Die Notierungen suggerieren seit einiger Zeit, dass weltweit „billiges“ Erdöl im Überfluss vorhanden ist. An der Rohöl-Verfügbarkeit hat sich in den letzten Jahren insbesondere geändert, dass in den USA die Erdölförderung durch Fracking wiederbelebt wurde. Möglich wurde dies durch die neue technische Möglichkeit, bekannte Ressourcen in Reserven zu verwandeln, einen hohen Ölpreis und den Glauben der Investoren und Kreditgeber, dass der Ölpreis eine lange Zeit mindestens auf diesem Niveau bleibt. Ein neuerer Umstand ist, dass der Iran auf den Weltmarkt zurückkehrt.
Der Weltmarktpreis für Rohöl bildet nur indirekt die Kosten für die Förderung ab und nimmt keine Rücksicht auf die spezifischen Kosten einzelner Förderquellen. Der Weltmarktpreis für Rohöl entsteht durch Angebot und Nachfrage. Und momentan trifft eine konjunkturbedingt schwache Nachfrage auf ein Überangebot.
Abgesehen von kurzzeitigen Engpasssituationen, beispielsweise durch Naturkatastrophen, Kriege, Boykotte oder kurzzeitige technische Ausfälle, kann man davon ausgehen, dass die Ölproduzenten in den letzten Jahrzehnten jederzeit deutlich mehr Rohöl hätten liefern können als nachgefragt wurde. Ein den Ölpreis drückendes Angebot war jedoch nicht im Interesse der Ölstaaten, die die Preisbildung beeinflussen können. Momentan versucht Saudi Arabien die Fracking-Unternehmen in den USA durch einen geringen Ölpreis in die Knie zu zwingen (teleboerse.de im Oktober 2015: „Saudis pumpen Konkurrenz zu Tode“) und treibt damit gleichzeitig mehrere Länder, die wirtschaftlich vom Erdölexport abhängig sind, in den Ruin. Die befeuern die Abwärtsspirale ihrerseits durch höhere Fördermengen, um geringere Einnahmen aufzufangen.
Strategisch macht dieser Preiskrieg nur Sinn, wenn das Ausschalten der Konkurrenz dafür benutzt wird, nach der „Marktbereinigung“ höhere Preise durchzusetzen, und die Macht, den Preis in die eine oder andere Richtung beeinflussen zu können, erhalten wird. Wer diese Macht besitzt, kann beeinflussen, wie schnell weltweit die Förderstätten mit geringen Kosten ausgebeutet werden, um den Ertrag für die eigenen Reserven zu optimieren. Dabei geht es um den Preis und um die Absatzmenge bis zu dem Zeitpunkt, ab dem erneuerbare Energien den Ölpreis diktieren.
Billiges Öl erfreut die Konsumenten und steigert kurzfristig ihre Kaufkraft. Zu billiges Öl wirkt aber weltweit an vielen Stellen als Gift, auch in Deutschland. Zwar werden momentan bei dem niedrigsten Preis für Heizöl seit über zwölf Jahren – quasi antizyklisch – mehr Öl-Heizungen modernisiert als zuvor, niedrige Energiepreise erhöhen aber tendenziell den Sanierungsstau. Hier wirkt sich der Ölpreisverfall momentan auf die konkurrierenden Energieträger aus. So fordert der Bundesverband Wärmepumpe bereits, dass Berlin „den Hebel beim Preisgefälle zwischen den Energieträgern ansetzen“ soll. Auch die Pellet-Branche hat vermutlich nicht damit gerechnet, dass Heizöl noch einmal deutlich billiger als die Presslinge wird. Durch das Wirtschaftlichkeitsgebot erschweren es niedrige Energiepreise auch, gesetzliche Vorgaben zur Energieeinsparung an übergeordnete Ziele anzupassen – man darf gespannt sein, wie sich das auf die anstehende EnEV-Novelle auswirken wird.
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · www.tga-fachplaner.de