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Folgen der Coronavirus-Krise können dazu führen, dass potenzielle Heizungsmodernisierer geplante Vorhaben neu bewerten und verschieben.
Eine Fallbetrachtung zeigt indessen, dass mit dem neuen Marktanreizprogramm (MAP) die Modernisierung einer alten Gas-Heizung wirtschaftlich ist und in Kombination mit dem KfW-Programm 167 Modernisierer ihre Liquidität in den nächsten Jahren sogar verbessern können.
Dies gilt mit kleinen Einschränkungen bezüglich der Varianten auch, wenn die CO2-Bepreisung verschoben, verringert oder abgesagt wird.
In der Fallbetrachtung ist sogar die Standardsanierung ohne Inanspruchnahme einer Förderung über das MAP kostengünstiger als der Weiterbetrieb der alten Gas-Heizung.
Bei Diesel-Preisen unter 1 Euro/l werden sich Besitzer einer alten Heizung zwangsläufig fragen, ob sich eine Heizungsmodernisierung derzeit lohnt. In TGA 2020-04 [5] wurde bereits die Situation bei einer alten Öl-Heizung betrachtet. Das Ergebnis: Sofern der Heizölpreis nicht dauerhaft einbricht, ist die Modernisierung oder Ablösung einer Öl-Heizung wirtschaftlich.
Wenngleich der Austausch alter Öl-Heizungen seit bald einem Jahr von Politik und Öffentlichkeit synonym für die Wärmewende im Heizungskeller verwendet wird, im Anlagenbestand gibt es deutlich mehr Gas- (rund 7 Mio.) als Öl-Heizwertheizkessel (4,8 Mio.). Das Potenzial ist also auch für Gas-Heizungen enorm
und mit dem neuen Marktanreizprogramm ( Webcode 950007) sind die Förderbedingungen so günstig wie nie zuvor. Analog zu [5] wird deshalb nachfolgend die Ausgangssituation „Gas-Heizung, alt“ betrachtet.
Wie sich die Gaspreise in der nächsten Zeit entwickeln, ist momentan nicht abzusehen; und durch langfristige Liefervereinbarungen können viele Gasanbieter nur bedingt reagieren. Auch bei der ab 2021 vorgesehene CO2-Bepreisung von Kraft- und Brennstoffen gibt es Unsicherheiten. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ist bereits in Kraft getreten, allerdings gibt es noch keine Änderung auf Basis der im Dezember 2019 vorgeschlagenen Ergebnisse des Vermittlungsausschusses zum Klimaschutzprogramm 2030. Nach aktuellem Stand würde die Festpreisphase 2021 mit einem Zertifikatepreis von 10 Euro/tCO2 starten, der dann schrittweise bis 2025 auf 35 Euro/tCO2 steigt. Ausgehandelt wurden ein Startwert von 25 Euro/tCO2 und eine schrittweise Erhöhung bis 2025 auf 55 Euro/tCO2.
Auf die Wirtschaftlichkeit einer Heizungsmodernisierung haben die Unterschiede der Festpreisphasen nur einen geringen direkten Einfluss. Eng mit der CO2-Bepreisung verwoben sind jedoch die künftigen Strompreise und somit die Wirtschaftlichkeit von Elektro-Wärmepumpen.
Zwar bewirkt die mit dem Lockdown gesunkene Stromnachfrage in Kombination mit besonders günstigen Bedingungen für Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen in den ersten vier Monaten 2020 ziemlich sicher, dass die EEG-Umlage auf Basis des bisherigen Berechnungsmodells 2021 deutlich steigt – erklärter politischer Wille ist allerdings das Gegenteil.
Durch die CO2-Bepreisung würde der nicht vorhersehbare Anstieg der EEG-Umlage 2021 zumindest verringert. Modellrechnungen auf dem Stand 2019 ohne Einflüsse durch die Coronavirus-Krise prognostizierten bei einem CO2-Preis von 25 Euro/tCO2 eine Entlastung beim Strompreis von etwa 1,2 Ct/kWhel.
Doch es gibt noch einen weiteren Punkt, der Modernisierungen blockieren könnte: Zurzeit wird vielstimmig angeregt und gefordert, nach dem Überwinden der Coronavirus-Krise auch den Bau- und Modernisierungssektor mit staatlichen Hilfen zu stimulieren und dabei Nachhaltigkeit gezielt zu berücksichtigen. Wer deshalb auf höhere Förderquoten spekuliert, könnte anstehende Maßnahmen gezielt verschieben.
Andererseits könnte die Angst entstehen, dass die gerade erst deutlich verbesserten Förderprogramme für die energetische Gebäude- und Heizungsmodernisierung aus Sparzwängen neu priorisiert werden …
CO2-Bepreisung
Bereits mit den „normalen“ Unsicherheiten einer dynamischen CO2-Bepreisung sind Prognosen zu den Gesamtkosten energetischer Maßnahmen komplexer geworden. Bis mindestens 2025 kaufen die Inverkehrbringer von Kraft- und Brennstoffen die Emissionszertifikate zum festgelegten Preis und ohne Begrenzung der Menge der Zertifikate. Das im BEHG hinterlegte „nationale Emissionshandelssystem“ (nEHS) würde jedoch (aus Sicht der Absenkung der CO2-Emissionen) am besten wirken, wenn es ab 2027 keine oder nach oben nur sehr weit gesteckte Preisgrenzen gibt.
Da politisch erst 2025 festgelegt wird, in welchem Rahmen die Versteigerung der Emissionszertifikate ab 2027 erfolgt, sind für Kostenrechnungen und Systemvergleiche Annahmen zum Preisverlauf erforderlich. TGA hat solche Preisverläufe unter anderem in [3]
als Preispfade veröffentlicht, sie greifen bereits der oben erwähnten Änderung des BEHG voraus:
bis minimal 65 Euro/tCO2
Seit März 2020 liegen zwei Gutachten vor, die im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamts (Öko-Institut [1]) bzw. des Bundeswirtschaftsministeriums (Prognos [2]) die Wirkung des Klimaschutzprogramms 2030 bewerten. Darin gibt es ebenfalls Preispfade:
Berechnet man für den Energieträger Erdgas in den Jahren 2020 bis 2035 die Zusatzkosten durch die CO2-Bepreisung, jeweils als Barwert im Juli 2020, abgezinst mit 1,7 %/a, zeigt sich, dass die Barwerte der Preispfade 3, 6, 7 und 8 dicht beieinander liegen, ebenso bei den Preispfaden 5 und 9. Für die weitere Auswertung wurden deshalb die Preispfade 0, 1, 2, 3, 4 und 9 verwendet.
Für den Kostenvergleich über 15 Jahre (Sanierungsdatum Juli 2020 und 1,7 %/a Abzinsung für den Barwert) werden die in [3] vorgestellten Beispiele aus [4] herangezogen, siehe (2). Alle Energiepreisbestandteile steigen um 2 %/a, die Wartungskosten um 1 %/a.
Neu ist die Unterteilung von „Gas-Heizung, alt“ in das Original-System und eine „modifiziert“-Variante: „Gas-Heizung, alt, modifiziert“ hat einen geringen Jahresendenergiebedarf (halbe Einsparung) gegenüber „Gas-BW, neu“. So können Unsicherheiten durch eine zu optimistische Einschätzung der realen Einsparung einfach bewertet werden. Neu ist auch die „modifiziert“-Variante von „Elektro-L/W-WP, neu“. Bei ihr wurde der Startwert für den Strompreis um 2 Ct/kWhel gesenkt.
Bewertung Gas-Heizung
(1) zeigt aus der Perspektive der alten Gas-Heizung den Barwert für 15 Jahre Weiterbetrieb (obere gestrichelte Kurve) und den Barwert für unterschiedliche Modernisierungen. Dabei wurde jeweils die maximale Förderung nach Marktanreizprogramm berücksichtigt. Für die Bestandsanlage „Gas-Heizung, alt“ betragen beim teuersten Preispfad 9 die Zusatzkosten aus der CO2-Bepreisung abgezinst 12 594 Euro, beim günstigsten Preispfad 1 sind es immerhin 4967 Euro.
Die untere gestrichelte Kurve in (1) sammelt die Barwerte für „Gas-Heizung, alt, modifiziert“ mit einer halbierten Energieeinsparung gegenüber der normativen Berechnung und kann damit als „sehr sicher erreichbar“ angenommen werden. Lösungen, deren Barwert unter der Kurve liegen, sind im Betrachtungszeitraum günstiger. Auch Lösungen, deren Barwert zwischen den gestrichelten Kurve liegt, können im Betrachtungszeitraum günstiger sein, sollten aber genauer untersucht werden.
Ohne Energieträgerwechsel
Mit den getroffenen Annahmen hat die Variante „Gas-BW, neu“, für die es keine MAP-Förderung gibt, bei allen alle Preispfaden einen geringeren Barwert als „Gas-Heizung, alt, modifiziert“: Wer nicht mindestens diese Einfachmodernisierung vornimmt, verschenkt Geld. Beim mittleren Preispfad 3 summiert sich in 15 Jahren ein Barwert-Vorteil von 1531 Euro, gegenüber „Gas-Heizung, alt“ sind es 7342 Euro.
„Gas-BW+Solar, neu“ hat bei allen Preispfaden (auch ohne CO2-Bepreisung) einen niedrigeren Barwert als das bereits wirtschaftlich vorteilhafte System „Gas-BW, neu“: Die Solaranlage als Eintrittskarte zur MAP-Förderung des Gesamtsystems bietet Modernisierern einen Kostenvorteil gegenüber der (bisherigen) Standardmodernisierung. Beim mittleren Preispfad 3 summiert sich in 15 Jahren gegenüber „Gas-Heizung, alt, modifiziert“ ein Barwert-Vorteil von 3317 Euro, gegenüber „Gas-Heizung, alt“ sind es 10 659 Euro.
Elektro-LW-Wärmepumpe
Ab dem aus Verbrauchersicht sehr optimistischen Preispfad 1 schließt „Elektro-L/W-WP, neu“ mit einem 291 Euro höheren Barwert zu „Gas-BW+Solar, neu“ auf, ab Preispfad 2 ist ihr Barwert kleiner. Beim mittleren Preispfad 3 summiert sich in 15 Jahren gegenüber „Gas-Heizung, alt, modifiziert“ ein Barwert-Vorteil von 4894 Euro, gegenüber „Gas-Heizung, alt“ sind es 12 236 Euro.
Die Variante „Elektro-L/W-WP, neu, modifiziert“ hat bereits ab dem Preispfad 1 einen deutlich geringeren Barwert als „Gas-BW+Solar, neu“ (1657 Euro). Beim Preispfad 0, also ohne CO2-Bepreisung, entspricht der Barwert dem von „Gas-Heizung, alt, modifiziert“. Dieser Fall schließt sich allerdings mit den getroffenen Annahmen aus, denn die Strompreissenkung resultiert ja erst aus der CO2-Bepreisung. Beim mittleren Preispfad 3 summiert sich in 15 Jahren gegenüber „Gas-Heizung, alt, modifiziert“ ein Barwert-Vorteil von 6842 Euro, gegenüber „Gas-Heizung, alt“ sind es 14 184 Euro.
Mit einer Luft/Wasser-Wärmpumpe und einem dafür geeigneten Wärmeübergabesystem können die Gesamtkosten stärker als mit den Gas-Modernisierungen gesenkt werden. Der Barwert-Abstand bietet außerdem das Potenzial, ein vorhandenes Wärmeübergabesystem für den Wärmepumpenbetrieb zu optimieren. Als Umfeldmaßnahme ist dies über das MAP förderbar (35 %).
Pellet-Heizung
„Pellet, neu“ hat bei allen Preispfaden einen höheren Barwert als „Gas-BW+Solar, neu“, gegenüber „Gas-BW, neu“ ergibt sich nur beim Preispfad 9 ein Barwert-Vorteil von 1553 Euro. Beim mittleren Preispfad 3 summiert sich in 15 Jahren gegenüber „Gas-Heizung, alt, modifiziert“ ein Barwert-Vorteil von 252 Euro, gegenüber „Gas-Heizung, alt“ sind es 7594 Euro.
Ausblick
Insgesamt zeigt sich: Eine veraltete Gas-Heizung noch längere Zeit weiter zu betreiben, ist finanziell eine schlechte Option. Für das Beispiel gilt dies sogar ohne MAP-Förderung und ohne CO2-Bepreisung: Das nicht über das MAP förderbare System „Gas-BW, neu“ weist eine geringeren Barwert als das Bestandssystem „Gas-Heizung, alt, modifiziert“ auf. Mit den über das MAP geförderten Systemen „Gas-BW+Solar, neu“ und „Elektro-L/W-WP, neu“ können deutliche Kostenvorteile erzielt werden.
Auch bei der Liquidität haben „Gas-BW+Solar, neu“ und „Elektro-L/W-WP, neu“ Vorteile, wenn man neben der MAP-Förderung zur Finanzierung des Eigenanteils das KfW-Programm 167 (Energieeffizient Sanieren – Ergänzungskredit für die Umstellung einer Heizung auf erneuerbare Energien) nutzt. Aktuell (28.04.2020) wird das Programm mit einem Effektivzins von 1 %/a, einer tilgungsfreien Anlaufzeit bis zu zwei Jahre und einer Laufzeit von vier bis zehn Jahren angeboten.
Nutzt man die Laufzeit von zehn Jahren und die maximale tilgungsfreie Anlaufzeit, liegen die kumulierten laufenden Kosten für „Gas-BW-Solar, neu“ und „Elektro-L/W-WP, neu“ mit Preispfad 3 in den nächsten zwei Kalenderjahren deutlich und bis zum 5. Kalenderjahr unter denen von „Gas-Heizung, alt, modifiziert“. Danach sind die kumulierten laufenden Kosten bis zum Ende der Tilgung (10. Kalenderjahr) höher: 1396 Euro (Gas-BW-Solar, neu) bzw. 1092 Euro (Elektro-L/W-WP, neu). Bis zum 15. Kalenderjahr baut sich dann ein Kostenvorteil von 3666 bzw. 7597 Euro auf. Die höchste Kostendifferenz (Mehrkosten) ergibt sich jeweils im 4. Kalenderjahr mit 448 Euro (Gas-BW-Solar, neu) bzw. 596 Euro (Elektro-L/W-WP, neu).
Jochen Vorländer