Zukunft gestalten – oder Zukunft verspielen?
Der Vertrag der Großen Koalition in spe (GroKo-Vertrag) bleibt für den Gebäude- und Wärmebereich über weite Strecken vage und unverbindlich. Sofern er nach einer Zustimmung der SPD-Basis bis Mitte Dezember 2013 zum Tragen kommt. Denn an vielen Stellen äußerte man sich tief enttäuscht über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Positive Kommentare waren zumindest bei den ersten Reaktionen in den Tageszeitungen kaum zu finden. „Deutschlands Zukunft gestalten“ haben die Koalitionäre ihr 185 Seiten umfassendes Programm für die 18. Legislaturperiode betitelt. Die Bewertung der Bundesvereinigung Bauwirtschaft „Die Große Koalition ist dabei, die Zukunft unseres Landes zu verspielen“, gibt einen weitverbreiteten Tenor wieder.
Immerhin: Ein Bekenntnis zur Energiewende
Die für den Gebäudebereich relevante Ansätze finden sich im GroKo-Vertrag vor allem im Abschnitt 1.4. „Die Energiewende zum Erfolg führen“ [Seite 49]: „Eine der Hauptaufgaben der Großen Koalition ist es [..], engagierten Klimaschutz zum Fortschrittsmotor zu entwickeln und dabei Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Wir wollen die Entwicklung zu einer Energieversorgung ohne Atomenergie und mit stetig wachsendem Anteil Erneuerbarer Energien konsequent und planvoll fortführen. […]
Die Ziele des energiepolitischen Dreiecks – Klima- und Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit – sind für uns gleichrangig. […]
Wir halten daran fest, dem Klimaschutz einen zentralen Stellenwert in der Energiepolitik zuzumessen. National wollen wir die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 % gegenüber dem Stand 1990 reduzieren. In Deutschland wollen wir die weiteren Reduktionsschritte im Lichte der europäischen Ziele und der Ergebnisse der Pariser Klimaschutzkonferenz 2015 bis zum Zielwert von 80 bis 95 % im Jahr 2050 festschreiben und in einem breiten Dialogprozess mit Maßnahmen unterlegen (Klimaschutzplan). […]
Die Senkung des Energieverbrauchs durch mehr Energieeffizienz muss als zentraler Bestandteil der Energiewende mehr Gewicht erhalten. Fortschritte bei der Energieeffizienz erfordern einen sektorübergreifenden Ansatz, der Gebäude, Industrie, Gewerbe und Haushalte umfasst und dabei Strom, Wärme und Kälte gleichermaßen in den Blick nimmt. Ausgehend von einer technisch-wirtschaftlichen Potenzialanalyse wollen wir Märkte für Energieeffizienz entwickeln und dabei alle Akteure einbinden. […]
In einem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz will die Koalition die Ziele für die verschiedenen Bereiche, die Instrumente, die Finanzierung und die Verantwortung der einzelnen Akteure zusammenfassen. […]
Der erste Aktionsplan soll im Jahre 2014 erarbeitet und von der Bundesregierung beschlossen werden. Die dafür vorzusehenden Mittel werden durch Haushaltsumschichtung erwirtschaftet. Aus dem Energie- und Klimafonds werden wir die Umsetzung anspruchsvoller Effizienzmaßnahmen in der Wirtschaft, durch Handwerk und Mittelstand, Kommunen und Haushalten fördern. In den Sektoren Gebäude und Verkehr erfolgt die Finanzierung ergänzend mit eigenen Instrumenten aus den zuständigen Ressorts.“
Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz
In einem ersten Schritt sollen im Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz folgende Maßnahmen umgesetzt werden (Auszug) [Seite 52]:
- Das KfW-Programm zur energetischen Gebäudesanierung will die GroKo aufstocken, verstetigen und deutlich vereinfachen.
- Die Programme sollen so gestaltet sein, dass durch Beratung Fehlinvestitionen verhindert werden.
- Die EU-Energieeffizienz-Richtlinie soll sachgerecht umgesetzt werden. Anmerkung: wozu Deutschland allerdings ohnehin verpflichtet ist.
- Zur Förderung sinnvoller und kosteneffizienter Maßnahmen will die GroKo einen Schwerpunkt auf eine fachlich fundierte und unabhängige Energieberatung legen und diese entsprechend fördern – um insbesondere über die Effizienz von Heizungsanlagen und mögliche Maßnahmen zur Effizienzverbesserung gezielt zu informieren. Anders ausgedrückt. Was kosteneffizient ist, soll promotet, aber nicht finanziell gefördert werden.
- Die kostenlose Energieberatung für Haushalte mit niedrigen Einkommen soll ausgebaut werden. Zudem sollen Investitionen in energiesparende Haushaltgeräte erleichtert werden. Wie dies geschehen soll, lässt die Koalitionsvereinbarung offen.
Nutzung Erneuerbarer im Bestand soll freiwillig bleiben
„Der Wärmemarkt ist mitentscheidend für eine erfolgreiche Energiewende. Seine Umgestaltung ist ein langfristiger Prozess. Ziel der Koalition bleibt es, bis zum Jahr 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu haben. Dazu müssen der Energieverbrauch der Gebäude adäquat gesenkt und gleichzeitig der Ausbau erneuerbarer Energien zur Wärmenutzung vorangetrieben werden." Auf der Grundlage eines Sanierungsfahrplans (Anmerkung: den Schwarz-Gelb schon 2011 angekündigt, aber nie vorgelegt hat) will die GroKo im Gebäudebereich und im Wärmemarkt als erste Schritte folgende Maßnahmen ergreifen [Seite 52]:
- Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) soll auf der Grundlage des Erfahrungsberichtes und in Umsetzung von europäischem Recht fortentwickelt (Anmerkung: Das ist ein ohnehin gesetzlicher Auftrag) sowie mit den Bestimmungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) abgeglichen werden. Anmerkung: eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit, die auch in der EnEV 2014 als Auftrag für die Bundesregierung hinterlegt ist.
- Das bewährte Marktanreizprogramm für die Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt soll verstetigt werden. Anmerkung: In welchem Umfang man die vom BAFA gemachten Vorschläge zur Belebung umsetzen will, lässt der GroKo-Vertrag offen. Zwar gab es zuletzt leicht steigende Antragszahlen, aber vorher hatte Schwarz-Gelb die Antragszahlen auch tief in den Keller gedrückt.
- Der Einsatz von erneuerbaren Energien im Gebäudebestand soll weiterhin auf Freiwilligkeit beruhen.
- Die GroKo will die Informationen für Käufer und Mieter über die energetische Qualität eines Gebäudes weiter verbessern und transparenter gestalten. Ob dazu Maßnahmen vorgesehen sind, die über die bereits mit der EnEV 2014 beschlossenen Punkte hinausgehen, lässt der GroKo-Vertrag offen.
- Der zunehmende Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien, der sonst abgeregelt werden müsste, soll für weitere Anwendungen, etwa im Wärmebereich, genutzt werden. Anmerkung: Laut einer Analyse des DIW-Berlin müssten in einem flexibilisierten Stromsystem im Jahr 2032 weniger als 2 % der möglichen jährlichen Stromerzeugung aus Sonnen- und Windkraft abgeregelt werden. Die Abregelung betrifft dann etwa 470 h/a.
Modernisierungsumlage soll begrenzt werden
Im Abschnitt 4.2. „Lebensqualität in der Stadt und auf dem Land“ wird im Unterpunkt „Bezahlbare Mieten“ [Seite 115] angekündigt, dass künftig nur noch höchstens 10 % – längstens bis zur Amortisation der Modernisierungskosten – einer Modernisierung auf die Miete umgelegt werden dürfen. Durch eine Anpassung der Härtefallklausel im Mietrecht ( § 559 Abs. 4 BGB ) soll ein Schutz der Mieter vor finanzieller Überforderung bei Sanierungen gewährleistet werden.
Energieberatung soll gebündelt werden
Im Abschnitt 4.2. „Lebensqualität in der Stadt und auf dem Land“ wird im Unterpunkt „Energieeffizientes Bauen und Sanieren“ [Seite 116] angekündigt:
- „Wir werden das energieeffiziente Bauen und Sanieren als entscheidenden Beitrag zur Energiewende weiter fördern und wollen dafür sorgen, dass qualitätsvolles, energiesparendes Wohnen für alle bezahlbar bleibt. Das Wirtschaftlichkeitsgebot, Technologieoffenheit und der Verzicht auf Zwangssanierungen bleiben feste Eckpunkte des Energiekonzepts. Die aktuell geltenden ordnungsrechtlichen Vorgaben werden wir nicht verschärfen und ihre Wirkungen evaluieren.“
- „Neue Technologien für noch mehr Gebäudeenergieeffizienz und zur Steigerung von Erzeugung und Einsatz erneuerbarer Energien im Gebäudebereich werden wir weiter unterstützen. Die staatliche Förderung der Energieberatung im Gebäudebereich werden wir fortsetzen und bündeln.“
- „Wir werden das Quartier als wichtige Handlungsebene, z.B. für dezentrale Strom- und Wärmeversorgung stärken. Das KfW-Programm zur energetischen Stadtsanierung schreiben wir fort und werben bei den Ländern für zusätzliche Finanzierungsbeiträge. Für vom demografischen Wandel besonders betroffene Gebiete wollen wir einen Sanierungsbonus als gezielten Anreiz zur Erhaltung und Schaffung von energetisch hochwertigem und barrierearmen Wohnraum einrichten.“
Umfangreiche Erläuterung enthält der GroKo-Vertrag auch zum Stromsektor. In Anbetracht der angekündigten grundlegenden Reform des EEG bis Ostern 2014 dürfte damit klar sein, welche Themen in der öffentlichen Diskussion weiterhin den Ton angeben werden. ■
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode