gewaltig sind und deren Brisanz von allen Beteiligten noch nicht in umfassender Weise ­erfasst worden ist.

Insbesondere größere und ältere Wohnungs­eigentumsanlagen und deren Verwalter sind zur Bewältigung dieser Aufgaben nicht ausreichend gerüstet: Denn – je nach Sozialstruktur der ­Eigentümergemeinschaft – steht häufig kleinen Gruppen der modernisierungswilligen, in die ­Zukunft schauenden Miteigentümer eine Mehrheit der unwilligen Wohnungseigentümer bezogen auf etwaige Investitionen gegenüber.

Haben sie sich mit dem Kauf ihrer Eigentumswohnung finanziell übernommen, so ist das primäre Ziel Einsparung von Instandhaltungskosten und Vermeidung von Modernisierungen. Wenn zukunftsweisende Maßnahmen zur Verbesserung der Energiebilanz des Gebäudes mit Stimmenmehrheit verhindert werden können, so ergibt sich ein Konflikt zwischen den Geboten des EnEG und der EnEV und den Beschlussmöglichkeiten des Wohnungseigentumgesetzes (WEG).

Die Ziele der EnEV sind äußerst ehrgeizig: Innerhalb eines Zeitraumes von 10 bis 15 Jahren sollen mindestens 70 % der Emissionen und der Energie eingespart werden. Bei Neubauten ist dies durch entsprechende Planung und Bauerrichtung ohne Weiteres möglich. Bei Bestandsbauten bzw. Altbauten kann dies ebenfalls durch eine Reihe von Maßnahmen realisiert werden. Das Ziel will der Verordnungsgeber mit den Mitteln des gesetzgeberischen Zwangs erreichen. Praktisch für alle Bauteile, die die energetische Gesamtbilanz eines Gebäudes beeinflussen, werden in der EnEV 2007 Fristen gesetzt und ab 2008 Energieausweise gefordert. Bei Nichteinhaltung der Vorgaben droht der Gesetzgeber mit Bußgeldern in teils empfindlicher Höhe. Eine wesentliche Neuerung der EnEV 2007 war die Einführung von Energieausweisen für bestehende Gebäude.

Werk- oder Dienstvertrag?

Die Vorschriften der EnEV betreffen im Wesentlichen das öffentlich-rechtliche Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern. Der Staat will – nicht zuletzt durch die scharfen Bußgeldvorschriften in § 8 EnEG – sicherstellen, dass in den gesetzlich normierten Fällen Energieausweise erstellt und als Entscheidungshilfen bereitgehalten werden.

Dagegen richten sich die Verhältnisse der Beteiligten untereinander nach zivilrechtlichen Grundsätzen. Dabei ist aber fraglich, ob hier Dienstvertragsrecht oder Werkvertragsrecht Anwendung findet. Nach Auffassung des Autors ist Werkvertragsrecht gemäß § 631 ff. BGB anzuwenden, da in privatrechtlicher Hinsicht die Ausfertigung eines solchen Energieausweises als erfolgsbezogen zu sehen ist: Entweder soll dem Auftraggeber selbst oder seinem potenziellen Vertragspartner (Käufer oder Mieter) ein zutreffendes Bild über den energetischen Zustand des Gebäudes vermittelt und durch einen Ausweis eines qualifizierten und unabhängigen Fachmanns nachgewiesen werden.

Die Leistung des Ausstellers derartiger Energieausweise ist nicht als bloße Dienstleistung, sondern als Werkleistung anzusehen. Dies wird auch bei gutachtlichen Leistungen von der Rechtsprechung angenommen. Der Energieausweis ist damit als „Werk“ im Sinne der §§ 631 ff. BGB zu beurteilen2).

Soweit eine Werkleistung mangelhaft ist, löst dies gemäß § 634 BGB verschiedene Ansprüche des Auftraggebers gegen den Unternehmer aus. Im Werkvertragsrecht steht der Nacherfüllungsanspruch an erster Stelle. Dies gilt aber nicht, wenn der Schaden bereits eingetreten und nicht wieder gut zu machen ist. In diesem Falle ist an Schadensersatzansprüche im Sinne des § 634 Nr. 4 BGB zu denken (siehe unten).

Der mangelhafte Energieausweis

Ein Mangel im Sinne des Werkvertragsrechts liegt immer dann vor, wenn das Werk nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Weicht die Ist-Beschaffenheit – wie das Werk sich darstellt – von der Soll-Beschaffenheit – wie das Werk vertragsrechtlich auszusehen hat – ab, so liegt ein Mangel im Sinne des Werkvertragsrechts vor. Diese Beschaffenheit kann auch „schlüssig vereinbart“ sein: Dann steht dem Auftraggeber an Leistungen und Erfolg zu, was er im Rahmen des Werkvertrags erwarten konnte. Dazu ist die Erfüllung aller Anforderungen an den Energieausweis zu zählen, die sich aus der Gebäuderichtlinie und deren Umsetzung durch das EnEG und die EnEV ergeben.

Insbesondere muss ein Energieausweis auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung tauglich sein, einen Vergleich und eine Beurteilung der Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes zu ermöglichen. Diese Anforderungen sind streng zu handhaben. Insoweit kann ein Vergleich nur bedeuten, dass alle wesentlichen, für eine ener­getische Gebäudegegenüberstellung benötigten Parameter in einer noch vertretbar engen Bandbreite zutreffend in Ansatz gebracht wurden und demnach dem Besteller des Energieausweises zur Verfügung stehen.

Insoweit ist die Ausstellung eines Energieausweises mit der Erstellung eines Gutachtens vergleichbar. Der Ausweisaussteller hat deswegen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ausgestaltungsanforderungen ein genaues Gutachten in Form des Ausweises zu liefern. Außerdem muss der Energieausweis zwingend Empfehlungen für kostengünstige Verbesserungsmaßnahmen enthalten. Empfiehlt der Aussteller unwirtschaftliche Maßnahmen, ist seine Leistung als mangelhaft im Sinne des Werkvertragsrechts anzusehen. Der Aussteller muss dazu die gesetzlichen Vorgaben zu den Berechnungsmethoden beachten und die Dokumentation sorgfältig vorbereiten.

Meldungen jüngeren Datums von Verbraucherschutzorganisationen, die reale Energieausweise überprüft haben, lassen vermuten, dass bereits erhebliche Fehlleistungen beim Erstellen von Energieausweisen aufgetreten sind und weiterhin auftreten werden. Die Befürchtung, dass mehr oder minder ungeprüfte Daten, aus Plänen entnommen oder vom Auftraggeber mitgeteilt, in die Berechnungen einfließen, hat sich danach ebenfalls bestätigt. Sind diese Daten unzutreffend, ist der Ausweis mangelhaft. Von einer solchen Mangelhaftigkeit des Ausweises ist auch dann auszugehen, wenn der Ausweis nicht die vertraglich vorausgesetzte Verwendungseignung aufweist. Das ist in allen Fällen anzunehmen, in denen der Ausweis von einer Person ausgestellt wird, die nach den gesetzlichen Vorschriften dazu nicht berechtigt ist.

Schadensersatzansprüche denkbar?

Ein werkvertraglicher Schadensersatzanspruch setzt ein Verschulden des Ausstellers des Energieausweises voraus. Dieses Verschulden liegt schon dann vor, wenn dem Aussteller Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt zur Ermittlung der notwendigen Daten außer Acht lässt.

Diese Fehlerquellen können in der Praxis vielfältig sein. Die möglichen Fehler lassen sich in aller Regel der Datenerhebung, Datenverarbeitung und der Datendarstellung zuordnen. Denkbar ist beispielsweise, dass sich der Aussteller nur unzureichende Kenntnisse über die bauphysikalischen Kenngrößen des Objektes verschafft hat. Für diesen Fall sind ihm regelmäßig sorgfaltswidrige Versäumnisse bei der Faktenerhebung vorzuhalten. Ebenso kann es passieren, dass der Aussteller falsche Berechnungsmethoden anwendet und daher zu einem falschen Ergebnis ­bezogen auf die Aussagekraft des ­Ausweises kommt.

Der Schaden kann darin liegen, dass sich der Auftraggeber selbst Ansprüchen seiner Vertragspartner ausgesetzt sieht, denen er den Energieausweis als Entscheidungshilfe zur Verfügung gestellt hat. Betroffen sein können also Käufer oder Mieter der Immobilie.

Machen diese Vertragspartner des Auftraggebers im Einzelfall Gewährleistungs- oder Haftungsansprüche geltend, wird der Auftraggeber bei dem Aussteller des Ausweises Regress nehmen wollen.

Zivilrechtliche Rechtswirkungen

Nun könnte argumentiert werden, dass solche Ansprüche von Käufern oder Mietern gegenüber dem Eigentümer der Immobilie schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil der Energieausweis lediglich der Information dienen soll. Dies könnte man aus § 5 a Satz 3 EnEG entnehmen.

Richtig ist insoweit, dass es im Gesetzgebungsverfahren bei der ergänzenden Einführung dieser Regelung – insbesondere auf Druck wohnungswirtschaftlicher Verbände – tatsächlich darum gegangen ist, sicherzustellen, dass der Energieausweis nicht juristischer Bestandteil des notariellen Kaufvertrages bzw. des Mietvertrages wird. In der entsprechenden Veröffentlichung (Bundestags-Drucksache 15/5849, Seite 7) wird folgendes ausgeführt:

„Mit der Ergänzung soll verdeutlicht werden, dass die Energieausweise als Marketinginstrument im Grundstücksverkehr lediglich zur Unterrichtung der Marktteilnehmer über energetische Eigenschaften eines Gebäudes beitragen sollen. Das Energieeinsparungsgesetz weist den Energieausweisen jedoch keine neuen rechtlichen Wirkungen zu. Rechtswirkungen in Kauf- und Mietverträgen können sich in der Regel nur entfalten, wenn die Vertragsparteien den Energieausweis ausdrücklich zum Vertragsbestandteil machen.“

Wenn der Gesetzgeber allein mit dieser Begründung beabsichtigt haben sollte, zivilrechtliche Rechtswirkungen der Energie-ausweise zu leugnen oder zu beschränken, wäre ihm dies gründlich misslungen. Zunächst fragt sich dann, warum er es bei einer lediglich deklaratorischen, ausschließlich öffentlich-rechtlich bedeutsamen Normierung in § 5 a EnEG belassen und nicht auch eindeutige zivilrechtliche Einschränkungen im einschlägigen kauf-, miet- und werkvertraglichen Gewährleistungsrecht vorgesehen hat.

Des Weiteren können die Vertragsparteien – wie oben angesprochen – die Inhalte und Ergebnisse von Energieausweisen nicht nur „ausdrücklich“, sondern auch konkludent zu vertraglichen Soll-Anforderungen erheben, insbesondere über Beschaffenheitsvereinbarungen. Dies ist häufig sogar geradezu naheliegend, weil der Energieausweis als Instrument der Entscheidungsfindung konzipiert ist. Schließlich weist bereits die Gebäuderichtlinie (Artikel 7, Nr. (2), Abs. 2) ausdrücklich darauf hin, dass es für die Rechtswirkungen aus der „Informationsquelle Energieausweis“ allein auf das jeweilige nationale Recht ankommt, d.h. aus der Umsetzung der Gebäuderichtlinie ergeben sich gerade keine Notwendigkeiten für die Regelung weiterer, auch zivilrechtlich relevanter Einschränkungen.

Welche Schäden sind möglich?

Unzweifelhaft kommt es im Einzelfall auf eine Prüfung an, ob und inwieweit aus fehlerhaften ­Energieausweisen beim Auftraggeber Schäden eingetreten sind. Diese können z.B. aus Mängelansprüchen der Vertragspartner des Auftrag­gebers (z.B. Miet- oder Kaufpreisminderung, ­Ansprüche aus Kündigung oder Rückabwicklung von Verträgen usw.) stammen. Denkbar sind auch eigene oder „weitergereichte“ Schadensersatz­ansprüche, z.B. wegen Energiemehrkosten, wenn der Energieausweis die Gesamtenergie­effizienz des Gebäudes falsch dargestellt hat. Auch für vom Auftraggeber auf Empfehlung des Ausstellers umgesetzte, aber unwirtschaftliche Verbesserungsmaßnahmen kann Schadensersatz zu leisten sein (ggf. unter Anrechnung von Sowiesokosten). Somit sind vielerlei Regressmöglichkeiten bei mangelhaftem Energieausweis denkbar.

Zugunsten des Ausstellers kommt unter Umständen der ­Mitverschuldenseinwand gemäß § 254 BGB in Betracht. Dies ist zumindest denkbar, wenn der Auftraggeber unzutreffende Daten geliefert hat, die in die ­Berechnung eingeflossen sind. Allerdings entbindet die Datenbereitstellung den Aus­steller grundsätzlich nicht von e­igenen sorgfältigen Prüfungen auf Verlässlich-keit der Daten. Kann und muss er Zweifel an der Richtigkeit der Daten haben, treffen den Aussteller als Fachmann gesteigerte Nachprüfungspflichten.

Ein Mitverschuldenseinwand kommt auch in Betracht, wenn der Architekt oder ein Sonderfachmann des Auftraggebers Pläne und sonstige Unterlagen oder Daten auf Anordnung des Auftrag­gebers zur Verfügung gestellt hat. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, ob der Architekt oder Sonderfachmann im Einzelfall aufgrund der konkreten vertraglichen Vereinbarungen als Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers im Verhältnis zum Aussteller anzusehen ist. Dies wird auch dann der Fall sein, wenn der Auftraggeber dem Aus­steller die Lieferung der Unterlagen und Daten vertraglich schuldet und damit die grundsätzliche Leistungspflicht des Ausstellers zur eigenen ­Fakten- und Grundlagenerhebung eingeschränkt wird. Hierdurch ändert sich allerdings nichts an der schon vorher erwähnten Prüfungspflicht des Ausstellers. Insoweit kommt im Übrigen bei unrichtigen Architektenplänen und -angaben auch eine gesamtschuldnerische Haftung von Architekt und Aussteller gegenüber dem Auftraggeber in ­Betracht.

Dritthaftung durch Aussteller

Der Bausachverständige Kamphausen2) weist in dem Aufsatz im Baurecht 2006 zu Recht darauf hin, dass in der Rechtsprechung seit langem geklärt ist, dass Verträge von Experten (Sachverständigen, rechts- und steuerberatende Berufe etc.) nicht nur den direkten Vertragspartner, sondern auch Dritte schützen und damit auch unmittelbare Haftungsansprüche begründen können, obwohl die Dritten nicht Vertragspartner geworden sind. Eine solche Haftung wurde z.B. bei Gutachten eines Immobiliensachverständigen und bei Untersuchungen eines Baugrundsachverständigen vom BGH angenommen. Es ist deswegen davon auszugehen, dass die bisherige Rechtsprechung keinen Anlass sehen wird, von ihrem haftungsrechtlichen Lösungsansatz des Expertenvertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter abzurücken.

Allerdings ließe sich die Dritthaftung von Experten seit der Schuldrechtsmodernisierung auch an § 311 Abs. 3 und § 241 Abs. 2 BGB festmachen. Danach kann ein Schuldverhältnis, das insbesondere zur Interessenwahrung verpflichtet, auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Außenstehende in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Diese Vorschriften stellen also nicht mehr auf einen, im Extremfall sogar lediglich im Wege extensiver Auslegung fingierten, Vertragswillen bei Abschluss des Expertenvertrages ab, sondern begründen zum „Dritten“ ein eigenes (rechtsgeschäftsähnliches) Schuldverhältnis mit möglichen Haftungsfolgen im Falle enttäuschten Vertrauens.

Die Rechtsprechung hat Experten (z.B. für fehlerhafte Gutachten) dann gegenüber Dritten haften lassen, wenn diese auf die Expertenleistung vertrauen und auf der Grundlage dieses Vertrauens erhebliche Vermögensdispositionen getroffen haben. Diese Haftungssituation trifft auch für Energieausweise zu. Hier sei nur auf folgendes hingewiesen:

  • Der Energieausweis soll Verbrauchern energetische Vergleiche und Beurteilungen im Rahmen von Entscheidungsfindungen für Bau, Kauf oder Miete ermöglichen. Dabei geht es regelmäßig um erhebliche Vermögensdispositionen. Nach seiner Konzeption ist der Energieausweis damit zudem selbst geradezu typischerweise „drittschützend“.
  • Der Kreis derjenigen, die für solche Vermögensdispositionen in Betracht kommen, wird durch die Gebäuderichtlinie mit Immobilieneigentümern, potenziellen Käufern und Mietern bezeichnet. Jedem Aussteller ist damit klar, dass ein Auftraggeber den Energieausweis Dritten vorlegen wird (und dies gesetzlich sogar muss) und diese auf dessen Richtigkeit vertrauen werden.
  • Als Aussteller von Energieausweisen dürfen nur qualifizierte und unabhängige Fachleute mit staatlich reglementierter Berechtigung auftreten.

Damit liegen alle grundlegenden von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen einer Dritthaftung vor.

Vertragliche Haftungseinschränkungen

Die praktisch wichtigste Möglichkeit für den Aussteller von Energieausweisen, seine Haftungsrisiken zu beschränken, ist mit seinem Auftraggeber klare und unmissverständliche Regelungen über sein Leistungssoll zu treffen. Dabei ist zu beachten, dass die Möglichkeiten begrenzt sind, da solche Vereinbarungen das gesetzlich vorgegebene Leistungsziel „Energieausweis nach der EnEV“ nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigen dürfen.

Im Übrigen lässt sich sagen, dass vertragliche Haftungsbeschränkungen heute als allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) kaum noch in nennenswertem Umfang wirksam vereinbart werden können. Bei Expertenverträgen muss dann befürchtet werden, dass hiermit in kardinale Leistungspflichten eingegriffen wird. Aus diesem Grund muss z.B. damit gerechnet werden, dass eine Haftungsfreizeichnung in AGB für fahrlässig verursachte Fehler des Energieausweises, die vor einigen Jahren von den Gerichten noch toleriert worden wären, heute möglicherweise für unwirksam erklärt würde.

Eine besondere Problematik stellt die Einschränkung der Dritthaftung dar. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sachverständigenhaftung konnte der Gutachter durch eine Vereinbarung mit seinem Auftraggeber klarstellen, dass er gegenüber einem Dritten nicht haften wollte. Unklar war zuletzt nur noch, ob aus Publizitätsgründen dieser Haftungsausschluss im Gutachten selbst ausdrücklich aufgeführt werden musste.

Diese Situation wäre wiederum anders zu beurteilen, wenn man die bisherige Konstruktion eines Expertenvertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter verlässt und stattdessen auf ein eigenständiges Schuldverhältnis zwischen dem Experten und dem Vertragspartner des Ausstellers im Sinne von § 311 Abs. 3 BGB abstellen würde. ­Diese Bestimmung lautet: „Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte im besonderen Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst“.

Mit diesem Vertragspartner bestünden durchweg keinerlei schriftlich fixierte oder auch nur konkludente Vertragsvereinbarungen, da der Aussteller den Kauf- und Mietinteressenten seines Auftraggebers in der Regel nicht kennt. Da es sich um ein eigenes Schuldverhältnis handelt, könnten Haftungsbegrenzungen aus dem Vertrag mit dem Auftraggeber oder sonstige Absicherungen oder Einschränkungen, auf die der Experte z.B. im Energieausweis ausdrücklich hingewiesen hat, jedenfalls nicht unmittelbar den Inhalt des Schuldverhältnisses mit dem geschützten Vertragspartner seines Auftraggebers bestimmen. Allerdings könnte damit der Grad des Vertrauens in den Energieausweis abgeschwächt werden. Dies wiederum würde den gesetzlichen Vorgaben für die Qualität und Aussagekraft des Energieausweises widersprechen.

Fazit

Bezüglich der Bewertung des Vertragsverhältnisses zwischen Auftraggeber und Aussteller ist von einem Werkvertrag auszugehen, der aber auch Schutzwirkungen zugunsten Dritter entfalten kann, wie die Rechtsprechung zu Expertenverträgen ausweist. Allerdings bleibt die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu diesem weiteren Feld abzuwarten.

Der Artikel basiert auf einem Vortrag beim 30. Uponor Arlberg Kongress.

1) vom 24. Juli 2007, am 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Für die (EnEV2009) hat die Bundesregierung bereits im Juni 2008 einen Entwurf an den Bundesrat weitergeleitet. Dieser ist dort momentan blockiert, weil für einige Neuerungen zunächst das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) vom Bundestag geändert werden muss.

2) Bereits 1972 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Beauftragung zur Durchführung eines Gutachtens sich nach werkvertragsrechtlichen Vorschriften richtet. Gleiches gilt für die Begutachtung durch einen Statiker. Ebenso ist die Arbeit eines Vermessungsingenieurs hinsichtlich der Einmessung und Absteckung eines Hauses auf dem Baugrundstück als Werkvertrag angesehen worden. Gleiches gilt für die Planungsarbeit der Architekten und Fachingenieure. Bereits im Baurecht 2006, Bl. 1208 ff., hat der Bausachverständige Peter-Andreas Kamphausen darauf verwiesen, dass bezüglich der Haftung des Ausstellers die Vorschriften des Werkvertrags Anwendung finden.

Friedrich-Wilhelm Stohlmann

Rechtsanwalt, Kanzlei Stohlmann mit den Schwerpunkten Bau- und Arbeitsrecht, 40213 Düsseldorf, Telefon (0211) 3369160, info@kanzlei-stohlmann.de, http://www.kanzlei-stohlmann.de

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ TGA+E-ePaper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Fokus TGA: Sonderhefte (PDF)
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen