Die Doktorandin Ann-Catrin Uhr-Müller untersucht in einem Forschungsprojekt, wie Papier-Masse-Kabel (Paper Insulated Lead Covered, kurz PILC-Kabel) während des Betriebs altern und wie das von der Last im Netz abhängt.
Wo Energie aus Wind und Sonne eingefangen wird, gibt es in der Erzeugung Leistungsspitzen und tiefe Täler. Solche Schwankungen im Stromnetz gehören zu den Faktoren, die Stromkabel schneller altern lassen.
Damit beschäftigt sich Müller in ihrer Promotion zum Thema „Entwicklung und Applikation eines Systems zur künstlich-beschleunigten Alterung und diagnostischen Analyse von Mittelspannungskabeln“. Betreut wird sie dabei an der Fakultät Elektrotechnik und Informatik der Hochschule Coburg von Prof. Dr. Christian Weindl, außerdem von Prof. Dr. Reinhard German von der FAU Erlangen-Nürnberg.
Die Doktorandin wurde für ihrer Arbeit mit dem zweiten Platz des BayWISS-Preises 2024 gewürdigt, der einmal im Jahr vom Bayerische Wissenschaftsforum für herausragende oder zukunftsweisende Forschungsleistungen vergeben wird.
Erneuerbare Energien als Herausforderung für das Stromnetz
Im Forschungsprojekt wird untersucht, wie Papier-Masse-Kabel (Paper Insulated Lead Covered, kurz PILC-Kabel) während des Betriebs altern und wie das von der Last im Netz abhängt. Diese Frage ist entscheidend, um das Bestandsnetz in Deutschland für die Herausforderungen der Energiewende vorzubereiten.
Mit dem steigenden Anteil an E-Mobilität und dem zunehmenden Betrieb von Wärmepumpen verändert sich die Nutzung des Stromnetzes. Die Belastungen steigen. Das Netz altert deutlich schneller. Kritisch sind dabei die PILC-Kabel mit einer erwarteten Lebensdauer von 40 bis 80 Jahren. Bei vielen ist die Lebensdauer bereits erreicht – oder sogar schon überschritten. „Es gibt aber auch Lösungen bspw. für die Diagnose, in welcher ich durch meine Arbeit deutliche Erkenntnisse hinsichtlich Frequenz- und vor allem der Temperaturabhängigkeit der Verlustfaktormessung erarbeitet habe“, sagt die Wissenschaftlerin.
Derzeit ist es üblich, unter 20 °C und der langsamen VLF-Frequenz zu messen. Dadurch entstehen Uhr-Müller zufolge aber zum Teil sehr unscharfe Aussagen. Aus Ihrer Arbeit resultieren hier bessere Handlungsempfehlungen. Außerdem konnte sie Theorien, die bisher nur durch Kleinstversuche und Reinmaterialien aufgestellt wurden, in einem großen Umfang und mit realen Kabeln mit unterschiedlichen, degenerationsabhängigen Ausprägungen nachweisen.
Kabel von 1946 im Versuchsfeld
Dafür wurden in einem Versuchsfeld zur Alterung neben acht fabrikneuen auch 24 Kabel verbaut, die aus dem Bestandsnetz entnommen worden sind. Sie waren im Betrieb unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt und stammen aus Baujahren von 1946 bis 1990. Dadurch können Rückschlüsse auf die verschiedenen alters- und lastabhängigen Degenerationszustände gezogen werden. „Es hat sich gezeigt, dass auch alte Prüflinge noch in teilweise guten Zustand sind. Das ist erstmal beruhigend.“
Durch sehr hohe Temperaturen von bis zu 65 ° und Spannungen bis zu 22 kV wurde die Alterung der Kabel im Versuch beschleunigt. Die gesamte Anlage ist vollautomatisiert und läuft rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Durch tägliche diagnostische Messungen bei verschiedenen Spannungen und regelmäßige Parameterstudien verfügt Uhr-Müller nun über eine umfangreiche Datenbasis. Ein Hauptziel der intensiven, mehrjährigen empirischen Untersuchungen ist die Ableitung und Bewertung von diagnostischen Methoden. So soll später ermöglicht werden, auf zerstörungsfreie Weise bei spezifischen Stromtrassen den aktuellen Zustand herauszufinden und die Restlebensdauer zu prognostizieren. Durch den empirischen Versuchsaufbau des Forschungsprojekts können die Ergebnisse auf das gesamte Mittelspannungsnetz angewendet werden.
„Meine Alterungsmodelle können zukünftig verwendet werden, um die Netze möglichst effizient aber gleichzeitig auch sicher zu betreiben.“ Uhr-Müller ergänzt: „Ich denke da gerade auch an Smart Grids, bei denen dann direkt ein Alterungsmodell hinterlegt werden kann, welches selbstständig die Leistung runterregelt, um das Kabel zu schonen.“ ■
Quelle: Hochschule Coburg / fl