Die beste Gelegenheit, kostengünstig ein zweites Leitungsnetz zu installieren, bieten der Neubau und grundlegende Sanierungen. Damit lässt sich Regenwasser nutzen und bereits gebrauchtes Grauwasser recyceln. Die Erste Wohnungsgenossenschaft Berlin-Pankow eG (EWG) hat damit Erfahrungen gesammelt und weiß heute, wie das geht.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Die Aufbereitung von Grauwasser aus Duschen und Waschbecken zu Betriebswasser wird seit vielen Jahren erfolgreich praktiziert, allerdings eher punktuell. Eine grundlegende Voraussetzung ist die getrennte Erfassung von Grauwasser und sonstigem Abwasser.
■ Seit einigen Jahren liegen auch gute Erfahrungen für die Wärmerückgewinnung aus dem zumeist noch warmen Grauwasser während des Aufbereitens zu Betriebswasser vor.
■ Hygienisch einwandfrei aufbereitetes Betriebswasser darf für dieselben Zwecke wie gefiltertes Regenwasser verwendet werden: Bewässerung, Reinigung, Toilettenspülung, Waschmaschine.
Die Idee ist nicht neu, doch zunehmend gefragt. Denn die Bewohner profitieren aufgrund sinkender Energie- und Wasserkosten: Grauwasser-Recycling ist insbesondere dort lukrativ, wo viele Menschen in mehrgeschossigen Gebäuden untergebracht sind, zum Beispiel in Hotels, in Mehrfamilienhäusern oder in Wohnheimen.
Doch wegen hoher Baukosten, so die verständliche Haltung der meisten Investoren, realisierten sie bislang nur das zwingend Notwendige. Die einfachen Voraussetzungen für dauerhaft niedrige Betriebskosten durch Wasserrecycling mit Wärmerückgewinnung gehörten leider nicht dazu, denn sie stehen nicht im Bau- und Wassergesetz, auch nicht im Lehrplan der Ausbildung von Architekten und Ingenieuren. Es sind die
● frühe Einbeziehung der Idee in die Gebäudeplanung und die
● getrennte Erfassung von Grauwasser (aus Duschen und Badewannen, eventuell auch aus Waschmaschinen) und sonstigem Abwasser
Beides gelingt am besten beim Neubau und bei einer Kernsanierung. Und wenn Bauherren wie die EWG in Berlin die Werterhaltung ihres Gebäudes im Fokus haben und sich der Umwelt, dem Klima und ihren Bewohnern verpflichtet fühlen.
„Warum eigentlich nicht“, fragte sich der Berliner Diplom-Ingenieur Erwin Nolde schon 1989, nach dem Studium der Hygiene am Fachbereich Technischer Umweltschutz an der TU Berlin. Er entwickelte mit Kollegen der Sanitär-Systemtechnik ökologisch und ästhetisch einwandfreie Verfahren zur Mehrfachnutzung von Wasser in Gebäuden, die vom Land Berlin in Pilotprojekten finanziert oder gefördert und publiziert wurden.
Die positiven Erfahrungen führten schließlich zu einem ehrgeizigen Konzept für ein Vier-Sterne-Hotel in Offenbach, das Arabella Sheraton am Büsing Palais. Im Team mit einem Ausführungsbetrieb aus Berlin realisierte Nolde 1996 die rein biologisch arbeitende Tauch-Tropfkörper-Anlage zur Reinigung von Grauwasser aus Duschen und Waschbecken zur „Zweitverwertung“ in der Toilettenspülung. Ein bundesweit viel beachtetes Projekt, denn damals schon bot die Trinkwassergewinnung in der Region Rhein-Main und anderen Ballungsräumen Anlass zu Kritik von Umweltverbänden. Die Investition hatte sich laut Nolde bei den dortigen Wasserpreisen und den geringen Wartungskosten mehrfach amortisiert.
Grauwasser- und Wärmerecycling
Seit 2010 baut die EWG mit Grauwasserrecycling. „Doch beim ersten Objekt in der Berliner Brennerstraße 88 a-h haben wir aufs falsche Pferd gesetzt und mussten Lehrgeld zahlen“, berichtet Chris Zell, einer der beiden Vorstände der EWG. Falsche oder fehlende Wartung hat zum Ausfall der Anlage geführt. Sie funktionierte nach dem Prinzip der Ultrafiltration mithilfe von Membran-Modulen, deren Austausch von Zeit zu Zeit notwendig ist und in diesem Fall besonders kostenintensiv gewesen wäre. Seit das Team um Planer Erwin Nolde die Anlage eines Wettbewerbers auf die eigene Technik der belüfteten Wirbelbettanlage umgerüstet hat, ist ein störungsfreier Dauerbetrieb möglich. Und damit war 2020 die Entscheidung gefallen, beim Neubau der EWG mit 39 Wohnungen in der Dolomitenstraße 47/49, Berlin-Pankow, die wartungsarme Technik ein weiteres Mal einzusetzen.
In den Jahren davor hatte Nolde bei großen Mehrfamilienhäusern in Berlin und Frankfurt sehr gute Erfahrungen damit gesammelt, dem in der Regel noch warmen Grauwasser während des Aufbereitens zu Toilettenspülwasser zusätzlich die Wärme zu entziehen. Diese wird im selben Kellerraum mit wenig Aufwand zur Vorwärmung des Warmwassers verwendet. Und so „zirkuliert“ die Wärme im Haus, wenn wieder geduscht oder gebadet wird.
Nolde: „Wir schließen damit auch das letzte große Wärmeleck in Neubauten. Denn über das Abwasserrohr mit nur 150 mm Nenndurchmesser entweicht mehr Energie als über die gesamte Außenhülle eines gut gedämmten Mehrfamilienhauses.“ Dass die Anlage zur dezentralen Wärmerückgewinnung aus Grauwasser und das Wasserrecycling im Neubau der EWG an der Pankower Dolomitenstraße wenig Energie benötigt, aber viel Wärme, Wasser und Geld spart, stellt Benjamin Freyberg nach zwei Jahren Betrieb fest. Er ist als Mitarbeiter der Genossenschaft für die Technik des Gebäudes zuständig und betont: „Pro Tag werden 3000 l hochwertiges Betriebswasser und 35 kWh Wärmeenergie zurückgewonnen. Außerdem werden pro Jahr 3 t an CO2-Emissionen vermieden. Das dient dem Klimaschutz und ist unserer Genossenschaft wichtig.“
Regenwasser nutzen und versickern
Genauso wichtig ist der Genossenschaft der richtige Umgang mit dem Regenwasser im Quartier. Vorstand Chris Zell gibt seine in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen gerne weiter. Die Einsparung der Gebühren für Trink- und Abwasser (teilweise) sowie für Niederschlagsableitung (komplett) ist im Interesse der Bewohner. Der Ressourcenschutz jedoch, wie beim Grauwasserrecycling, ist im Interesse aller in unserer Gesellschaft, weil er pro Klima und Umwelt ist.
Zell informiert andere Wohnungsunternehmen, bemüht sich um grundstücksübergreifende Lösungen, nutzt den Kontakt zur Kommunalpolitik. Regenwasser muss gemäß Berliner Satzung bei Neubaumaßnahmen vom Abwasser abgekoppelt und bewirtschaftet werden. Das hauseigene Konzept wurde von der EWG als Bauherr den beauftragten Architekten und Haustechnikern bereits im frühen Planungsstadium vermittelt, wie auch der Wunsch zur Grauwassernutzung mit dem eingangs erwähnten zweiten Leitungsnetz im Gebäude.
Der auf den Dächern auftreffende Niederschlag wird gesammelt und zur Bewässerung von sechs Hochbeeten im begrünten Innenhof und für Beete auf der Dachterrasse genutzt, optional zusätzlich für ein dort eventuell später realisiertes Gewächshaus. Der Regenspeicher aus Ortbeton liegt unter dem Innenhof und fasst 100 m3. Eine Unterwasserpumpe setzt zwei Bewässerungsleitungen unter Druck. Die eine führt in den Hof zu zwei Zapfstellen, die andere versorgt drei Zapfventile auf der Dachterrasse. Von diesen aus bewässert der Hausmeister manuell mit einer Schlauchbrause.
Bei vollem Speicher wird weiter zufließendes Regenwasser automatisch, zur Versickerung in einer Mulde, an die Oberfläche gepumpt. Der kf-Wert des Bodens ist jedoch ungünstig und eine schnelle Versickerung kaum möglich – sodass hier der Regenspeicher als Puffer vor die Sickermulde gebaut wurde. Rückhaltung bietet zusätzlich das begrünte Retentionsdach mit besonders großem Speichervolumen und einer insektenfreundlichen Saatgutmischung namens „Bienenweide“.
Technische Regeln, Betriebssicherheit
Ist der Grauwasseranfall gelegentlich größer als der Bedarf an Toiletten-Spülwasser, läuft das gereinigte Grauwasser, im Fachjargon als Betriebswasser bezeichnet, in den Regenspeicher über und steht dann ebenfalls zur Bewässerung bereit. Das ist zugleich sinnvoll und zulässig, denn das hygienisch einwandfrei aufbereitete Betriebswasser darf für dieselben Zwecke wie gefiltertes Regenwasser verwendet werden: Bewässerung, Reinigung, Toilettenspülung, Waschmaschine. Genaues dazu ist in den Regeln der Technik zu finden.
Der (realisierte) Stand der Technik kann, beispielsweise bei der Grauwasseraufbereitung in der Berliner Dolomitenstraße 47/49, besser sein als die Mindeststandards der DIN- und VDI-Normen. Das liegt daran, dass Normen im Einvernehmen aller Beteiligten einen Minimalkonsens abbilden und erst mit Verzögerung beschreiben, was in der Praxis bereits gut funktioniert. Nolde orientiert sich an dem fbr-Hinweisblatt H 202, das er im Jahr 2017 mitverfasst hat, und das auch für Toilettenspülung strenge Maßstäbe setzt.
Entscheidend für Betreiber und Bewohner ist, wie bei jedem technischen Verfahren, die Zuverlässigkeit. Im Umgang mit Wasser kommt die Gewährleistung der ausreichenden Qualität bzw. der hygienischen Unbedenklichkeit hinzu. Darin ist die hier beschriebene Anlage vorbildlich. Im Büro der Planer bei „Nolde – innovative Wassertechnik GmbH“ sind die vor Ort gemessenen Daten verschiedener Objekte permanent sichtbar. Damit kann kontrolliert und teilweise per Fernwartung die Anlage auf das Nutzerverhalten angepasst und optimiert werden.
Die Genossenschaft EWG trägt so als Anlagenbetreiberin weniger Verantwortung, zugleich erhält sie für die Bewohner die bestmögliche Betriebssicherheit. Das Internet of Things (IoT), das Nolde innerhalb Berlins seit 2018 für Contracting einiger Wasseraufbereitungsanlagen einsetzt, macht dies möglich. Die Anlagensteuerung kontrolliert sich selbst und meldet Unregelmäßigkeiten per E-Mail oder Teams an die verantwortliche Person. Die vernetzten Geräte stellen über das Internet eine Schnittstelle zur Verfügung, über die sie sich von einem beliebigen Ort aus bedienen und steuern lassen. Voraussetzung ist in jeder Anlage ein Router, der ständig die nötigen Daten aus der Technikzentrale überträgt.
Und wie geht es weiter?
Zell hat in Abstimmung mit den Aufsichtsräten der EWG seit geraumer Zeit die Bestandsbauten im Fokus. Bei Generalsanierung und ausreichender Bewohnerzahl soll auf Grau- und Regenwassernutzung umgestellt werden. Das Einsparungspotenzial bei Trinkwasser beträgt ca. 30 % und bei der Vorerwärmung von Trinkwarmwasser 30 bis 60 %. Dem gegenüber standen beim Neubau in der Dolomitenstraße Investitionen für Grauwasser- und Wärmerecycling von rund 2 % der Gesamtbaukosten bzw. von 103 000 Euro brutto, abzüglich Fördermittel für die Wärmerückgewinnung von 18 000 Euro. Es zahlt sich aus, so die Erfahrung, und ist daher auch im Interesse der Genossenschaftsmitglieder und Bewohner.
Konkret geht es um eine umfangreiche Sanierung und energetische Modernisierung von zwei Bestandsgebäuden im Eschengraben 36, 38 und in der Baumbachstraße 8, 9 (Baujahr 1961 / 1962) mit insgesamt 48 Wohnungen. Nach Fertigstellung der Maßnahmen sollen sie über einen Energiestandard „Effizienzhaus 85 / Erneuerbare Energien“ verfügen. Hier sind zudem die Regenwasserbewirtschaftung und das Grauwasserrecycling geplant.
Allerdings gibt es Schwierigkeiten mit der Baugenehmigung. Die Erhaltungspflicht im Milieuschutzgebiet steht laut der Kommune dagegen, obwohl das Grauwasserrecycling bei der Genossenschaft nachweislich nicht zur Erhöhung der Nettokaltmieten beiträgt – im Gegenteil. Laut Genehmigungsbehörde ist die gewünschte Veränderung an der Haustechnik nur tolerierbar, wenn staatliche Fördergelder dafür gewährt werden. „Wir sind von der Technik überzeugt, wollen im Bestandsbau Vorreiter sein, und hoffen, diese Hürde noch überspringen zu können“, ist Zell überzeugt.
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Entwässerung
Literatur
[1] DIN EN 16941-2 Vor-Ort-Anlagen für Nicht-Trinkwasser – Teil 2: Anlagen für die Verwendung von behandeltem Grauwasser“ Deutsche Fassung EN 16941-2:2021. Berlin: DIN Media, November 2021
[2] DIN EN 16941-1 Vor-Ort Anlagen für Nicht-Trinkwasser – Teil 1: Anlagen für die Verwendung von Regenwasser; Deutsche Fassung EN 16941-1:2024. Berlin: DIN Media, Mai 2024
[3] DIN 1989-100 Regenwassernutzungsanlagen – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 16941-1. Berlin: DIN Media, Juli 2022
[4] VDI 2070 Betriebswassermanagement für Gebäude und Liegenschaften. Berlin: DIN Media, , März 2013
[5] fbr-Hinweisblatt H 202 Hinweise zur Auslegung von Anlagen zur Behandlung und Nutzung von Grauwasser und Grauwasserteilströmen; in Zusammenarbeit mit DWA und BDZ. Darmstadt: Bundesverband für Betriebs- und Regenwasser (fbr), Oktober 2017