Forscher haben die sonnenlichtgetriebene Herstellung von Wasserstoff vom Tagesverlauf entkoppelt. Ihr Einzelmolekülkatalysator kann solaren Wasserstoff auch an dunklen Wintertagen herstellen. Das neue System macht sogar die Speicherung von Lichtenergie möglich: So kann die Produktion des grünen Wasserstoffs nachfrageorientiert starten.
Forschende der Universitäten Ulm und Jena haben im Fachjournal „Nature Chemistry“ einen neuen Lösungsansatz für eine der größten Herausforderungen der solaren Energiewandlung vorgestellt: Sie haben ein System entwickelt, das die lichtgetriebene Herstellung von Wasserstoff zu jeder Tages- und Jahreszeit ermöglicht. Zukünftige Anwendungsbereiche dieser photochemischen Einheit reichen von der bedarfsgerechten Wärmeerzeugung bis zur Versorgung wasserstoffbetriebener Fahrzeuge „on demand“.
Solare Wasserstoffherstellung vom Tagesverlauf entkoppelt
Soll Wasserstoff (H2) eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielen und einen signifikanten Beitrag zur Klimaneutralität leisten, muss dieser Energieträger grün sein – also ausschließlich mit erneuerbaren Energien hergestellt werden. Doch wie lässt sich solarer Wasserstoff nach Bedarf abends oder im Winter produzieren? Die Ulmer Chemikerinnen und Chemiker könnten eine Antwort gefunden zu haben: Erstmals ist es ihnen mit einem molekularen photochemischen System gelungen, die sonnenlichtgetriebene Wasserstoffherstellung vom Tagesverlauf zu entkoppeln. Das neue System kann Lichtenergie speichern und auch bei Dunkelheit starten.
Bei der Wasserstoffherstellung durch die Kopplung mehrerer Komponenten – beispielsweise Photovoltaik-Zellen, Batterien und Elektrolyseure – summieren sich die Energieverluste bei jedem Schritt; die Wasserstoffproduktion ist wenig effizient.
Flüssiger, leicht speicherbarer Treibstoff
Im deutlichen Gegensatz dazu basiert die Ulmer Alternative auf einem einzigen Molekül, das Sonnenlicht aufnehmen, Energie speichern und Wasserstoff herstellen kann. In dieser kompakten Einheit wird also die räumliche und zeitliche Trennung dieser Schritte möglich. Professor Carsten Streb vom Institut für Anorganische Chemie I der Universität Ulm: „Lichteinstrahlung führt in unserem Molekül zur Ladungs-Trennung und Elektronen-Speicherung – im Ergebnis entsteht ein flüssiger, leicht speicherbarer Treibstoff. Die bedarfsgerechte Erzeugung des gasförmigen Wasserstoffs wird durch die Zugabe einer Protonen-Quelle erreicht.“
Die Forschenden haben die Leistungsfähigkeit ihres Systems mit verschiedensten Analysemethoden überprüft. Im Ergebnis zeigt die molekulare Einheit eine exzellente chemische und photochemische Stabilität. „Der modulare Aufbau des Systems ermöglicht chemische Veränderungen und eine Optimierung des Gesamtsystems“, erklärt Erstautor Dr. Sebastian Amthor, der an der Universität Ulm promoviert hat und nun in Spanien forscht. In Zukunft soll das Modell hochskaliert werden und somit als „Blaupause“ für dezentrale Energiespeicher dienen. Anwendungsmöglichkeiten reichen von der Strom- und Wärmeerzeugung bis zu mobilen, solarbetriebenen H2-Tankstellen für Lkw und Busse. ■
Im Kontext:
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Zum Forschungsprojekt
Entwickelt wurde das photochemische System im Zuge des Transregio-Sonderforschungsbereichs TRR 234 CataLight (Lichtgetriebene molekulare Katalysatoren in hierarchisch strukturierten Materialien: Synthese und mechanistische Studien). In dem mit 10 Mio. Euro geförderten Verbundprojekt nehmen sich Forschende der Universitäten Ulm und Jena die Photosynthese zum Vorbild und entwickeln neue Materialien für die Energiewandlung. Für die aktuelle Publikation wichtige Strukturanalysen und optisch-spektroskopische Arbeiten, die die Antwort des Katalysators auf Licht beschreiben, wurden am Zentrum für Energie und Umweltchemie (CEEC Jena) der Universität Jena durchgeführt.
Originalpublikation: DOI: 10.1038/s41557-021-00850-8