„Eine Studie des Norddeutschen Reallabors kommt zu dem Schluss, dass der Einsatz von Wasserstoff für die dezentrale Wärmebereitstellung in Gebäuden im Regelfall nicht wirtschaftlich und damit nicht sinnvoll ist.“
GV
Um verschiedene Heiztechnologien vor dem Hintergrund des prognostizierten Markthochlaufs von Wasserstoff ökonomisch zu bewerten, hat das Energiewende-Verbundprojekt Norddeutsches Reallabor (NRL) die tatsächlich anfallenden Kosten im Zeitverlauf verglichen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass auf Wasserstoff ausgerichtete Gas-Brennwertthermen an dieser Stelle nicht sinnvoll sind.
„Aus Effizienzgründen ist der Einsatz von Wasserstoff für die dezentrale Wärmebereitstellung nicht zu priorisieren, da hier ein Vielfaches an grüner elektrischer Energie für die Elektrolyse im Vergleich zu einem Szenario mit Wärmepumpen notwendig wäre“, betont Felix Doucet, Autor der Studie und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am CC4E. Der direkte Vergleich zeige, dass der Einsatz von erneuerbarem Strom pro kWh zu erzeugender Wärme bei der Verbrennung von grünem Wasserstoff in Brennwertthermen fünf- bis sechsmal höher ist als bei der direkten Nutzung in einer Wärmepumpe. Die Erkenntnis ist zwar nicht wirklich neu, aber der Klartext für ein Verbundprojekt, in dem auch mehrere Energieversorger Partner sind, bemerkenswert.
Grüner Wasserstoff ist ein Multitalent…
Grüner Wasserstoff wird in einem zukunftsfähigen Energiesystem eine wichtige Rolle spielen. Darüber existiert in der Fachwelt Konsens. (Grüner) Wasserstoff ist ein Multitalent. Neben der stofflichen Nutzung und dem direkten Einsatz kann er als Ausgangsstoff für synthetisch erzeugte Brennstoffe (Wasserstoffderivate) mit kleinem ökologischem Fußabdruck verwendet werden. Diese Fähigkeit wird jedoch zur Bürde, wenn schwerlich erfüllbare Erwartungen und Hoffnungen damit verbunden werden, etwa die Substitution von Erdgas zur Erzeugung von Raumwärme. Denn nachhaltig erzeugter Wasserstoff ist noch für viele Jahre eine knappe Ressource, weshalb sein Einsatz in den möglichen Einsatzfeldern fundiert bewertet werden muss.
…muss aber prioritär eingesetzt werden
„Für einen energieeffizienten Markthochlauf geht es nicht darum, möglichst viele theoretische Anwendungsfälle für grünen Wasserstoff zu finden, sondern zu identifizieren, wo der Einsatz von grünem Wasserstoff alternativlos ist und wo demzufolge prioritär neue Geschäftsmodelle bzw. Wertschöpfungsketten erforderlich sind“, mahnt Prof. Dr. Jens-Eric von Düsterlho, Leiter des Departments Wirtschaft an der HAW Hamburg und Leiter der NRL-Arbeitsgruppe für die Studienreihe „Potentiale, Grenzen und Prioritäten. Grüner Wasserstoff für die Energiewende.“, mit einer Bewertung für den Gebäudesektor als Auftakt.
Es ist durchaus realistisch, dass die Bereitstellungskosten für grünen Wasserstoff nach 2030 deutlich sinken. Da mindestens bis dahin aber elektrische Wärmepumpen die Wärmewende tragen, hat dies weitreichende Konsequenzen. „Wenn alle Gebäudenutzer der gezeigten Vorteilhaftigkeit von Wärmepumpen folgen würden und es keine Restriktionen im Stromnetz gäbe, könnten große Teile der bestehenden Gasnetzinfrastruktur in Wohngebieten obsolet werden. Eine Ertüchtigung der Gasnetze für einen Wasserstofftransport in Wohngebiete wäre aus ökonomischer Sicht jedenfalls nicht zielführender als die ohnehin notwendige Ertüchtigung des Stromnetzes“, so die Studie.
Gas-Heizung ist ein Auslaufmodell
Lokal oder sogar regional wird es Gasnetze geben, in denen auch Wasserstoff-Heizungen eine Option sind. Die TGA/SHK-Branche sollte sich jedoch darauf einstellen, dass die Gas-Heizung ein Auslaufmodell ist und dies schon deutlich vor dem Ende der Nutzungsdauer heute installierter Geräte Folgen haben wird, die den Ausstieg weiter beschleunigen könnten. In Brüssel gibt es Überlegungen, bei neuen Heizungen schon ab 2035 den Einsatz fossiler Brennstoffe zu verbieten, billiger Wasserstoff wird dann voraussichtlich (noch) nicht zur Verfügung stehen.
Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA+E Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de
Alle TGAkommentare finden Sie im TGAdossier TGA-Leitartikel
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