Wasserstoff fasziniert. Auch wenn das farblose Gas mit der geringsten Dichte aller Elemente bezogen auf die Gesamtmasse unseres Planeten mit einem Anteil von etwa 0,03 % und bezogen auf die Erdkruste von etwa 2,9 % vergleichsweise selten und überwiegend gebunden vorkommt. Der größte Anteil des Wasserstoffs an der Erdoberfläche kommt in der Verbindung Wasser vor.
Derzeit wird Wasserstoff gezielt nahezu ausschließlich aus Erdgas und Kohle für zahllose Anwendungen in Industrie und Technik hergestellt, weltweit sind es ca. 70 Mio. t/a. Mit der darin gebundenen Verbrennungsenergie könnte Deutschland etwa 75 % seines Energiebedarfs decken. Allerdings wird derzeit nur ca. 5 % der global hergestellten Menge gehandelt.
Dass sich bisher keine Wasserstoffwirtschaft über den prozesstechnischen notwendigen Bedarf hinhaus etabliert hat, liegt schlichtweg an den ungünstigen Rahmenbedingungen und am geringen Wirkungsgrad. Wo Wasserstoff fossile Energieträger direkt oder weiterverarbeitet substituieren könnte, gibt es keinen wirtschaftlichen Anreiz und deshalb keine Produktionskapazitäten. Beides dürfte sich künftig ändern, allein weil Wasserstoff ein industriepolitisches Thema ist.
Nachfrage könnte sich verdreifachen
Trotzdem ist ein realistischer Blick auf die die Verfügbarkeit für potenzielle Anwendungen notwendig. Diesen ermöglicht eine gerade veröffentlichte Studie von Aurora Energy Research. Alexander Esser von Aurora Energy Research: „Den stärksten Einfluss auf die Bedarfs- und Preisprognosen haben die Bereiche Verkehr und Wärme. Wird hier weitestgehend auf die direkte Nutzung von Strom statt Wasserstoff gesetzt, brauchen wir im Jahr 2050 nur rund 150 TWh Wasserstoff. Der geht dann vor allem in den Industriesektor. Kommt jedoch im Verkehr und für die Wärmeerzeugung in großem Stil Wasserstoff [direkt oder veredelt] zum Einsatz, könnte die Nachfrage im Jahr 2050 mit 500 TWh mehr als dreimal so hoch sein.“ Das entspräche rund der Hälfte der aktuellen Erdgasnachfrage in Deutschland.
Ein hoher Wasserstoffbedarf lässt den Preis deutlich steigen, vor allem, wenn er mit grünem Wasserstoff gedeckt werden soll. Das unterstreicht die Bedeutung der Frage, für welche Zwecke Wasserstoff eingesetzt werden sollte.
Soll dieser erhöhte Bedarf ausschließlich mit grünem Wasserstoff gedeckt werden, lägen die Kosten pro MWh im Jahr 2040 mehr als doppelt so hoch wie beim niedrigen Bedarf von 150 TWh. Der Grund dafür liegt im hohen Strombedarf der Elektrolyse. Bei niedriger Nachfrage können die Elektrolyseure anteilig viel häufiger die niedrigen Strompreise in Phasen von viel Sonne und Wind nutzen. Wird dagegen mehr Wasserstoff benötigt, muss auch zu Zeiten höherer Strompreise Wasserstoff produziert werden. Esser: „Um die Kosten von grünem Wasserstoff gering zu halten, sollten somit Sektoren, in denen das möglich ist, bevorzugt elektrifiziert werden, allen voran der Verkehrs- und der Wärmesektor.“ Andernfalls wäre die künftige hohe Wasserstoffnachfrage nur dann zu akzeptablen Kosten zu decken, wenn ein hoher Anteil von blauem Wasserstoff (aus Erdgas mit CO2-Abscheidung und -Speicherung) zum Einsatz kommt.
Import von grünem Wasserstoff ist keine Lösung
Die Analyse ergibt zudem, dass auch der Import von grünem Wasserstoff aus sonnenreichen außereuropäischen Regionen, beispielsweise Nordafrika, keine Lösung ist: Esser: „Sobald der Bau neuer Fernleitungen oder ein Transport per Schiff nötig ist, wird der interkontinental importierte Wasserstoff teurer als der aus heimischer Produktion.“
Für den Gebäudesektor ist damit eine hohe Verfügbarkeit von billigem Wasserstoff zum Heizen langfristig unrealistisch.
Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de
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