Vehicle-to-Home und Vehicle-to-Grid: Hauseigentümer können über das bidirektionale Laden eines Elektroautos ihre Energiekosten senken. Dass das Einsparpotenzial erheblich ist, verdeutlich ein Pilotprojekt.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Über das bidirektionale Laden eines Elektroautos können insbesondere Hauseigentümer mit einer Eigenstrom-Photovoltaik-Anlage ihre Energiekosten senken.
■ Vergleichsweise einfach lässt sich das Einsparpotenzial aus dem Anwendungsfall Vehicle-to-Home heben. Unter günstigen Voraussetzungen ist eine Senkung der Stromkosten durch die Maximierung des Solarstrom-Eigenverbrauchs und das gezielte Nutzen dynamischer Stromtarife um bis zu 420 Euro/a möglich.
■ Ein ähnliches Potenzial eröffnet sich mit Vehicle-to-Grid über die netzdienliche Bereitstellung von Flexibilität und den Stromhandel. Dafür wird noch an technologischen und regulatorische Hürden gearbeitet. Eine breite Nutzung könnte auch das Stromsystem insgesamt günstiger machen.
Bis zu 920 Euro/a können die Eigentümer von Elektroautos durch bidirektionales Laden an Energiekosten einsparen. Diese Einsparpotenzial ergibt sich aus der Kombination der Anwendungsfälle Vehicle-to-Home (V2H, Energie aus dem Fahrzeugakku wird im eigenen Haushalt verwendet) und Vehicle-to-Grid (V2G, Energie aus dem Fahrzeugakku wird ins Stromnetz gespeist).
Denn unabhängig vom Antriebsstrang werden die meisten Pkw in Deutschland mit jährlich deutlich unter 500 Stunden in Bewegung eher „sporadisch“ genutzt, die meiste Zeit sind sie geparkt. In dieser Zeit kann das beträchtliche Speicherpotenzial des Fahrzeugakkus mit finanziellem Vorteil bewirtschaftet werden.
Die teilnehmenden Kunden des E.on-Pilotprojekts Bi-clEVer sowie ein digitaler Zwilling liefern zudem relevante Erkenntnisse über das Dekarbonisierungspotenzial des intelligenten Lademodus und die Vorlieben der Anwender. Bilanziert wurden nur die Stromflüsse und die bezahlte Netzdienlichkeit. Mögliche Einsparungen, die sich aus der Mobilitätsanwendung gegenüber anderen Antriebskonzepten ergeben, sind im Einsparpotenzial nicht berücksichtigt. Der Vergleichshaushalt nutzt ebenfalls ein Elektroauto und eine Photovoltaik-Anlage, hat aber kein bidirektionales Lade-Set-up.
Bis zu 420 Euro/a mit V2H …
Besitzer einer Photovoltaik-Anlage und eines bidirektionalen Set-ups können den Berechnungen zufolge durch die Maximierung des Solarstrom-Eigenverbrauchs und das gezielte Nutzen dynamischer Stromtarife bis zu 420 Euro im Jahr einsparen. Die Ersparnis kommt zustande, indem der Einkauf von Strom aus dem Netz minimiert wird, und Energie kostenoptimiert in günstigen Zeitfenstern bezogen und im Auto für den späteren Verbrauch zwischengespeichert werden kann.
… und bis zu 500 Euro/a mit V2G
Jens Michael Peters, Geschäftsführer für Energielösungen und Elektromobilität bei E.on Energie Deutschland: „Perspektivisch können zudem durch das Handeln mit Strom aus dem Elektroauto Erträge von bis zu 500 Euro/a erzielt werden. Wir arbeiten darauf hin, dass Nutzer zukünftig in Zeiten besonders günstiger Strompreise Energie einkaufen und im E-Auto speichern, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu verkaufen und zur richtigen Zeit zurück ins Netz zu speisen – dieser Vorgang läuft automatisiert ab. So ermöglichen die Elektroautos dem Strommarkt sowie dem Stromnetz wertvolle Flexibilität, indem sie nachhaltig erzeugte Energie dann bereitstellen, wenn weniger davon am Markt verfügbar ist.“
Stärkung der Energieeigenversorgung
Das Projekt zeigt zudem, dass mit einer Solaranlage und einem bidirektional genutzten Elektroauto mit einem 42-kWh-Akku ein Autarkiegrad von bis zu 51 % im Jahresdurchschnitt erreicht werden kann. Dabei ist nicht nur der Energiebedarf des Haushalts berücksichtigt, sondern auch der Fahrstrom für das Elektroauto. Die meisten Elektroautos haben inzwischen eine deutlich größere Akkukapazität. Der Stromverbrauch eines Einfamilienhaus-Haushalts liegt ohne Mobilität und Wärme in einer Größenordnung von 8 bis 15 kWh pro Tag.
Mit einem zusätzlichen Batteriespeicher kann der Autarkiegrad der Pilotanwender auf bis zu 59 % erhöht werden. Die intelligente Vernetzung von E-Auto, Photovoltaik-Anlage, stationärem Batteriespeicher und Energieverbrauch erfolgt durch ein Energiemanagementsystem, beispielsweise den E.on Home Energiemanager.
Im Rahmen des Projekts wurde auch untersucht, wie die Pilotkunden verschiedene Einstellungen nutzen. Demnach präferieren Kunden, dass der bidirektionale Lademodus beim Einstecken des Elektroautos automatisch startet und keine weitere Handlung mehr erfolgen muss. Der gewünschte State of Charge (SoC, Ladezustand) des Fahrzeugakkus und die geplante Abfahrtszeit werden dabei automatisch gesetzt. Nutzer haben dabei weiterhin die Kontrolle über die Parameter und können Abweichungen, beispielsweise eine höhere gewünschte Reichweite des Elektroautos für eine längere Fahrt, bei Bedarf selbst festlegen.
Auch die steigende Routine und Sicherheit der Pilotkunden in der Anwendung des bidirektionalen Ladens ist deutlich erkennbar. Die zur Verwendung im Haushalt freigegebene Akkukapazität wurde im Laufe des Projektzeitraums durch die Anwender selbst deutlich erhöht, das heißt, sie haben mehr Kapazität des Fahrzeugakkus für das bidirektionale Laden zur Verfügung gestellt. „Gleichzeitig zeigte das Monitoring der Energieflüsse, dass das Bereitstellen so großer Energiemengen aus dem Fahrzeugakku gar nicht notwendig ist, um wirtschaftlich attraktive Anwendungsfälle zu nutzen“, erklärt Mark Ritzmann, CEO der E.on Group Innovation. „Wir sehen ein enormes Potenzial in der Weiterentwicklung der bidirektionalen Ladetechnologie, die weitreichende Vorteile nicht nur für die Kundinnen und Kunden birgt, sondern durch die Zwischenspeicherung von Energie auch enorme Chancen für das gesamte zukünftige Energiesystem bietet.“
BDL Next für die Marktintegration
Zusätzlich zu dem Pilotprojekt Bi-clEVer beteiligt sich E.on an weiteren Projekten zum bidirektionalen Laden. Mit dem seit Ende 2023 laufenden und vom BMWK geförderten Projekt BDL Next zielen E.on und weitere Partner nun auf den flächendeckenden und interoperablen Einsatz von bidirektionalem Laden ab. E.on arbeitet dabei an der Marktintegration des bidirektionalen Ladens in den Energiemarkt mit Fokus auf der Entwicklung verschiedener Anwendungsfälle und Geschäftsmodelle.
„BDL Next“ ist Nachfolger des vorangegangenen Förderprojektes „Bidirektionales Lademanagement“ (BDL), welches von 2019 bis 2022 die Grundlagen zur Integration von bidirektionalen Elektrofahrzeugen in Energiesysteme untersuchte und erprobte. Das E.on Pilotprojekt Bi-clEVer war im Rahmen einer Verbundpartnerschaft Teil des BDL-Forschungsprojekts.
Mit BDL Next sollen nun technologische und regulatorische Hürden überwunden werden, um eine breite Anwendung der bidirektionalen Ladetechnologie im V2G-Bereich zu ermöglichen. Das Projekt umfasst einen mehrstufigen Pilotbetrieb, der von virtuellen Tests bis hin zum Einsatz von bidirektionalen Serienfahrzeugen und Wallboxen reicht. Begleitend untersuchen die beteiligten Universitäten und Institute Aspekte wie Kundenerlebnis, Wirtschaftlichkeit und Auswirkungen auf das Energiesystem.
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Elektrifizierung
Schwarmbatterie
In TGA+E 2024-11 wurde an einem Planspiel gezeigt, dass die Flexibilität von Elektroauto-Batterien bereits heute ein enormes Potenzial hat: Anfang 2024 waren mehr als 166 000 in Deutschland zugelassene E-Autos „bidi-ready“ (rund 12 % aller BEV, ohne Hybrid). Würde man 60 % der Bidi-Akku-Kapazität zu einer Schwarmbatterie kombinieren, könnte sie rechnerisch die Stromerzeugung mehrerer Gas-Kraftwerke bzw. die Stromversorgung von Millionen Haushalten über mehrere Stunden übernehmen. Überschlagsrechnungen zeigen, dass auch bei einer Vervielfachung der heute theoretisch schon verfügbaren Bidi-Akku-Kapazität der Brennstoffeinsatz für die Stromerzeugung in Gas-Kraftwerken weiter verringert werden kann.