Im ersten Quartal 2020 haben erneuerbaren Energien aufgrund einer Kombination von Sondereffekten erstmals rund 52 % des Bruttoinlandstromverbrauchs gedeckt. Das zeigen vorläufige Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Auf den „Wind-Rekord“ im Februar folgte der März mit außergewöhnlich vielen Sonnenstunden. Hinzu kam ein Rückgang des Stromverbrauchs um 1 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dies wurde ausgelöst durch eine vergleichsweise schwache Konjunktur sowie einen Rückgang der Industrieproduktion in der letzten Märzwoche aufgrund der Coronavirus-Krise.
Der Einspeisevorrang für erneuerbaren Energien führte zusammen mit Kraftwerksstilllegungen (Ende 2019) zu einer deutlich reduzierten Einspeisung mit konventionellen Energien erzeugten Stroms. Die Kombination dieser Faktoren ermöglichte es, den Erneuerbaren in den ersten drei Monaten über die Hälfte des Stromverbrauchs zu decken (Q1 2019: 44,4 %). Angesichts dieser Sondereffekte lässt sich daraus jedoch keine Ableitung für das Gesamtjahr 2020 treffen – zumal das erste Quartal witterungsbedingt regelmäßig eine höhere Erneuerbaren-Quote als das Gesamtjahr aufweist.
Hemmnisse und Deckel müssen zügig beseitigt werden
Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung: „Die Leistungsfähigkeit der Erneuerbaren ist sehr erfreulich. Allerdings sollten wir uns immer vor Augen halten, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt und viele Sondereffekte hineinspielen. Die Rekordzahlen stehen in scharfem Kontrast zur dramatischen Situation beim aktuellen Ausbau von Wind- und PV-Anlagen: Werden die Hemmnisse und Deckel hier nicht zügig beseitigt, ist das 65-%-Ziel bis 2030 kaum zu erreichen. Die wirtschaftlich schwierige Situation verschärft den Handlungsdruck zusätzlich: Es muss sichergestellt werden, dass weiterhin in den Ausbau der Erneuerbaren investiert wird, damit sie die Energieversorgung von morgen gewährleisten können.“
„Gerade angesichts des wirtschaftlichen Einbruchs durch die Corona-Krise lohnen sich mehr Investitionen in erneuerbare Energien“, ergänzt Prof. Dr. Frithjof Staiß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des ZSW. „Bei der Errichtung von Windenergie- und Solaranlagen bleibt im Vergleich zur Nutzung fossiler Energien ein deutlich größerer Anteil der Wertschöpfung im Land. Das wirkt sich positiv auf die Konjunktur und die Unternehmen aus. Hinzu kommt: Die Investitionen in Erneuerbare-Energien-Projekte sind wenig risikobehaftet – für Investoren, die der derzeit volatile Aktienmarkt abschreckt, ist das eine finanziell lohnende Option.“
Die Erzeugungszahlen im Einzelnen
Im ersten Quartal 2020 lag die Bruttostromerzeugung bei fast 158 TWh (Mrd. kWh) – ein Rückgang von fast 7 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum (Q1 2019: 169 TWh). Der Stromverbrauch lag bei rund 148 (Q1 2019: 151) TWh.
Insgesamt wurden rund 77 TWH Strom aus Sonne, Wind und anderen regenerativen Quellen erzeugt (Q1 2019: 67,1 TWh). Davon stammten fast 43 TWh aus Wind onshore, gut 11 TWh aus Biomasse, 9 TWh aus Wind offshore, 7 TWh aus Photovoltaik und 5 TWh aus Wasserkraft. Der Rest entfiel auf biogene Siedlungsabfälle und Geothermie. Aus konventionellen Energieträgern wurden etwa 81 TWh erzeugt. Im Vorjahreszeitraum waren es 101,9 TWh. Neben den dargestellten Sondereffekten fällt hier noch ins Gewicht, dass Ende 2019 das Kernkraftwerk Philippsburg 2 mit 1,4 GW vom Netz gegangen ist und Braunkohlewerke mit 760 MW in die Sicherheitsbereitschaft überführt wurden.
Ökostromanteil: Zwei Berechnungsmöglichkeiten
Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch im ersten Quartal 2020 beträgt rund 52 %. Den Ökostromanteil am Bruttostromverbrauch zu bemessen, ist die gängige Berechnungsgrundlage. Sie geht zurück auf europäische Vorgaben und steht im Einklang mit den Zieldefinitionen der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Bruttostromverbrauch bildet das gesamte Stromsystem eines Landes ab.
Eine andere Möglichkeit ist, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung zu messen. Sie umfasst die gesamte in Deutschland erzeugte Strommenge, also auch die exportierten Strommengen. Der Anteil erneuerbarer Energien im ersten Quartal 2020 auf Basis der Bruttostromerzeugung beträgt rund 49 %. ■