Kompakt zusammengefasst
■ Der künftige Markt für Großwärmepumpen ist riesig, aber sehr heterogen. Die Entwickler von Groß- und Hochtemperatur-Wärmepumpen kommen deshalb nicht umhin, sich mit den Besonderheiten der jeweiligen Industrieprozesse und mit der Einbindung der Wärmepumpe sowie möglicher Speicher in das Stromnetz zugunsten eines netzdienlichen Betriebs auseinanderzusetzen.
■ Zuvor stellt sich die Frage, welche Kältemittel für welche Prozesse bzw. welche Temperaturen langfristig geeignet sind und welche Lebenszeit der Kunde für derartige Großaggregate zugrunde legt.
■ Auf das Berufsbild Kälteanlagenbauer bezogen muss hinterfragt werden, ob die Ausbildung überhaupt das Bauen und Betreiben von Großwärmepumpen abdeckt oder ob die Technik bei der Energie- und Verfahrenstechnik angesiedelt werden sollte.
Großwärmepumpen könnten entscheidend zur Dekarbonisierung von Wärme- und Kälteprozessen in der Industrie und als Ersatz für mit Kohle, Erdgas und Öl beheizte Verfahren beitragen (Bild 1).
Während in den skandinavischen Ländern, aber auch in der Schweiz, in Österreich, Italien und Frankreich Wärmepumpen großer Leistung bereits erprobt sind und schon von einem „Markt“ abseits von Prototypen gesprochen werden kann, ist deren Bekanntheitsgrad in Deutschland aufgrund ungünstiger wirtschaftlicher, regulatorischer und technischer Rahmenbedingungen noch gering.
Zahlreiche Forschungsaktivitäten, darunter sogenannte Reallabore zur schnelleren Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis, sollen beschleunigend auf Entwicklung und Markt wirken.
Prozesswärmebedarf erfordert Hochtemperatur-Wärmepumpen
Rund 50 % der in den EU28-Ländern benötigten Energie wird für Heiz- und Kühlzwecke verwendet. Laut Recherche des EU-Projekts „Heat Roadmap Europe“ (www.heatroadmap.eu), koordiniert durch die Universität Aalborg, Dänemark, liegt der Anteil für die Raumheizung bei etwa 27 % und für Prozesswärme bei 16 % (Stand 2015). Überraschend gering am EU28-Gesamtenergieverbrauch mit je 1 % ist der Anteil an Energie für Raumkühlung und für Prozesskälte.
Benjamin Zühlsdorf vom Danish Technological Institute (DTI) berichtet, dass bisher nur etwa 1 % der in der EU28 produzierten Wärmeenergie von Wärmepumpen stammt, obwohl diese Art der Wärmeerzeugung die höchste Effizienz aufweise. Im Hinblick auf eine Dekarbonisierung industrieller Prozesse kommen die Wissenschaftler des DTI in der Heat Roadmap Europe zu folgenden Ergebnissen:
Ausgehend von einem Bedarf von 100 % an Wärme für industrielle Prozesse, fächern sich die Wärmeanteile für die erforderlichen Temperaturniveaus wie folgt auf:
● 42 % für Wärme > 500 °C
● 9 % für Wärme von 200…500 °C
● 21 % für Wärme von 100…200 °C
● 4 % für Prozesskühlung − 30 bis + 15 °C
● 1 % für Raumkühlung
● 14 % für Raumheizung
Aus Sicht des DTI sowie der 14 europäischen Projektpartner bietet neben der grundsätzlichen Dekarbonisierung der Energieträger der Einsatz von Wärmepumpen im Bereich von 100 bis 200 °C ein enormes Potenzial zur Einsparung an fossiler Energie in der Größenordnung von 487 TWh/a mit einer Reduktion von 146 Mio. tCO2/a.
Generell könne mit Wärmepumpen bis 200 °C Mediumtemperatur etwa 37 % des Prozesswärmebedarfs der Industrie abgedeckt werden. Allerdings müsse noch umfangreiche Aufbauarbeit geleistet werden, um die Entscheidungsträger vom Potenzial industrieller Lösungen mittels Wärmepumpe zu überzeugen.
Großwärmepumpen als Ersatz für Kohlekraftwerke
Mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung stellt sich für viele Standorte im Ruhrgebiet die Frage, wie künftig die jeweilige Region mit Strom und Wärme nachhaltig versorgt werden kann. Dabei geht es weniger um den 1 : 1-Ersatz für ein stillgelegtes Kraftwerk, sondern um sektorübergreifende Versorgungsstrukturen und Komponenten, die zur Substitution der bislang fossilen Wärme-, Kälte- und Stromversorgung beitragen.
Für Prof. Dr. Mario Ragwitz, Leiter Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG), Bochum, spielen dabei Großwärmepumpen in Verbindung mit geothermischen Wärmequellen (Grubenwasser, Tiefenbohrungen, Oberflächengewässer) und mit geothermischen Wärmespeichern in Bergwerken eine tragende Rolle.
Als Beispiel nennt Ragwitz die Entwicklung einer realen Testanlage für Großwärmepumpen in Bochum. Dort geht es darum, wie die Energielücke des bestehenden Fernwärmenetzes in Bochum-Süd nach dem Abschalten des Kohlekraftwerks geschlossen werden kann. Vorgesehen ist, Grubenwasser mithilfe konzentrierender Sonnenkollektoren aufzuheizen, um damit das Wasser in einem ehemaligen Bergwerk anzuwärmen.
Die erreichbare Grubenwassertemperatur wird mit etwa 60 °C angenommen. Unter Einsatz einer Hochtemperatur-Großwärmepumpe soll dieser Wärmespeicher dazu genutzt werden, 80 bis 120 °C heißes Wasser für das Fernwärmenetz Bochum-Süd zu erzeugen. Dieses Projekt hat Pilotcharakter für ähnliche Fernwärmenetze an Rhein und Ruhr, die vom Ende der Kohleverstromung betroffen sind.
Die Herausforderung liegt nach Aussage von Ragwitz darin, Wärmepumpen mit hohem Temperaturniveau und hoher Leistung zu marktfähigen Kosten zu konzipieren. Dabei geht es in erster Linie um die Auswahl geeigneter Kältemittel und die dazu passenden Verdichter, aber auch um die Systemintegration in eine auf regenerativen Energien aufbauende nachhaltige Energieversorgung.
Reallabor für Großwärmepumpen
Im 7. Energieforschungsprogramm hat die Bundesregierung die „Reallabore der Energiewende“ als neues Förderformat etabliert. Zentrale Themen sind u. a. neue Konzepte zur Sektorenkopplung und Wasserstofftechnologie, großskalige Energiespeicher im Stromsektor und energieoptimierte Quartiere mit dem Projekt „Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen – Installation, Betrieb, Monitoring und Systemeinbindung“.
Dazu sollen fünf Großwärmepumpen mit unterschiedlichen Einbindekonzepten, Wärmequellen und weiteren Spezifika in bestehende Fernwärmenetze in Deutschland integriert werden. Zielsetzung des Forschungsvorhabens (21 Mio. Euro Förderung; 45 Mio. Euro Projektkosten) ist die Sektorenkopplung in Verbindung mit treibhausgasarmen Erzeugungstechnologien.
Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern werden in deutschen Wärmenetzen bisher keine Großwärmepumpen eingesetzt, was offensichtlich mit den wirtschaftlichen, regulatorischen und technischen Rahmenbedingungen zusammenhängt, betont Dr. Andrej Jentsch von der AGFW, dem Energieeffizienzverband Kälte und KWK, ein Zusammenschluss von mehr als 500 Unternehmen, die leitungsgebundene Wärme und Kälte liefern.
Im Zuge der Errichtung der fünf Großwärmepumpen bei den Liegenschaftspartnern EnBW, Fernheizwerk Neukölln, MVV Mannheim, Stadtwerke Rosenheim und Vattenfall Wärme Berlin sollen auch die Betriebserfahrungen, das heißt, die Effizienz großer Wärmepumpen im praktischen Betrieb im Vergleich zu den Herstellerangaben untersucht und dokumentiert werden. Ein weiteres Ziel ist die Erprobung systemdienlicher Fahrweisen zur Stromnetzstabilisierung.
Im Vorfeld der Planung spielt auch bei diesem Projekt die Auswahl der Kältemittel eine wichtige Rolle. Jentsch geht davon aus, dass aufgrund der angestrebten langen Lebensdauer von Großwärmepumpen nur natürliche Kältemittel dafür infrage kommen. Projektstart war im April 2021, die voraussichtliche Laufzeit wird mit März 2026 angegeben.
Sollte das Projekt erfolgreich sein, ist mit einem lukrativen Markt für die Anbieter von Großwärmepumpen zu rechnen. Die AGFW-Mitglieder betreiben mehr als 1300 Fernwärmenetze mit einer Trassenlänge von 19 100 km. Bis dato wird die Wärme für die Netze zu 80 % in Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt. Der Wärmeanschlusswert liegt in Deutschland bei rund 57 GW (Quelle: Wikipedia).
Ein wichtiger Impuls für Großwärmepumpen geht vom Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung aus, bis zum Jahr 2038 alle Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen, die in der Regel auch Fernwärme auskoppeln. Aktuell sind noch 74 Kohlekraftwerke in Betrieb. Wie wichtig die zügige Entwicklung von Großwärmepumpen für die Fernwärmeunternehmen ist, verdeutlicht folgendes Statement der AGFW: „Die zukünftige Fernwärmeerzeugung basiert zu einem erheblichen Teil auf dem Einsatz von Wärmepumpen.“
Potenzial von Fernwärmenetzen mit Absorptionskälteanlagen erweitern
Fernwärmenetze arbeiten umso effizienter, je größer die Differenz zwischen Vor- und Rücklauftemperatur gehalten werden kann. Wenn im Sommer keine Heizwärme entnommen wird und der Bedarf an Heizenergie für die Trinkwassererwärmung (TWE) gering ist, geht die Effizienz mit steigender Rücklauftemperatur zurück. Eine typische Maßnahme zur Senkung der Rücklauftemperatur ist zum Beispiel der Einbau einer dreistufigen Hausübergabestation als Kaskade, bei der zunächst der Nacherwärmer der TWE, dann der Wärmeübertrager der Heizungsanlage und anschließend der Vorerwärmer der TWE durchströmt wird.
Wissenschaftler der TU Berlin gingen einen neuen Weg: Sie untersuchten, in wieweit sich die von ihnen entwickelten und von den Firmen Bälz / BS Nova gebauten Absorptionskälteanlagen (AKA) zur Senkung der Rücklauftemperatur eignen (siehe auch Info-Kasten). Dazu wurden die Aggregate mit dem Fernwärmenetz so verschaltet, dass die Absorptionskälteanlage die Funktion einer Hausanschlussstation (HAST) übernimmt (Bild 2).
Nach den Auswertungen des Feldtests mit 16 Absorptionskälteanlagen in Fernwärmesystemen bestätigt Stefan Petersen, Institut für Energietechnik der TU Berlin, den hohen Nutzen der Aggregate. Seine Prognose: „Bei mehr als 50 % der getesteten Fernwärmenetze hat der Einsatz von Absorptionskälteanlagen zu einer primärenergetischen Verbesserung des Systems und zu einer Vergrößerung des Einsatzpotenzials geführt. Untersucht wurde die Einbindung von Absorptionskälteanlagen in den Funktionen:
● Standard-Wärmepumpe
● Kälteanlage und Wärmepumpe
● FernwärmeRL/FernwärmeVL-Wärmepumpe
Letztere Verschaltung, Sorptions-Hausanschlussstation (S-HAST) genannt, führt dazu, dass die Rücklauftemperatur des Hausheiznetzes unter dem Niveau des Fernwärmerücklaufs liegt und damit zur Erhöhung der Transportkapazität des FW-Netzes beiträgt. Petersen schlussfolgert daraus:
● die Transportleistung bestehender FW-Netze lässt sich durch den Einbau einer S-HAST um 20 bis 50 % steigern
● die S-HAST eignet sich für die ganzjährige Nutzung mit den beiden Optionen „effizient kühlen, noch effizienter heizen“
● die S-HAST eignet sich als Brückentechnologie für die Transformation konventioneller FW-Netze zu Niedertemperatur-Netzen und damit zur weiteren effizienzsteigernden Rücklauftemperaturabsenkung.
Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt der Fernwärme-angetriebenen AKA: Sie entlasten das Stromnetz und kompensieren einen Teil der durch Klimaanlagen erzeugten Stromspitzen im Sommer.
Mit Bienen, Hummeln und
Hornissen heizen und kühlen
Mehrfach wurde in der Vergangenheit versucht, Standard-Absorptionskälteanlagen in Fernwärmeanlagen zur Bereitstellung von Kälte – bevorzugt zur Senkung der Lastspitzen im Sommer – einzusetzen. Allerdings war die Effizienz dieser Anlagen aufgrund der hohen geforderten Austreibertemperaturen der AKA bzw. der Systemtemperaturen von Fernwärmesystemen gering. Hinzu kam eine vergleichsweise aufwendige nasse Rückkühlung, sodass der wirtschaftliche Anreiz für den Einbau von Absorptionskältetechnik in Fernwärmesystemen meist fehlte.
Vor diesem Hintergrund entwickelte die TU Berlin eine neuartige Absorptionskälteanlage, die im Temperaturbereich von 55 bis 110 °C bei einer Heißwassertemperaturspreizung von bis zu 60 K betrieben werden kann. Außerdem besteht bei diesem Absorbertyp die Möglichkeit, die entstehende Abwärme nicht nur über ein trockenes Rückkühlwerk zu kühlen, sondern auch für Niedertemperaturverbraucher auszukoppeln, d. h. das Aggregat kann gleichzeitig heizen und kühlen.
Ein weiterer Vorteil der neuartigen Absorptionskälteanlage ist die für Absorber untypisch schnelle Leistungsregelung, beispielsweise von 25 % auf 100 % Kälteleistung innerhalb von 10 Minuten.
Lizenznehmer der Entwicklung der TU Berlin sind die Helmut Bälz GmbH, Heilbronn, mit den Wortmarken „Hummel“ und „Biene“ und das Bälz-Tochterunternehmen BS Nova Apparatebau GmbH, Heilbronn, mit der Wortmarke „Hornisse“. Die Namensgebung der Absorptionskälteanlagen orientiert sich an der Farbgebung und den unterschiedlichen Leistungsgrößen: Biene 50 kW, Hummel 160 kW und Hornisse 500 kW.
NH3 ist Favorit bei Großwärmepumpen
Wer in Großwärmepumpen investiert, kommt um eine Lebenszyklusbetrachtung und am Thema zukunftssichere Kältemittel nicht vorbei. GEA Refrigeration, einer der großen Player bei leistungsstarken Wärmepumpen, setzt dabei bevorzugt auf das Kältemittel Ammoniak (NH3, R717). Begründung: Zukunftssicher auch bei einer Verschärfung der F-Gase-Regulierung, Treibhauspotenzial GWP = 0, geringe Kosten, hohe Verfügbarkeit und niedrige Energiekosten durch eine hohe volumetrische Kälteleistung.
Was die Toxizität anbelangt, hat das Gas durch seinen stechenden Geruch eine eingebaute Warnwirkung, sagt Thomas Lergenmüller von GEA Refrigeration, und weiter: die Anlagensicherheit ist bei NH3-Kälteanlagen nicht wesentlich aufwendiger als bei Anlagen mit synthetischen Kältemitteln. GEA habe europaweit bereits rund 100 Großwärmepumpen-Projekte realisiert, in Molkereien, bei Getränke- und Nahrungsmittelherstellern, der Papier- und Zellstoffindustrie, für Fernwärmenetze und Gebäudeheizungen.
Im Hinblick auf die Dekarbonisierung im großen Stil verweist Lergenmüller auf das Projekt „E.on Malmö“. Dort soll bis 2025 das bisher Öl-basierte Energieversorgungssystem auf 100 % nachhaltige Energie nach folgendem Konzept umgestellt werden:
Hauptwärmequelle für das Fernwärmenetz (95/75 °C) ist eine Müllverbrennungsanlage, unterstützt durch vier Wärmepumpen mit einer Gesamtleistung von 40 MW. Als Wärmequellen für die Wärmepumpen dienen gereinigtes Wasser aus dem Klärwerk (+ 14 °C) sowie Meerwasser (+ 6 °C) aus dem Öresund. Versorgt werden 100 000 Haushalte; die CO2-Einsparungen liegen bei jährlich etwa 50 000 t (Bild 4).
Weitere Anwendungsmöglichkeiten für Großwärmepumpen sieht Lergenmüller in der Lebensmittelindustrie. Besonders effizient und damit wirtschaftlich sei der Einsatz immer dann, wenn bei der Herstellung von Nahrungsmitteln gleichzeitig Wärme und Kälte benötigt wird. Typischerweise werde dort mit dem „Cook-Quench-Chill“-Prozess gearbeitet, das bedeutet, die Nahrungsmittel werden innerhalb einer Kolonne erwärmt / gegart, kontrolliert abgekühlt und dann gekühlt gelagert.
Gegenüber getrennten Prozessen – das heißt, Aufheizen mit über Erdgas erwärmtem Heißwasser, abkühlen mittels Kaltwasser vom Kaltwassersatz – konnte in einem konkreten Fall der Energiebedarf durch den Einsatz von Wärmepumpen von ursprünglich 6650 MWh/a für Gas und 1225 MWh/a für Strom auf 1960 MWh/a Strom gesenkt werden (Bild 5).
Bis zu 80 % Energieeinsparung bei Trocknungsprozessen
Mit Wärmepumpen lassen sich bei industriellen Trocknungsprozessen gegenüber konventionellen Verfahren bis zu 80 % an Energie einsparen. Etwa 10 bis 25 % des Energieverbrauchs wird für „Trocknung“ in der Lebensmittelindustrie, der Papierindustrie, der chemischen Industrie, der Keramikindustrie, in Großwäschereien aber auch bei Weißer Ware (Geschirrspüler, Wäschetrockner) verwendet.
Wenn man bedenkt, dass die Industrie in Deutschland im Jahr 2020 laut Destatis 1061 TWh Energie verbrauchte, dann wundern sich nicht nur Fachleute, warum bei industriellen Trocknungsprozessen die Wärmepumpe noch nicht entdeckt wurde. Typisch sind bisher fossil befeuerte Ablufttrockner, die in rund 85 % aller Fälle zum Einsatz kommen. Der bei der Trocknung entstehende Wasserdampf wird üblicherweise zu über 90 % ohne weitere energetische Verwendung an die Umgebung „abgeführt“.
Dr. Michael Lauermann vom Austrian Institute of Technology (AIT), Wien, formuliert sein Erstaunen über die Ignoranz der Industrie so: „Das (gemeint ist die Wärmepumpe) ist in den alten Köpfen noch nicht drin.“ Um den offensichtlichen Unkenntnissen der Anwender zu begegnen, sei es wichtig, die Relevanz des Themas und das hohe Einsparpotenzial der Wärmepumpe bei Trocknungsprozessen durch den noch zu gründenden IEA Annex „Heatpump for Drying“ zu etablieren.
Ein überzeugendes Beispiel für den Einsatz einer Wärmepumpe sei beispielsweise die Trocknung von Hochlochziegeln. Dort spare der Hersteller nicht nur enorme Mengen an Energie, sondern verbessere durch den schonenderen Trocknungsvorgang auch die Qualität des Produkts (Bild 6).
Hochtemperatur-Wärmepumpe mit bis zu 500 °C Vorlauftemperatur
Reichlich utopisch klingt der Plan des DLR-Instituts für CO2-arme Industrieprozesse, Cottbus, innerhalb der nächsten drei Jahre Hochtemperatur-Wärmepumpen (HTP) mit bis zu 500 °C Vorlauftemperatur zu entwickeln. Ziel dieses Vorhabens ist die Dekarbonisierung energieintensiver industrieller Prozesse mittels Hochtemperatur-Wärmepumpen, beispielsweise in der Stahl- oder Aluminiumproduktion. Mit der Ansiedelung der Forschungsaktivitäten in Cottbus und Zittau soll gleichzeitig auch ein Beitrag zum Strukturwandel in der Region geleistet werden.
Nach Aussagen von Prof. Dr. Panagiotis Stathopoulos vom DLR geht es zunächst um die Entwicklung und Evaluierung virtueller Abbilder einzelner Prozessschritte sowie deren Verschaltung zu komplexen Industrieanlagen bzw. Energieumwandlungsprozessen. Ziel ist der Bau eines HTP-Prototyps als Versuchsstand, um gemeinsam mit dem Simulationsmodell Antwort auf folgende Fragen zu erhalten:
● Welche gasförmigen Medien sind für HTP geeignet?
● Welche Temperaturen an Prozesswärme und Prozesskälte lassen sich – je nach verwendetem Gas – erreichen und wie dauerhaft sind diese Temperaturen zu halten?
● Welche Volumen- und Massenströme sind für die angestrebten Energieströme notwendig?
● Welche Möglichkeit der Skalierung des HTP-Prototyps gibt es; Definition von möglichst vielen Einsatzgebieten in der Industrie.
● Welche Möglichkeiten bietet die HTP in Kombination mit Speichertechnologien, um auf das schwankende Energieangebot aus erneuerbarer Energien zu reagieren?
Die Pilotanlage CoBra ist auf ca. 200 kW Wärmeleistung bei 350 °C Prozesstemperatur ausgelegt (Bild 7). Parallel dazu können 80 kW Kälte bei etwa − 80 °C ausgekoppelt werden. Je nach Temperaturhub und Endtemperatur werden COP-Werte von 2 bis 4 erwartet. Ein möglicher Einsatz der HTP sieht Stathopoulos in der Zementindustrie mit ihren typischen Erwärmungs-/Abkühl- und Trocknungsprozessen. F+E-Ziel sei die Erhöhung der Temperatur bis 500 °C und der Leistung bis in den MW-Bereich.
Kälteanlagenbauer mit Prozesskenntnissen gefragt
Der Markt ist da und auch die politischen Rahmenbedingungen sprechen für eine breitere Nutzung von Hochtemperatur-Wärmepumpen. Aber es gebe auch gravierende Hindernisse, die ein Durchstarten der Hochtemperatur-Wärmepumpen verhindert, meint Vivien Klein, Combitherm GmbH, Fellbach. Ein erster Schritt zu nachhaltigeren Lösungen im Industriebereich sei die CO2-Bepreisung fossiler Brennstoffe – 25 Euro/tCO2 in 2021 steigend auf 55 Euro/tCO2 in 2025.
Auch die Umsetzung der zweiten Aktionärsrichtlinie nach dem Deutschen Corporate Government Kodex (DCGK) könnte nach Auffassung von Klein langfristig Klimaschutzmaßnahmen begünstigen. Im DCGK heißt es beispielsweise „Die Vergütungsstruktur ist bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten.“
Rein technisch gesehen sei das Potenzial für Hochtemperatur-Wärmepumpen enorm, wenn es gelänge, Temperaturbereiche zwischen 80 und 140 °C abzudecken. Im Temperaturbereich über 120 °C befände sich die Branche jedoch noch im Stadium der Prototypen, betont Klein.
Erschwerend für die Einführung von Hochtemperatur-Wärmepumpen sei der geringe Bekanntheitsgrad, ungelöste Fragen rund um Hochtemperatur-Kältemittel und die aus Sicht der Industrie langen Amortisationszeiten. Wasser als Kältemittel werde bisher von der Branche eher unterschätzt, aber es sei eine große Herausforderung, solche Anlagen zu entwickeln, bekennt Klein.
Wichtig für die Entwickler von Hochtemperatur-Wärmepumpen sei eine profunde Kenntnis der industriellen Prozesse, um zu optimalen Wärmepumpen-Lösungen zu kommen. Dies gelte insbesondere für Trocknungsprozesse, da dort vielfach prozessorientiert geheizt und gekühlt werden müsse. Ziel von Combitherm sei eine möglichst schnelle Abkehr von Prototypen hin zu Standardkomponenten.
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGAdossier Wärmepumpe
Studie: Industrial Heat Pumps in Switzerland
In diesem Bericht werden 25 Fallstudien über erfolgreiche Anwendungen von Wärmepumpen in der Schweizer Industrie, im Bereich Fernwärme sowie in großen Gebäuden vorgestellt. Die Arbeiten wurden im Rahmen des internationalen Projekts IEA HPT Annex 48 durchgeführt. Dabei geht es darum, bestehende Marktbarrieren für industrielle Wärmepumpen zu überwinden.
Die meisten Fallstudien stammen aus der Lebensmittelindustrie, in der Wärmepumpen zur Erzeugung von Warmwasser, Heißluft oder Prozesswärme eingesetzt werden. Beispiele für die Herstellung und Zubereitung von Schokolade, Käse, Essig, Gemüse, Fertiggerichten oder Fleisch werden beschrieben. Einige Fallstudien beziehen sich auf die metallverarbeitende Industrie sowie auf Kläranlagen und Thermalbäder.
Bei Industriewärmepumpen ist die Wärmerückgewinnung aus Kälteanlagen eine wichtige Wärmequelle, wie mehrere Beispiele zeigen. Oft wird gleichzeitig geheizt und gekühlt, so dass beide Seiten der Wärmepumpe zur Erhöhung des gesamten COP genutzt werden. Die berichteten COPs im Heizungsfall liegen im Bereich von etwa 2,8 bis 7,1 (Durchschnitt 4,0 bei 50 K Temperaturhub). Die höchsten Vorlauftemperaturen von über 90 °C werden in einer Käsefabrik und einem Schlachthof durch Wärmepumpen bereitgestellt.
Potenzielle industrielle Anwendungen sind die Heißlufterzeugung und Luftvorerwärmung für Trocknungsprozesse (Holz, Papier, Klärschlamm, Stärke, Ziegel und Heimtiernahrung) durch Abwärmenutzung und die Prozessdampferzeugung zur Sterilisation und Pasteurisierung von Lebensmitteln. Um das große Wärmepotenzial der Industrie weiter zu nutzen, ist eine zunehmende Integration von Hochtemperatur-Wärmepumpen in die Herstellungsprozesse notwendig. Einige Fallstudien belegen, dass durch den Austausch von Gas- und Öl-Heizkesseln zugunsten von Wärmepumpen die CO2-Emissionen um 30 bis 40 % reduziert und große Mengen fossiler Brennstoffen eingespart werden.
Auch in der Schweiz spielen Wärmepumpen mit großer Heizleistung eine wichtige Rolle bei der Modernisierung von Fernwärmenetzen, zur Warmwasserbereitung und zur Raumheizung. Als Wärmequellen werden Grundwasser, Seewasser oder Flusswasser, Luft, Geothermie aber auch Abwärme aus nahe gelegenen Industrieanlagen genutzt.
Schlussbericht „Industrial Heat Pumps in Switzerland“, Stand Juli 2020: www.bit.ly/tga1376