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Raumlufttechnik

FGK: Bastellösung erfüllt Lüftungsanforderungen nicht

Bereits Anfang November hatte der Fachverband Gebäude-Klima (FGK) vor dubiosen Lüftungsanlagen, insbesondere für Schulgebäude und Klassenzimmer, gewarnt (Meldung auf TGAonline). Nun haben sich weitere Experten der Lüftungsbranche kritisch mit dem Konzept einer günstigen Abluftanlage für Klassenräume auseinandergesetzt.

Die von Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPI) entwickelte „Lüftung leicht gemacht“-Abluftanlage, in der Branche wird das Konzept zumeist als „Regenschirmlüftung“ bezeichnet, kann nach MPI-Angaben aus Komponenten aus dem Baumarkt erstellt werden. Mit Abzugshauben über den im Raum sitzenden Personen soll ausgeatmete Luft, die möglicherweise Viren oder Bakterien enthält, gezielt aufgenommen und über Rohre mithilfe eines Ventilators durch ein gekipptes Fenster nach draußen geführt werden.

Lachen oder weinen? Die notwendige Reaktion fehlt noch

Im Prinzip könnte man hier als TGA-Planer die Geschichte schmunzelnd zu den Akten legen. Allerdings hat sich die Nachricht über die „Lüftung leicht gemacht“-Abluftanlage sehr weit über alle Medien verbreitet – denn vielerorts und weit über den Schulbetrieb hinaus wurde sie wegen der Einfachheit, der geringen Kosten und der guten Verfügbarkeit der Komponenten, einer Bauanleitung und der „versprochenen“ Aerosol-Reduktion um 90 % als echter Problemlöser gesehen.

Es gab jedoch auch früh Kritik, sodass die Pressemittelung etwa einem Monat nach der Veröffentlichung um u.a. diesen Hinweis ergänzt wurde: „Professionelle Lüftungssysteme sind dazu selbstverständlich auch in der Lage und sollten bei geeigneter Konstruktion und Dimensionierung noch bessere Eigenschaften aufweisen, stehen bisher aber in vielen Schulen nicht zur Verfügung.“

Ein Dilemma, an dem die Schulträger und die Politik nach der ersten Infektionswelle wenig geändert haben. Selbstredend wäre es in den Sommermonaten nicht möglich gewesen, RLT-Systeme in einem signifikanten Teil aller Klassenzimmer nachzurüsten, aber mehr als das Aufpeppen einer seit vielen Jahren vorhandenen 20-5-Minuten-Fensterlüftungsregel wäre sicherlich möglich und auch gut finanzierbar gewesen. Letztendlich muss aber in der Politik und in der Gesellschaft das Bewusstsein geschaffen werden: Wir brauchen einen Marshallplan für die Wohnungslüftung – und diesen völlig unabhängig von der Coronavirus-Pandemie!

Und nun die Experten für Lüftungs- und Klimatechnik zur Regenschirmlüftung

● Prof. Dr.-Ing. Christoph Kaup, Umwelt-Campus Birkenfeld, Hochschule Trier,
● Prof. Dr.-Ing. Martin Kriegel, Hermann-Rietschel-Institut der TU-Berlin,
● Prof. Dr.-Ing. Dirk Müller, E.ON Institut RWTH Aachen und
● Prof. Dr.-Ing. Ulrich Pfeiffenberger, Technische Hochschule Mittelhessen,

bewerten das Konzept aus mehreren Gründen skeptisch. Beispielsweise könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine gute Erfassung der kritischen Aerosole im Raum gelingen kann, da sich virenbelastete Aerosole nicht zwangsweise in der Auftriebsströmung über einer Person befinden.

Allein über die Atmung können die Aerosole im gesamten Raum verteilt werden. Selbst im Fall einer optimal ausgerichteten Auftriebsströmung über einer Person sei der in der Studie angegebene Volumenstrom für jede einzelne Abzugshaube im Raum nicht ausreichend, um die in der Auftriebsströmung vorhandenen Aerosole aufzunehmen.

Zudem muss bei der reinen Abluftanlage durchgehend Außenluft in den Raum nachströmen können, zum Beispiel durch ein dauerhaft geöffnetes Fenster, was neben einer akustischen Belastung insbesondere bei niedrigen Außentemperaturen sehr unbehagliche Zustände im Bereich der Nachströmung verursachen kann. Darüber hinaus kann die Lösung nach Auffassung der Experten weder als nachhaltig noch als wirtschaftlich bezeichnet werden. Gründe sind die erwartete begrenzte Lebensdauer und die fehlende Wärmerückgewinnung.

„Regenschirmlüftung“ kann nicht empfohlen werden

Das Fazit der Wissenschaftler: „Die ‚Abluftanlage für Klassenräume‘ des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPI) kann nicht empfohlen werden. Bereits mit einer konsequenten Umsetzung einer regelmäßigen Stoßlüftung gemäß den Lüftungsregeln des Umweltbundesamts [Alle 20 Minuten 5 Minuten lüften] können wahrscheinlich bessere Luftwechselraten bei höherem Komfort erreicht werden. Für eine sichere, komfortable und energieeffiziente Lüftung von Klassenräumen sind Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung zu empfehlen.“

Die „Kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept einer günstigen ‚Abluftanlage für Klassenräume‘ des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPI)“ wurde als Kurzfassung und als Langfassung auf www.fgk.de veröffentlicht. ■