Gemäß Gaspreisanpassungsverordnung (GasPrAnpV) hat der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe eine Höhe der neuen Erdgas-Umlage von 2,419 Ct/kWh ab dem 1. Oktober 2022 mitgeteilt.
Mit der sehr kurzfristig von der Bundesregierung beschlossenen und am 9. August 2022 in Kraft getretenen Gaspreisanpassungsverordnung (GasPrAnpV) sollen die bei systemrelevanten Gasimporteuren auflaufenden Ersatzbeschaffungskosten durch ausbleibende Erdgaslieferungen aus Russland über eine „saldierte Preisanpassung“ (Umlage), mit einer Obergrenze von 90 % der Mehrkosten, ab 1. Oktober 2022 auf alle Gaskunden verteilt werden. Die amtliche Bezeichnung der Gas-Umlage in der GasPrAnpV ist Gasbeschaffungsumlage.
Wird die Gasbeschaffungsumlage von 2,419 Ct/kWh an die Gaskunden weitergereicht, ergeben sich für Erdgaskunden rechnerisch folgende Mehrkosten, jeweils ohne und mit 19 % Mehrwertsteuer:
● Jahresverbrauch von 5000 kWh: 121 Euro/a bzw. 144 Euro/a
● Jahresverbrauch von 10 000 kWh: 242 Euro/a bzw. 288 Euro/a
● Jahresverbrauch von 18 000 kWh: 435 Euro/a bzw. 518 Euro/a
● Jahresverbrauch von 25 000 kWh: 605 Euro/a bzw. 720 Euro/a
Die Bundesregierung hat zwar erklärt, dass sie auf die Erhebung der Mehrwertsteuer auf die Gasbeschaffungsumlage verzichten will, bei der Umsetzung gibt es aber zahlreiche Herausforderungen, auch mit dem EU-Recht.
Nachtrag 2: Das Bundeskabinett hat am 30. September 2022 im Umlaufverfahren die Verordnung zur Aufhebung der Gaspreisanpassungsverordnung beschlossen. Die Erdgas-Umlage ist damit wieder vom Tisch.
Nachtrag 1: Bundeskanzler Olaf Scholz hat am 18. August 2022 angekündigt, dass der Mehrwertsteuersatz auf [Erd]Gas befristet vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 von 19 % auf 7 % abgesenkt wird: „Mit diesem Schritt entlasten wir die Gaskunden insgesamt deutlich stärker, als die Mehrbelastung, die durch die Umlagen entsteht.“
Ausgleich der Mehrkosten für Ersatzbeschaffungen
Gemäß der Verordnung haben die von einer erheblichen Reduzierung der Gesamtgasimportmengen unmittelbar betroffenen Gasimporteure Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich der Mehrkosten der Ersatzbeschaffungen, sofern die Gasbezugsverträge vor dem 1. Mai 2022 abgeschlossen worden sind. Ausgleichsansprüche für die betroffenen Mehrkosten bestehen erst ab dem 1. Oktober 2022. Bis dann müssen die Gasimporteure die Mehrkosten alleine tragen.
Die genaue Höhe der befristeten Umlage berechnet der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE). Sie wurde nun erstmals am 15. August 2022 mitgeteilt [eine weitere Umlage, die wesentlich geringere Speicherumlage wird am 18. August 2022 mitgeteilt]. Das genaue Berechnungsverfahren ist in der GasPrAnpV festgelegt. Ab dem 1. Oktober 2022 erhebt dann THE die befristete Umlage gegenüber den Bilanzkreisverantwortlichen, die diese dann wiederum – je nach Ausgestaltung der Vertragsbedingungen – an ihre privaten und gewerblichen Kunden weiterreichen können. Da auch hierfür gesetzlich geregelte Ankündigungsfristen einzuhalten sind, wurde in der Gaswirtschaft vermutet, dass die Gasbeschaffungsumlage an viele Gaskunden erst ab dem 1. November 2022 weitergereicht wird.
Die Gas-Umlage wird monatlich abgerechnet und kann alle drei Monate angepasst werden. Sie soll neben der vorbeugenden Rettung betroffener Gasimporteure auch verhindern, dass es für einen Teil der Gaskunden – nämlich die, die mittelbar von Gasimporteuren mit hohen Kosten für die Ersatzbeschaffung versorgt werden, zu untragbaren Preissteigerungen und in der Wirtschaft zu Wettbewerbsverzerrungen kommt.
Trading Hub Europe ist ein Unternehmen der Fernleitungsnetzbetreiber in Deutschland, das nicht gewinnorientiert arbeiten darf und für die technische Funktionsfähigkeit des deutschen Gasmarktes zuständig ist. ■
Quelle: THE, BMWK / jv
Hohe Kosten, aber geringe Transparenz
Gasimporteure, die wegen ihrer hohen Ersatzbeschaffungskosten für ausfallendes russisches Gas die Umlage in Anspruch nehmen wollen, konnten bei Trading Hub Europe (THE) 90 % ihrer voraussichtlichen Mehrbeschaffungskosten für physische Gaslieferungen in den deutschen Markt aus Lieferverträgen für russisches Erdgas, die vor dem 1. Mai 2022 abgeschlossen worden sind, geltend machen.
Trotz der hohen Kosten, auch für Verbraucher, deren Gasversorger nur geringe Mengen oder gar kein Erdgas aus Russland in ihren Produkten berücksichtigt hatten, gibt es keine genauen Informationen, welche Gasimporteure in welchem Umfang von der Gasbeschaffungsumlage profitieren.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz haben insgesamt zwölf Gasimporteure ihre Ersatzbeschaffungskosten bei THE angemeldet. Bezogen auf den gesamten Umlagezeitraum bis Anfang April 2024 haben diese Gasimporteure 34 Mrd. Euro an Kosten geltend gemacht also 90 % der erwarteten Ersatzbeschaffungskosten für diese Zeit. Aus dieser Summe wurde durch ein im Rahmen der Rechtsverordnung vorgegebenes Berechnungsverfahren die Höhe der Umlage ermittelt. Dabei wird mit Prognosewerten gearbeitet. Am Ende des Umlagezeitraums wird dann anhand der tatsächlichen Kosten abgerechnet.
Mindestens zwei Gasimporteure, RWE und Shell, hatten im Vorfeld angekündigt, ihre Ansprüche aufgrund der GasPrAnpV vorerst nicht in Anspruch zu nehmen. Begründet wurde dies mit insgesamt guten Geschäften mit Energie. RWE hat erklärt, dass man den Rechtsanspruch nicht grundsätzlich vollständig aufgeben werde, aber die Ob die beiden Unternehmen Ansprüche angemeldet haben und „nur“ nach aktueller Lage auf den Ausgleich verzichten, wurde nicht offengelegt.
Stimmen aus der Politik und der Branche
Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck: „Die Umlage ist eine Folge von Putins völkerrechtswidrigem Angriffskrieg auf die Ukraine und die von russischer Seite verursachte künstliche Energieknappheit. Sie ist bei weitem kein einfacher Schritt, aber notwendig, um die Wärme- und Energieversorgung in den privaten Haushalten und der Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Sonst wäre die Versorgungssicherheit gefährdet.
Aber erstens: Die Umlage muss und wird von einem weiteren Entlastungspaket begleitet werden. Die Energiepreise sind durch den russischen Angriffskrieg insgesamt enorm gestiegen. Gerade für diejenigen, die nicht viel haben, ist das eine hohe Belastung, die nicht oder nur schwer zu tragen ist. Die Bundesregierung hat sich schon auf erste Schritte wie eine Ausweitung des Wohngeldes mit einem Heizkostenzuschuss verständigt. Ich meine aber, dass weitere zielgenaue Entlastungen nötig sind. In dieser Krise müssen wir den demokratischen Konsens sozialpolitisch absichern. Zweitens ist für die Bundesregierung völlig klar, dass der Staat über die Umlage letztlich keine höheren Mehrwertsteuereinnahmen erzielen soll. Wir werden einen Weg finden, um sicherzustellen, dass es da nicht noch zu einer zusätzlichen Belastung kommt.“
Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) sieht die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie durch jede weitere Belastung stark beeinträchtigt. Die Gasbeschaffungsumlage erhöhe die Kosten für die Letztverbraucher von Gas noch einmal in einem relevanten Ausmaß und wirke sich ebenfalls auf den Strompreis aus. Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK: „Der durch die Umlage weiter steigende Gaspreis trifft insbesondere diejenigen Unternehmen sehr hart, welche die steigenden Kosten nicht weitergeben können, da sie beispielsweise durch feste Lieferverträge gebunden sind oder sich nach einem gegebenen Weltmarktpreis richten müssen.
Ohne Entlastungen für die besonders betroffenen Branchen, werden diese Entwicklungen den hiesigen Unternehmens- und Industriestandort massiv gefährden.“ Die Gasbeschaffungsumlage belastet allein die Unternehmen in Deutschland und schwächt ihre internationale Wettbewerbsposition. Es erfolge damit eine Verschiebung der Insolvenzrisiken der Gasimporteure und Gaslieferunternehmen in die Industrieunternehmen.
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) bewertet die Höhe der Gasbeschaffungsumlage als deutliche Verteuerung des Erdgasbezugs ab Oktober 2022 und rät Stadtwerken zu einer intensiven Kommunikation, um die eigenen Kunden durch diese herausfordernde Zeit zu begleiten. Die ASEW rechnet vor, dass der Gesamtverbrauch in Deutschland im Jahr 2021 bei rund 1000 TWh Erdgas lag und bei einer ähnlichen Verbrauchshöhe durch die Gasbeschaffungsumlage etwa 24 Mrd. Euro/a umgewälzt werden.
Jedenfalls seien die „Zusatzbelastungen für die einzelnen Haushalte durchaus beachtlich“, gibt ASEW-Geschäftsführerin Daniela Wallikewitz zu bedenken. „Für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Durchschnittsverbrauch von 16 000 kWh/a bedeutet allein diese neue Umlage zusätzliche Kosten von rund 460 Euro/a (brutto). Und das ist noch nicht das Ende: Denn in drei Tagen wird mit der Höhe der Speicherumlage eine weiter neue Umlage fixiert. Hinzu kommt, dass sich nun bald auch die seit Monaten anziehenden Beschaffungspreise an den Gasmärkten beim Preis manifestieren. Erste Unternehmen haben die Gaspreise bereits, teilweise um mehr als 100 %, erhöht. Diejenigen, die das noch nicht getan haben, werden über kurz oder lang nicht viele Optionen haben, als diesem Beispiel zu folgen.“
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