Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW hat eine Studie des Wuppertal Instituts zu Bedarfen, Kosten und Entwicklungspfaden von Wasserstoff in Deutschland vorgestellt. Sie spricht gegen blauen Wasserstoff und für eine möglichst große Produktion von grünem Wasserstoff im eigenen Land.
Die Bundesregierung wird in den kommenden Tagen ihre überarbeitete Nationale Wasserstoffstrategie vorstellen. „Es spricht vieles dafür, dass die Ampel-Regierung dabei verstärkt auf grünen Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien setzen muss“, sagt Christian Mildenberger, Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), „denn heimischer grüner Wasserstoff ist wettbewerbs- und konkurrenzfähiger als erwartet im Vergleich zu den Importen, die im Mittelpunkt der Beschaffungsstrategie der Bundesregierung stehen.“
Mildenberger verweist auf eine neue Untersuchung, mit der der LEE NRW das Wuppertal Institut beauftragt hat. Bereits im Spätherbst 2020 hatte der LEE NRW das Wuppertal Institut zusammen mit dem Beratungsinstitut DIW Econ die „Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Erzeugung“ untersuchen lassen. Das Update der Wasserstoff-Studie, das den Blick vor allem auf das Jahr 2030 und darüber hinaus richtet, bestätigt die Vorteile von grünem Wasserstoff aus heimischen erneuerbaren Energien, insbesondere wenn man die Bewertung aus einer ganzheitlichen Systemperspektive betrachtet.
H2-Importen sind nicht zwangsläufig günstiger
„Die Stärkung einer heimischen, grünen Wasserstoffwirtschaft ist nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Wertschöpfung im eigenen Land sinnvoll. Mit dem Import von Wasserstoff sind nicht zwangsläufig Kostenvorteile verbunden“, sagt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie.
Das Update der Wasserstoff-Studie zeigt zudem, dass blauer Wasserstoff auf Basis von Erdgas nicht die erhoffte Übergangslösung darstellt. Größere Mengen an blauem Wasserstoff werden aus heutiger Sicht nicht vor dem Jahr 2030 verfügbar sein, da die notwendigen Produktionsanlagen und Transportleitungen noch gebaut werden müssen. Aus langfristiger Sicht besteht das Problem, dass eine vollständige CO2-Neutralität aufgrund der technisch begrenzten Abscheiderate bei der Herstellung aus Erdgas nicht erreichbar ist.
Zu erwartende Produktionskosten sind gesunken
Für eine stärkere nationale Erzeugung von grünem Wasserstoff als bisher geplant spricht laut der Untersuchung ein weiteres Argument: Die zu erwartenden Produktionskosten für grünen Wasserstoff hierzulande sind laut den aktuellen Studien im Vergleich zur ersten Publikation weiter gesunken. Sie liegen meist unterhalb der Importkosten von Wasserstoff, der per Schiff zu uns kommt und sind in vielen Fällen auch konkurrenzfähig zum Import von Wasserstoff per Pipeline.
H2-Einsatz bis 2030 stark fokussieren
Neben der Produktionsseite spielt für eine zukünftige Wasserstoffwirtschaft aber vor allem auch die Anwendungsseite eine große Rolle. „Um die bis 2030 mögliche Wasserstoffproduktion effizient zu nutzen, plädieren wir für eine Fokussierung des Wasserstoffeinsatzes auf zwingend nötige Anwendungen. Das hilft, die künftige Wasserstoff-Nachfrage zu begrenzen – und somit auch die erforderlichen Erzeugungs- und Importmengen.
Beispiele sind die Stahl- oder Chemie-Industrie, die ohne grünen Wasserstoff nicht klimaneutral werden können. Ein umfangreicher Einsatz von Wasserstoff im Gebäude- und Verkehrssektor ist dagegen aus heutiger Perspektive nicht zu empfehlen“, betont Studienautor Frank Merten, Co-Leiter des Forschungsbereichs Systeme und Infrastrukturen am Wuppertal Institut.
Für die anstehende Diskussion um die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung formuliert LEE NRW-Geschäftsführer Mildenberger folgende Erwartungen: „Wir sehen uns durch die Ergebnisse der neuen Studie des Wuppertal Instituts bestärkt in unserer Einschätzung, dass eine ambitionierte Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland und Europa auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll, energietechnisch möglich und klima- sowie energiewirtschaftlich geboten ist.
Außerdem haben wir in Deutschland ausreichend Potenzial erneuerbarer Energien, um signifikante Teile des benötigten Wasserstoffs herzustellen. Die Bundesregierung sollte deshalb von vornherein vermeiden, dass es beim Wasserstoff zu einer ähnlich hohen Importabhängigkeit kommt wie bei Erdöl und Erdgas.“ ■
Quelle: Wuppertal Institut / jv
Originalpublikation: Merten, F.; Scholz, A.: Metaanalyse zu Wasserstoffkosten und -bedarfen für die CO2-neutrale Transformation. Wuppertal: Wuppertal Institut, 2023, https://doi.org/10.48506/opus-8344
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