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■ Beim Neubau einer Messehalle der Messe Augsburg stand nur ein Jahr zwischen Spatenstich und der ersten Großveranstaltung zur Verfügung.
■ Das enge Zeitfenster und wenig Platz auf der Baustelle erforderten eine sehr genaue und aufeinander abgestimmte Fertigung, Teilung, Logistik und Montage der RLT-Geräte mit Endabmessungen von 20 m Länge, 6,0 m Tiefe und 4,3 m Höhe.
■ Die vier großen RLT-Geräte wiegen jeweils rund 35 t, was bei der Vorspannung der Trägerkonstruktion der ohne innenliegende Stützpfeiler errichteten Messehalle berücksichtigt werden musste.
Zugegeben, dass die Messehallen aufgrund von Covid-19-Pandemie ein halbes Jahr später leer stehen und sich keine Menschenmassen durch Hallengänge drängeln, war während des Baus der neuen Messehalle in Augsburg nicht abzusehen. Ganz im Gegenteil – viele Messen eilten von Erfolg zu Erfolg und planten mit Hochdruck die Erfolgsgeschichten von morgen.
So auch die Interlift, die Weltleitmesse für Aufzüge. Diese setzte der Messe Augsburg das Messer auf die Brust und machte eine Zusage für den Messestandort Augsburg davon abhängig, ob eine neue Halle zur Verfügung stehe oder nicht. Nachdem die Messe Augsburg unbedingt auch weiter Standort der Interlift bleiben wollte, nahm sie die Herausforderung an. Die Konsequenz: das Zeitfenster betrug nur ein Jahr zwischen Spatenstich und Messeeröffnung.
Die komplette Planung einschließlich der Bauleitung für die gesamten lufttechnischen Anlagen sowie den haustechnischen Gewerken übernahm Peter Braun vom Ingenieurbüro Ulherr aus Augsburg. Für die Ausführung der Planung blieben 9 Monate.
Den Zuschlag bekam Schuster Klima Lüftung aus Friedberg nahe Augsburg. Und die wiederum hatten es sich aufgrund der extrem kurzen Bauzeit gut überlegt, überhaupt anzubieten. Ein Verzug hätte für Schuster Klima Lüftung gravierende Konsequenzen gehabt. „Allein die vertraglich vereinbarte Konventionalstrafe hatte es in sich. Und die Schlagzeilen hätte ich nicht lesen wollen, wenn die Messe kurzfristig hätte abgesagt werden müssen, weil die Lüftung nicht pünktlich fertig wurde. Und das als Unternehmen, das hier in Augsburg und Umgebung durchaus bekannt ist“, so Josef Albanese, Geschäftsführer bei Schuster Klima Lüftung.
Groß, größer, effizient
Selten sieht man die Auswirkungen der ErP-Richtlinie so gut im direkten Vergleich wie auf dem Messegelände in Augsburg. Auf anderen Hallen stehen bereits ältere RLT-Geräte, die auf demselben Lüftungskonzept basieren. Um die Anforderungen der aktuellen ErP(Ökpdesign)-Richtlinie zu erfüllen, sind die RLT-Geräte auf der neuen Halle (Bild 1) rund ein Drittel größer als vor Einführung der ErP-Richtlinie: Der größere Querschnitt der Gehäuse reduziert die Luftgeschwindigkeit und schafft so bessere Effizienz-Werte.
Die Abmessungen sind enorm: Die 20 m langen RLT-Geräte haben eine Höhe von 4,3 m und eine Tiefe von 6,0 m (Bild 2). Die Wärmerückgewinnung über Rotoren weist eine Leistung von 830 kW aus. Da die Messe auf das Dach der Halle keine Anschlüsse für eine externe Wärmeversorgung legen wollte, entschied sich Braun für den Einsatz von Brennkammern (Bild 4).
Die Brennkammern sind für rund 430 kW ausgelegt. Bei Bedarf erhitzen sie die Luft innerhalb kurzer Zeit. Insbesondere helfen sie, morgens vor Messebeginn die Halle schnell zu temperieren. Ansonsten übernimmt die Wärmerückgewinnung einen Großteil der Temperierung.
Die Verbrennungsluft wird separat durch das Gehäuse zugeführt. Die Abgase werden über spezielle Kamine, die an den RLT-Geräten angebracht sind, sicher und gezielt fortgeführt.
Auch die zugehörige Kältetechnik befindet sich inklusive Fortluftkondensatoren komplett in den RLT-Geräten, sodass auf der Dachfläche größtenteils nur die RLT-Geräte zu sehen sind. Zudem wurde die Kältetechnik so ausgelegt, dass diese auch im Umluftbetrieb ohne Einschränkung bei voller Leistung kühlen kann.
Wie funktioniert eine reibungslose Installation?
Eine große Halle, aber nur wenig Platz für die Anlieferung – vor diesem Problem stand Peter Doll (Bild 3), Projektingenieur bei Schuster Klima Lüftung. Gemeinsam mit Christoph Prübner, Vertriebsbeauftragter bei robatherm, tüftelte er an Möglichkeiten, wie die Anlieferung am besten ablaufen könnte.
Die einzelnen Gehäuseteile wurden mit Verstrebungen verstärkt, sodass die Geräte aus möglichst wenig einzelnen Einheiten bestanden. Dies reduzierte die Montagezeit auf der Baustelle erheblich. Letztlich waren es 20 Liefereinheiten pro RLT-Gerät. Passend zum Montageablauf vor Ort takteten Doll und Prübner jedes RLT-Gerät zeitlich ein.
Im Warenausgang bei robatherm wurden die Einheiten in der festgelegten Reihenfolge für den Versand vorbereitet. Die Anlieferung auf dem Messegelände erfolgte schließlich in einem definierten Zeitkorridor. Ein Kran hob die Liefereinheiten direkt vom Lkw auf das Dach. Ein eingespieltes Montageteam von Schuster Klima Lüftung konnte die Gehäuseteile dann direkt auf dem Dach platzieren und montieren – Just-in-Time eben.
Eine Zwischenlagerung neben dem Lkw oder auf dem Dach war dank der Zeitplanung somit nicht notwendig. Ebenso verhinderte die genaue Taktung, dass wartende Lkws den ohnehin knappen Raum auf der Baustelle beanspruchten.
Spannung: Das Dach bewegt sich
Die Messehalle ist eine der größten Messehallen ohne innenliegende Stützpfeiler. Schön für jeden Messestandbauer, umso komplizierter für den Statiker. Jedes der vier RLT-Geräte wiegt rund 35 t. Ein Gesamtgewicht, das der Statiker bei der Vorspannung der Trägerkonstruktion natürlich berücksichtigen musste. Erst mit der Montage der RLT-Geräte senkte sich das vorgespannte Dach etwas und bewegte sich in die finale Position.
Doll zeigt sich auch noch Monate nach dem Projekt beeindruckt von der Statik und erinnert sich an eine Situation während der Bauphase. Sein Montageteam hatte bereits in der Halle begonnen, die ersten Luftauslässe unter der Hallendecke zu montieren – noch bevor die RLT-Geräte auf dem Dach standen.
Doll: „Nachdem die ersten RLT-Geräte auf dem Dach standen, stand ich in der Halle und wunderte mich, dass die Auslässe tiefer als geplant hingen. Auch wenn es nur ein paar Zentimeter waren, es war mit bloßem Auge zu erkennen. Solch Ungenauigkeiten bin ich von meinem Montageteam nicht gewohnt – und dann behaupten sie auch noch, dass sie es wirklich bündig ausgerichtet hätten.“
Die RLT-Geräte auf einen Blick
● 4 RLT-Geräte in wetterfester Ausführung à 72 000 m3/h
● 1 RLT-Gerät in wetterfester Ausführung mit 35 000 m³/h
● effiziente Wärmerückgewinnung über Rotoren (830 kW WRG-Leistung)
● integrierte Wärmeerzeugung über Brennkammern (Leistung: 433 kW) und Mischröhren für eine effektive Luftdurchmischung
● inklusive integrierter Kältetechnik
● die MSR-Technik erfolgte bauseits, die Verkabelung sowie der Schaltschrank waren im RLT-Gerät bereits vorbereitet
● Innenliegende Wartungsbühnen für eine komfortable, witterungsgeschützt Wartung im RLT-Gerät
Der Fehler war schnell korrigiert und auch die Ursache schnell geklärt: Die ersten Auslässe waren ursprünglich durchaus bündig montiert. Nachdem die RLT-Geräte auf dem Dach standen, hatte sich jedoch die Dachkonstruktion aufgrund des Gewichts wie vom Statiker geplant gesenkt… Eine Anekdote, über die Doll inzwischen lachen kann.
Wie sieht Wartungsfreundlichkeit auf dem Dach in der Praxis aus?
Die Antwort fällt Doll leicht: „Wir lassen die Servicetechniker nicht im Regen stehen – im wahrsten Sinne des Wortes.“ Die Schaltschränke für die Kältetechnik und die MSR-Technik wurden in die RLT-Geräte integriert, liegen aber außerhalb des Luftstroms. Das macht die RLT-Geräte zwar größer, allerdings können Servicetechniker somit auch während des Betriebs am Schaltschrank arbeiten und dies wetter- und witterungsgeschützt.
Sämtliche Komponenten sind im Gerät einfach zu warten, je nach Höhe sind sie über innenliegende Wartungsbühnen erreichbar (Bild 4). Leitern benötigen Servicetechniker somit im Normalfall nicht. Die im oberen Bereich liegenden Revisionstüren sind nur für Notfälle vorgesehen.
Was hat Lüftungstechnik mit einem Tandemsprung zu tun?
Rund 7,5 Mio. Euro wurden beim Bau der Messehalle allein für die Haustechnik aufgewendet. Viel Geld und damit aber auch viel Arbeit, die in den neun Monaten bis zum Messebeginn erledigt werden musste. Zeitpuffer gab es kaum und dann fiel gleich zu Beginn auch noch so viel Schnee, dass sich einzelne Arbeiten um rund vier Wochen verzögerten. Am Ende schaffte es das Schuster-Team doch, die Lüftungstechnik pünktlich zu übergeben – inklusive Abnahme zwei Wochen vor Messebeginn.
Das Projekt vergleicht Doll mit einem Tandemsprung. „Wenn ich mir nicht ganz sicher bin, dass ich wie geplant lande, dann sollte ich oben erst gar nicht springen. Ich muss meinem Material vertrauen, meinem Kollegen, dem Piloten und vielen anderen. Und nur wenn alles passt, klappt es auch. Hätte ich das Vertrauen nicht gehabt, hätte ich von dem Projekt vehement abgeraten.“
Am Ende war es dank der guten Zusammenarbeit zwischen Schuster Klima Lüftung, dem Ingenieurbüro Ulherr und robatherm eine Punktlandung. Die Interlift öffnete die Tore und die Besucher strömten durch die Hallen – ein Bild, das die Messe Augsburg gerne bald wieder sehen würde.
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