Auch eine fachgerechte durchgeführte Beprobung kann manchmal in die Irre führen: Eine hochkontaminierte Armatur kann selbst nach dem Ablauf von 1000 ml noch so viele Legionellen an das Probennahmevolumen abgeben, dass eine systemische Kontamination vorgetäuscht wird.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ In Trinkwasser-Installationen müssen geeignete und repräsentative Probennahmestellen vorhanden sein. Dafür ist der Betreiber verantwortlich. Sinnvollerweise plant der Fachplaner diese bereits ein und schreibt sie im Leistungsverzeichnis aus.
■ Zumeist können die Probennahmen über normale Entnahmearmaturen erfolgen. Doch je nach deren Lage im Gebäude, Bauart und Fragestellung sind spezielle Probennahmeventile notwendig.
■ Als Sachverständiger sollte man zusätzlich stets die Befunde und die Temperaturen auf Plausibilität überprüfen. Manchmal ist trotz „systemischer Untersuchung“ lediglich die Entnahmearmatur kontaminiert. Das Hinterfragen lohnt sich also, um mögliche Fehlinterpretationen und damit verbundene Kosten und Aufwand zu vermeiden.
„Trinkwasser muss so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit insbesondere durch Krankheitserreger nicht zu besorgen ist.“ [1] Die Einhaltung dieser hohen Anforderung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) wird in Gebäuden durch regelmäßige Probennahmen aus den Trinkwasser-Installationen überwacht.
Wird der technische Maßnahmenwert für Legionella gemäß TrinkwV § 16 Abs. 7 überschritten, muss eine Gefährdungsanalyse veranlasst werden. Darin sollen vor allem zwei Kernfragen beantwortet werden, da sie den Sanierungsumfang maßgeblich bestimmen. Sie lauten:
1. Ist die Trinkwasser-Installation lokal kontaminiert oder systemisch?
2. Wenn sie systemisch kontaminiert ist, sind Trinkwasser kalt, warm oder beide betroffen?
Ort der Probennahmen
Es ist eine geflügelte Aussage von Hygienikern, dass die meisten Fehler bei der Probennahme und nicht im Labor gemacht werden. Deshalb kommt vor allem dem Ort von Probennahmestellen innerhalb der Trinkwasser-Installation eine hohe Bedeutung für die Aussagekraft späterer Ergebnisse zu.
Bei einer systemischen Untersuchung soll beispielsweise gezeigt werden, ob die Trinkwasser-Installation als „System“ einwandfreies Trinkwasser in der hohen Güte der Wasserversorger bis an jede Entnahmestelle liefert. Die Voraussetzungen dafür sind: Trinkwasser warm (PWH) mit mindestens 55 °C an jeder Stelle im Gebäude, Trinkwasser kalt (PWC) nicht wärmer als 25 °C und ein bestimmungsgemäßer Betrieb über alle Entnahmestellen nach mindestens 72 Stunden.
Die sicherlich bekannteste Vorgabe zur Positionierung von Probennahmestellen (Bild 2) ist das DVGW-Arbeitsblatt W 551 [2]. Weitere wesentliche Ausführungen finden sich in der Empfehlung des Umweltbundesamts (UBA) „Systemische Untersuchung von Trinkwasser-Installationen auf Legionellen nach Trinkwasserverordnung …“ [3]. Dabei entspricht die „orientierende“ Untersuchung auf Legionella gemäß DVGW W 551 sinngemäß der „systemischen“ Untersuchung gemäß TrinkwV.
Wer richtet Probennahmestellen für Legionella ein?
„Der Unternehmer und der sonstige Inhaber der Wasserversorgungsanlage haben sicherzustellen, dass an der Wasserversorgungsanlage nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik geeignete Probennahmestellen vorhanden sind.“ [TrinkwV § 14b]. Für andere Parameter, die sich in der Trinkwasser-Installation ändern können, sind die üblichen Entnahmestellen geeignet.
Weitere Entnahmestellen sind für besondere Fragestellungen sinnvoll. Beispielsweise vor und hinter Bauteilen und Apparaten, die möglicherweise mit Pseudomonas aeruginosa kontaminiert sein können. Dazu gehören potenziell große Absperreinrichtungen, Druckerhöhungsanlagen oder Enthärtungsanlagen.
Der Auftrag für besondere Probennahmestellen muss also vom Investor oder Betreiber kommen, der diesen Auftrag der TrinkwV aber in aller Regel nicht kennt. Erfahrene Planer planen solche Probennahmestellen ein und schreiben Probennahmeventile im Leistungsverzeichnis genauso aus, wie auch die (Erst-)Untersuchungen zum Zeitpunkt der werkvertraglichen Abnahme, der sogenannten Übergabe, siehe VDI 6023 Blatt 1 [4].
Wo sind Probennahmeventile notwendig?
Spezielle Probennahmeventile sind im Regelwerk nicht vorgeschrieben, aber an manchen Stellen sinnvoll und manchmal sogar unverzichtbar: Bei zentraler Trinkwassererwärmung gehören sie in den PWH-Vorlauf und ein weiteres in den Rücklauf der Warmwasserzirkulation (PWH-C), noch vor der Sicherungseinrichtung in Fließrichtung zum Speicher oder Wärmeerzeuger.
Weiterhin sind sie sinnvoll bei Armaturen, bei denen konstruktionsbedingt immer gemischtes Trinkwasser warm (PWH) und Trinkwasser kalt (PWC) in einem nicht definierten Verhältnis am Auslauf anstehen. Denn bei Mischwasser kann eine mögliche Kontamination nicht eindeutig dem Trinkwasser warm oder kalt zugeordnet werden. Die Folge wäre, dass die Ursachenfindung schnell in eine falsche und daher oftmals teure Richtung führen würde.
Fachgerechte Probennahmen bei Armaturen mit Mischwasser
Armaturen, über die keine fachgerechte Probennahme möglich ist, finden sich in der vom Autor erstellten Tabelle (Bild 3). Bei diesen Armaturen steht am Auslass grundsätzlich Mischwasser an (PWH und PWC). Während bei Armaturen der Gruppe 3 und 4 vor der Probennahme die Vorabsperrung, zum Beispiel Eckventile mit Regulierfunktion, zugedreht werden können, geht dies bei wandhängenden Armaturen und bei den Armaturen mit Thermostat der Gruppen 1 und 2 in aller Regel nicht so einfach.
Denn wenn Trinkwasser kalt bei abgesperrt Armaturen mit Thermostat der Gruppen 1 und 2 wird, stoppt innerhalb von 3 s auch das Trinkwasser warm: Diese Eigenschaft dient dem Verbrühungsschutz der Nutzer im Normalbetrieb (DIN EN 1111). Zwar könnte der Probennehmer die Thermostate außer Betrieb setzten. Doch dazu fehlen meist die Zeit und das Werkzeug. Darüber hinaus würde sich auch eine Haftungsfrage ergeben: Was passiert, wenn der Probennehmer vergisst, den Thermostaten wieder auf die richtige Ausgangstemperatur zurückzusetzen und es kommt zu einer Verbrühung?
Insofern ist es sinnvoller, bei Armaturen der Gruppen 1 und 2 geeignete Probennahmestellen in der Nähe oder Probennahmeventile auszuwählen, siehe Bild 4 und Bild 5.
Repräsentative Probennahmestellen für Legionellen
„Die Proben für Untersuchungen […] müssen an mehreren repräsentativen Probennahmestellen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik entnommen werden.“ [TrinkwV, § 14b, Abs. 3] Ergänzend hierzu führt das Umweltbundesamt in [3] aus: „Bei der Beprobung einer Auswahl von Steigsträngen ist die Repräsentativität dieser Probennahmestellen zu begründen.“
Repräsentativität … zu begründen, ist eine sehr hohe Anforderung, die nur mit ausreichender Kenntnis der zu beprobenden Trinkwasser-Installation und deren Nutzung gemäß Raumbuch erfüllt werden kann.
Abweichend von der Beprobung des „längsten Fließwegs“ gemäß DVGW W 551 wissen wir spätestens seit dem BMBF Biofilm-Verbund-Projekt [5], dass die ungünstigste Entnahmestelle weniger durch die Länge des Fließweges, sondern eher über eine unregelmäßige Nutzung beschrieben werden kann.
Der systemische Ansatz gemäß TrinkwV
„Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik bei der Probennahme wird vermutet, wenn DIN EN ISO 19458, wie dort unter Zweck b beschrieben, eingehalten worden ist.“ [TrinkwV § 14b, Abs. 3] Diese weltweit gültige Norm für eine fachgerechte mikrobiologische Probennahme schreibt unter Zweck b vor, dass vor der Probennahme der Strahlregler, Duschkopf und Brauseschlauch etc. entfernt und der Wasserauslass desinfiziert werden muss.
In der Praxis wird dieser Aufwand oftmals gescheut oder aus anderen Gründen nach Zweck c untersucht, obwohl sich dazu das Umweltbundesamt eindeutig äußert: „Die Ergebnisse aus Untersuchungen nach Probennahme gemäß DIN EN ISO 19458, Tabelle 1, Zweck c) können nicht zur Umsetzung der Anforderungen gemäß § 14b TrinkwV oder der Anforderungen gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 551 verwendet oder bewertet werden.“
Anlassbezogene Untersuchungen
„Bei infektionshygienischer Veranlassung, z. B. bei reaktiver Untersuchung zur Feststellung der Infektionsquelle nach Auftreten einer Legionelleninfektion oder nach einem Legionellenausbruch, kann auch eine Untersuchung zur Feststellung der Trinkwasserqualität an Entnahmestellen ‚so wie das Wasser verwendet wird‘ notwendig sein. In diesem Fall ist eine Beprobung gemäß DIN EN ISO 19458, Tabelle 1, Zweck c) durchzuführen. Mit dieser Probennahmetechnik können lokale Kontaminationen an der untersuchten Entnahmearmatur festgestellt werden.“ [3]
Weiterhin können Untersuchungen nach Zweck c „.. .über § 19 Absatz 7 oder § 20 der TrinkwV durch die Gesundheitsämter veranlasst werden bzw. im Rahmen von weitergehenden Untersuchungen erforderlich sein.“ [3]
Kontaminierte Entnahmestellen oder kontaminiertes System?
Bei der Untersuchung auf „Allgemeine Koloniezahlen“ wird an den Probennahmestellen in aller Regel ein kleines Volumen von 100 ml Trinkwasser entnommen. Damit stammt dieses Volumen vor allem aus der Entnahmearmatur, aber je nach Bauart auch aus den zugehörigen Schläuchen, dem Eckventil mit Regulierfunktion und der Wandscheibe bzw. bei wandhängenden Armaturen auch aus dem Anschluss-S-Bogen mit Silikon-Schalldämpfer.
Werden also aufgrund einer solche Probennahme überhöhte Koloniezahlen festgestellt, kann nicht sicher gesagt werden, ob lediglich die Armatur kontaminiert ist oder auch die zuführende Leitung.
Doch dieses Wissen ist wichtig für die Ableitung von Abhilfemaßnahmen. Viel zu oft werden dann über endständige automatisierte Spültechniken („Spülstationen“) einige hundert Kubikmeter Trinkwasser im Monat „entsorgt“, ohne dass sich die mikrobiologische Situation verbessert. Dies liegt daran, dass Spülstationen die Armaturen nicht durchspülen können, sondern lediglich bis zu deren Wandanschluss.
Klärung bringen dann erst weitere Probennahmen über die Armaturen, bei denen zunächst ein Volumen von beispielsweise 1000 ml (1 l) verworfen wird. Erst diese Probe „aus der Installation“ zeigt ansatzweise, ob tatsächlich eine systemische oder doch nur eine lokale Kontamination vorliegt. Und sie zeigt, wie wichtig ein Wasserwechsel über alle Entnahmestellen gemäß VDI 6023 Blatt 1 ist.
Fehlinterpretationen „Systemische Kontamination“ möglich
Bei der Untersuchung auf Legionella gemäß TrinkwV wird zunächst 1 l Wasser verworfen. Darum ist man geneigt zu glauben, dass die eventuell im Probennahmevolumen von 250 ml nachgewiesenen Legionellen auf eine systemische Kontamination zurückzuführen sind. Zweifel sind jedoch immer dann sinnvoll, wenn eine Temperatur von mehr als 55 °C (PWH) im Probenvolumen festgestellt wurde, bzw. deutlich weniger als 25 °C (PWC).
Als Sachverständiger kann man dieser Frage nachgehen, indem man beispielsweise an derselben Stelle zusätzlich über Probennahmen-Eckventile und eventuell sogar zusätzlich über die Armatur beprobt. Viele dieser in der Praxis so gewonnenen Ergebnisse lassen nur einen Schluss zu: Eine hochkontaminierte Armatur kann selbst nach dem Ablauf von 1000 ml noch so viele Legionellen an das Probennahmevolumen abgeben, dass eine systemische Kontamination vorgetäuscht wird.
Dies erklärt auch manche statistischen Auswertungen, in denen bei ungewöhnlich hohen oder niedrigen Temperaturen zum Teil hohe Konzentrationen an Legionella nachgewiesen wurden – entgegen den Forschungsergebnissen, wie den Ergebnissen des DVGW-Forschungsprojekts zu Legionella im Kaltwasser und selbst unter Berücksichtigung der Legionellenart Legionella anisa.
Sondermaßnahmen vor der Beprobung?
„Die Probennahme erfolgt bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Trinkwasser-Installation. Eine temporäre Erhöhung der Warmwasserspeichertemperatur, Spülungen oder eine Desinfektion der Trinkwasser-Installation vor der Probennahme widersprechen vorsätzlich dem Schutzzweck der Untersuchung nach TrinkwV.“ [3]
Damit wird deutlich herausgestellt, dass alle „Sondermaßnahmen“ verboten sind, die einen Einfluss auf das Untersuchungsergebnis haben, insbesondere solche, die den Befund „schönen“ würden. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass alle manuellen oder automatisierten Wasserwechsel vor den Probennahmen erlaubt sind, wenn sie beispielsweise immer morgens um 6:00 Uhr vor dem eigentlichen Betrieb stattfinden.
Literatur
[1] Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung – TrinkwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2016 (BGBl. I S. 459), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 22. September 2021 (BGBl. I S. 4343) geändert worden ist
[2] DVGW-Arbeitsblatt W 551 Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlagen; Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums; Planung, Errichtung, Betrieb und Sanierung von Trinkwasser-Installationen. Berlin: Beuth Verlag, April 2004
[3] Umweltbundesamt: Systemische Untersuchung von Trinkwasser-Installationen auf Legionellen nach Trinkwasserverordnung – Probenahme, Untersuchungsgang und Angabe des Ergebnisses, Dessau-Roßlau, Dezember 2018
[4] VDI 6023 Blatt 1 (Entwurf): Hygiene in Trinkwasser-Installationen. Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung. Berlin: Beuth Verlag, September 2022
[5] Erkenntnisse aus dem BMBF-Verbundprojekt „Biofilme in der Trinkwasser-Installation“, Teilprojekt 1 (Leiter: Prof. Dr. Thomas Kistemann): Entwicklung und Evaluierung eines rationalen räumlich-zeitlichen Probenahme-Regimes zur effizienten und verlässlichen Erfassung, Beobachtung und Interpretation mikrobieller Kontaminationen in Trinkwasserinstallationen Version 2.1, Projektdauer: 01.10.2006 – 30.04.2010, Koordination: Prof. Dr. Hans-Curt Flemming
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Trinkwasserhygiene